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Wir finanzieren euch die Rente? Pff, hier kommt die Kündigung

Wie haben mit Lucie und Jonathan über ihre Kampagne gesprochen.

Dieser Beitrag wurde am 13.11.2018 auf bento.de veröffentlicht.

Vor wenigen Tagen hat der Bundestag ein neues Rentenpaket beschlossen. Die Mindesthöhe der Rente, gemessen am Verhältnis zu den Löhnen, wurde bei 48 Prozent festgeschrieben – bis 2025 (SPIEGEL ONLINE). Wie genau es danach weitergeht? Weiß niemand. 

Der demografische Wandel bewirkt, dass der Generationenvertrag irgendwann nicht mehr aufgehen wird. Wer soll in einer überalterten Gesellschaft die Renten bezahlen?

Die "Generationenstiftung" kämpft dafür, dass sich etwas ändert. Sie versteht sich als Lobby für Generationengerechtigkeit – und warnt vor den Folgen, die die aktuelle Politik für die kommenden Generationen verursachen könnte. 

Am Dienstag startet der Jugendrat der "Generationenstiftung" in Berlin deshalb die Kampagne "Wir kündigen!". Damit wollen sie auf Probleme aufmerksam machen, die auf die junge Generation zukommen.

Lucie Hammecke, 22, und Jonathan Gut, 20, sind Mitglieder des Jugendrats der "Generationenstiftung" und haben mit uns über ihre Forderungen gesprochen.

Mit der Kampagne "Wir kündigen!" wollt ihr jetzt eine Debatte über Generationengerechtigkeit starten. Aber was genau wollt ihr eigentlich kündigen?

Lucie: Wir wollen den Generationenvertrag kündigen. Das soll radikal sein und Aufmerksamkeit erzeugen. Uns ist bewusst, dass ein Vertrag nur funktionieren kann, wenn beide Seiten ihn einhalten. Aber so wie heute Wirtschaft und Politik gemacht werden, sagen wir, dass der Generationenvertrag eigentlich schon seit Jahrzehnten nicht eingehalten wird. Er kann nur eingehalten werden, wenn beide Seiten auf Augenhöhe miteinander handeln. 

Dort, wo Entscheidungen getroffen werden, sitzen alte Männer. Deshalb ist eine Forderung von uns auch, dass Politik jünger werden muss. Mehr junge Menschen sollen aktiv mitgestalten können. 

Beim Generationenvertrag denkt man meist zuerst an das Rentensystem – für euch bedeutet er aber viel mehr: Was versteht ihr darunter?

Lucie: Generationenvertrag heißt für uns, dass erstens die älteren Generationen sich generationengerecht verhalten – dass sie nicht alle Ressourcen aufbrauchen. Und zweitens, dass junge Generationen Verantwortung übernehmen. Generationengerechte Politik ist eine Politik, die nicht nur die vier Jahre der nächsten Legislaturperiode in die Zukunft blickt.

Jonathan: Das bezieht sich nicht nur auf Klima und Nachhaltigkeit, sondern auch auf andere Themen, zum Beispiel die Rentenkatastrophe. In wenigen Jahren schon weiß keiner, wie es weiter geht, während immer mehr alte Menschen in Deutschland leben werden und immer weniger junge.

Was erhofft ihr euch von dieser "Kündigung" des Generationenvertrags? Wie soll künftig stattdessen gehandelt werden?

Lucie: Gesetze sollen darauf geprüft werden, wie sie sich auf die nachfolgenden Generationen auswirken können.

Jonathan: Deswegen haben wir als Jugendrat zehn Forderungen an die ältere Generation, zum Beispiel die Einhaltung von Klimaschutzzielen und die Bekämpfung von Kinderarmut.

Eure Forderungen betreffen sehr viele Bereiche. Wäre es nicht einfacher, sich auf einige konkrete Probleme zu fokussieren?

Lucie: Das Spektrum ist sehr breit, weil Generationengerechtigkeit eben nicht nur ein Thema betrifft. Umweltschutz ist wichtig, aber auch Bildung, das Ende von Kinderarmut oder die Digitalisierung.

Wichtig ist uns auch eine humane Migrationspolitik, wir fordern ein Ende des Sterbens an den Grenzen von Europa. Denn es ist auch die Klimakatastrophe, an der Länder wie Deutschland Schuld tragen, die zur Flucht führt.

Jonathan: Wir beschränken uns nicht egoistisch auf junge Leute in Deutschland. Generationengerechtigkeit ist wichtig für die junge Generation weltweit, nicht nur für uns in Deutschland.

Klimaschutz ist euch besonders wichtig. Welche konkreten Forderungen habt ihr dazu?

Jonathan: Ganz konkret wäre zum Beispiel der Kohleausstieg ein sehr wichtiges Thema – und zwar nicht bis 2070 oder was die Kohlekommission im Auge hat. Dass es nicht sofort geht, ist uns klar, aber 2025 wäre durchaus ein Ziel, das man anpeilen könnte.

Es ist aber nicht nur Kohle, es ist auch der Verkehr – die CO2-Emmissionen sind gestiegen. Man könnte beispielsweise eine Kerosinsteuer einführen. Dass Kerosin nicht besteuert ist, ist eigentlich völlig unverständlich, da wird das klimaschädlichste Verkehrsmittel subventioniert.

Und wenn man sich den Autoverkehr anschaut, kann man überhaupt keine Ambitionen der Politik erkennen, etwas ändern zu wollen.

Was war der Anlass, jetzt diese Debatte über Generationengerechtigkeit zu starten?

Lucie: Die Frage ist ja, wenn nicht jetzt, wann dann? Eigentlich hätte diese Debatte schon lange geführt werden müssen. Jetzt mit den Diskussionen um "Ende Gelände" und den Hambacher Forst wurde eine große klimapolitische Debatte gestartet. Gerade eben wurde ein Rentenpaket beschlossen, das nur bis 2025 geht. Wir wollen jetzt laut werden und eine breite gesellschaftliche Debatte lostreten.