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WikiLeaks-Unterstützer US-Justizministerium verlangt Zugriff auf Twitter-Daten

Online-Durchsuchung per Geheimverfahren: Ein US-Gericht hat angeordnet, dass Twitter dem Justizministerium sämtliche Benutzerdaten von prominenten WikiLeaks-Unterstützern geben muss. Betroffene erfahren erst jetzt von der Entscheidung - sie haben zehn Tage zur Gegenwehr.
WikiLeaks-Proteste: Demonstranten in Madrid verlangen die Freilassung von Julian Assange

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Foto: PAUL HANNA/ REUTERS

Die E-Mail hat es in sich: Am Freitagabend europäischer Zeit bekam der niederländische Hacker Rop Gonggrijp Post von Twitters Rechtsabteilung. Gonggrijp zitiert  aus diesem Schreiben. Demnach erklärt der Vertreter der US-Firma, Twitter sei von einem US-Gericht angewiesen worden, bestimmte Informationen über den Twitter-Account von Gonggrijp herauszugeben. Twitter erklärt, man werde der Gerichtsentscheidung am 17. Januar Folge leisten, sollte Gonggrijp nicht Rechtsmittel einlegen. Juristischen Rat könne man ihm nicht geben, vielleicht würde er sich an die US-Bürgerrechtsgruppen EFF oder ACLU wenden wollen.

Ähnliche Schreiben haben am Freitag mehrere WikiLeaks-Unterstützer erhalten. Neben Gonggrijp zum Beispiel auch die isländische Parlamentsabgeordnete Birgitta Jónsdóttir, die gegen neun Uhr abends deutscher Zeit per Twitter mitteilte : "Gericht verlangt von Twitter Informationen über meinen Account (im Hinblick auf WikiLeaks)". Jónsdóttir war von Medien im vergangenen Jahr mehrfach als WikiLeaks-Sprecherin zitiert worden, sie hatte sich aber zuletzt von der Organisation distanziert.

Auch der US-Programmierer Jacob Appelbaum berichtet , Twitter habe ihn über eine Anordnung im Hinblick auf seinen Twitter-Account informiert. Appelbaum hatte 2010 bei der Hacker-Konferenz "Hope" in New York den WikiLeaks-Gründer Julian Assange vertreten.

Das US-Magazin Salon hat das entsprechende Gerichtsdokument  veröffentlicht: Es handelt sich um eine sogenannte Subpoena (Hintergrund bei SPIEGEL WISSEN ), ein US-Rechtsmittel, das keine exakte Entsprechung im deutschen Recht hat. Das Verfahren funktioniert so: Das US-Justizministerium hat mit Erfolg bei einem US-Bundesbezirksgericht eine Art Vorladung an Twitter beantragt, bestimmte Informationen über Dritte bereitzustellen. Twitter hat in diesem Fall wie ein Zeuge Beweismittel beizubringen, die für eine strafrechtliche Untersuchung relevant sein könnten. Das Bundesgericht ist zuständig, weil die Exekutive selbst als Kläger auftritt.

Twitter soll sämtliche Daten herausgeben

Gefordert werden Informationen über jeden Twitter-Account, der in Verbindung mit WikiLeaks, Jacob Appelbaum, Rop Gonggrijp, Birgitta Jónsdóttir, Julian Assange und Bradley Manning steht. Der US-Soldat Manning sitzt seit Monaten in Haft, weil er der Enthüllungsplattform WikiLeaks Datensätze zugespielt haben soll.

Das US-Justizministerium verlangt dem Dokument zufolge umfassendes Datenmaterial von Twitter. Und zwar:

  • Klar- und Benutzernamen dieser Personen und alle verfügbaren Informationen über andere Identitäten
  • Privat- und Geschäftsadressen, E-Mail-Adressen und alle anderen Kontaktdetails
  • sämtliche Details über die Twitter-Nutzung dieser Personen (Verbindungsdaten, Art der genutzten Dienste, Dauer der Verbindungen)
  • IP-Adressen, Telefonnummern, Verbindungsdaten und alle Netzwerkinformationen, die im Zusammenhang mit der Twitter-Nutzung der genannten Personen angefallen sind

Gericht erklärt die eigene Entscheidung zur Geheimsache

Die ursprüngliche von einer Bundesrichterin in Virginia ausgestellte Subpoena hat das US-Justizministerium bereits am 14. Dezember an Twitters Rechtsabteilung gefaxt. Dass die Betroffenen erst jetzt davon erfahren, liegt am letzten Satz in der Anordnung: "Twitter darf die Existenz dieser Entscheidung oder dieser Untersuchung nicht gegenüber den genannten Nutzern oder irgendeiner anderen Person enthüllen, solange dies nicht vom Gericht erlaubt wird."

Gegen dieses Verbot scheint Twitter sich juristisch gewehrt zu haben, eine bei Salon veröffentlichte Entscheidung des Bundesgerichts  vom 5. Januar hebt das Sprechverbot auf.

Anfragen von SPIEGEL ONLINE zu dem Verfahren hat Twitter nicht beantwortet, dem US-Onlinedienst Cnet  teilte ein Firmensprecher lediglich mit, man habe den Grundsatz, "Nutzer über Forderungen zur Offenlegung ihrer Kontoinformationen von Regierungsstellen und Ermittlungsbehörden zu informieren", solange man nicht mit juristischen Mitteln davon abgehalten werde.

Die nun von Twitter informierten Nutzer haben bis zum 17. Januar Zeit, Rechtsmittel gegen die geforderte Datenweitergabe einzurichten.

Interessant an dem Verfahren ist, dass die Anordnung unbemerkt geblieben wäre, hätte Twitter nicht die Aufhebung des Maulkorberlasses erwirkt. Sollte das US-Justizministerium ähnliche Entscheidungen gegen andere US-Internetfirmen erwirkt haben, könnten die betroffenen Kunden noch völlig ahnungslos sein. Anfragen bei Google, Facebook und Amazon, ob das Justizministerium vergleichbare Entscheidungen in den Vereinigten Staaten erwirkt hat, haben die Unternehmen bis zu Veröffentlichung dieser Meldung nicht beantwortet.