Aktivisten protestieren mit Gummi-Enten gegen...

Mit ihrer Protestaktion konnten die Umweltaktivisten den Castor-Transport auf dem Neckar nur kurzzeitig verzögern. Foto: dpa  Foto: dpa
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Wie ein schwarzes Tuch hüllt die kalte Nacht das stillgelegte Atomkraftwerk Obrigheim ein. Stumm stehen blattlose Bäume dort in der kargen Landschaft an den Ausläufern des...

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OBRIGHEIM/NECKARWESTHEIM. Wie ein schwarzes Tuch hüllt die kalte Nacht das stillgelegte Atomkraftwerk Obrigheim ein. Stumm stehen blattlose Bäume dort in der kargen Landschaft an den Ausläufern des Odenwaldes. Nur auf dem nahen Neckar zeichnet sich die Silhouette eines bulligen Frachters ab, seine Positionslichter glänzen auf dem Fluss. Kurz nach zwei Uhr setzt sich das Schiff in Bewegung – es trägt heikle Fracht: drei Castor-Behälter mit hoch radioaktivem Atommüll. Erstmals startet der Transporter in tiefer Nacht zum etwa 50 Kilometer entfernten Zwischenlager Neckarwestheim, scharf bewacht von der Polizei.

AKW-Gegner schäumen. Sie kritisieren den Fahrtbeginn bei Finsternis als höchst leichtsinnig. „Trotz der besonderen Risiken hat der Energieversorger EnBW diesen Transport im Stockdunkeln begonnen. Das Schiff wendete noch vor Sonnenaufgang mit einem waghalsigen Manöver. Dabei trennten nur wenige Meter Bug und Heck vom Ufer“, sagt etwa Herbert Würth vom Bündnis „Neckar castorfrei“.

Vor einer Schleuse in Heilbronn belassen es die Gegner nicht bei Worten: Mehrere Aktivisten springen mit blauen Fässern und großen gelben Gummi-Enten ins Wasser. Das eiskalte Wasser kann sie nicht abhalten. Von einem Banner grinst ein zum Totenkopf umgewandeltes Warnzeichen für Radioaktivität. Die Atomkraftgegner in Neoprenanzügen verzögern den umstrittenen Transport nur kurz. „Wir haben den Schubverband so lange angehalten, bis er gefahrlos durchfahren konnte“, sagt ein Sprecher der Polizei. Sie drängt die Umweltschützer mit Hilfe von Schlauchbooten zur Seite, sodass der 107,05 Meter lange Schubverband an ihnen vorbeigleitet.

„Atommüll wird nicht dadurch weniger, dass man ihn hin- und herfährt“, sagt Franz Wagner von „Neckar castorfrei“. Die Umweltschützer kritisieren an den Castor-Transporten besonders, dass durch erhöhte Strahlung sowie durch mögliche Unfälle und Anschläge die Gefahr für Mensch und Umwelt steige. Diesmal regt auch die Abfahrtszeit mitten in der Nacht die AKW-Gegner auf. „Diese Fahrten bei Dunkelheit sind hochriskant und werden nur aus rein strategischen Gründen in die Nacht gelegt. So sollen Proteste verhindert werden“, sagt Würth in Heilbronn. Bei den ersten Transporten habe die Polizei ein solches Vorgehen noch kategorisch abgelehnt. Die Behörden sehen dies anders. Nach ihren Angaben stellen die Fahrten bei Dunkelheit im Herbst und im Winter für die Beamten und die Besatzung kein besonderes Risiko dar.

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„Das hat einsatztaktische Gründe“, sagt Roland Fleischer, Sprecher der Einsatzleitung in Göppingen. Die Transportgenehmigung des Bundesamtes für Strahlenschutz umfasse 24 Stunden. Die Fahrt sei akribisch vorbereitet worden. „Ich kann Ihnen versichern, dass wir nichts einfach so machen“, meint Fleischer. Sicherheit stehe an oberster Stelle. „Sie geht vor Geschwindigkeit. Es spielt keine Rolle, ob das Schiff eine Stunde früher oder später ankommt.“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hatte die Organisatoren des Transports im Vorfeld aufgefordert, die Castoren aus Sicherheitsgründen nur bei Tageslicht zu befördern. „Falls erforderlich, muss der Transport in zwei Etappen gesplittet werden“, sagte der Landesvorsitzende Hans-Jürgen Kirstein kürzlich. Am Donnerstag betonte Kirstein, für die Nachtfahrt gebe es diesmal offenbar taktische Gründe. „Damit kann ich leben“, meinte er.

342 alte Brennelemente sollen ins Zwischenlager

Im Zwischenlager Neckarwestheim will EnBW insgesamt 342 ausgediente Brennelemente aus Obrigheim unterbringen. Das Argument des Unternehmens: Besser eine Lagerung in Neckarwestheim, wo noch Platz sei, als der Bau eines weiteren Zwischenlagers in Obrigheim. Von den Behörden in Stuttgart ist das abgesegnet. Kritiker sind skeptisch.

Bereits viermal transportierte EnBW in diesem Jahr Brennelemente auf dem Neckar. Die Demonstrationen blieben überschaubar – auch an diesem grauen Novembertag. Dass sich Massenproteste wie früher zwischen der Aufbereitungsanlage im französischen La Hague bis ins Zwischenlager nach Gorleben wiederholen, gilt bei Experten als unwahrscheinlich. Aufgeben wollen die Aktivisten im Südwesten aber längst nicht.

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Von Julian Weber und Wolfgang Jung