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Sprachkritik "Lügenpresse" ist Unwort des Jahres

Sprachwissenschaftler haben "Lügenpresse" zum Unwort des Jahres gekürt. Der Ausdruck setzte sich gegen Vorschläge wie "Putin-Versteher" und "Pegida" durch.
Pegida-Anhänger bei einer Veranstaltung in Villingen-Schwenningen: "Pauschale Diffamierung"

Pegida-Anhänger bei einer Veranstaltung in Villingen-Schwenningen: "Pauschale Diffamierung"

Foto: Marc Eich/ dpa

Darmstadt - "Lügenpresse" ist das Unwort das Jahres 2014 - das gaben Sprachwissenschaftler in Darmstadt bekannt. Der Begriff, der bereits Anfang des 20. Jahrhunderts entstand, aber auch von den Nationalsozialisten im "Dritten Reich" benutzt wurde, wird im Moment besonders von Pegida-Anhängern skandiert.

Das Schlagwort "war bereits im Ersten Weltkrieg ein zentraler Kampfbegriff und diente auch den Nationalsozialisten zur pauschalen Diffamierung unabhängiger Medien", begründete die Jury ihre Entscheidung. "Gerade die Tatsache, dass diese sprachgeschichtliche Aufladung des Ausdrucks einem Großteil derjenigen, die ihn seit dem letzten Jahr als 'besorgte Bürger' skandieren und auf Transparenten tragen, nicht bewusst sein dürfte, macht ihn zu einem besonders perfiden Mittel derjenigen, die ihn gezielt einsetzen."

Mit dem Unwort des Jahres wollen die Sprachkritiker auf undifferenzierten, verschleiernden oder diffamierenden öffentlichen Sprachgebrauch aufmerksam machen und so die Sprachsensibilität in der Bevölkerung fördern. Rund 1250 Einsendungen mit mehr als 730 unterschiedlichen Vorschlägen waren in diesem Jahr eingegangen.

Am häufigsten vorgeschlagen wurde der Begriff "Putin-Versteher", mit dem Kritiker Unterstützer des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Ukraine-Konflikt bezeichnen - im Vorfeld galt der Begriff jedoch nicht als besonders aussichtsreich, da er einen Eigennamen enthält. An zweiter Stelle stand Pegida, die Abkürzung für "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Am dritthäufigsten genannt wurde "Social Freezing". Der Begriff bezeichnet das Einfrieren von Eizellen, durch das Frauen ihren Kinderwunsch auf unbestimmte Zeit verschieben können. Das Gremium selbst entscheidet aber unabhängig und richtet sich nicht nach der Häufigkeit der Vorschläge. Der Begriff "Lügenpresse" etwa wurde nur sieben Mal eingesendet, "Putin-Versteher" und "Russland-Versteher" hingegen zusammen 60-mal.

Zudem rügte die Jury die Begriffe "Erweiterte Verhörmethoden" und "Russland-Versteher": Der Ausdruck "Erweiterte Verhörmethoden", der in diesem Jahr durch den CIA-Folterbericht bekannt geworden war, habe sich in der Berichterstattung zu einem dramatisch verharmlosenden Terminus technicus entwickelt. In der Berichterstattung diene er dazu, das in seiner Bedeutung sehr klare Wort "Folter" zu umgehen.

"Russland-Versteher" verwende das positive Wort "verstehen" diffamierend. In der Begründung bezog sich die Jury auf den SPIEGEL-Essay "Wir reaktionären Versteher" (Spiegel 18/2014).  Darin legt Erhard Eppler dar, dass die Bemühung, fremde Gesellschaften und Kulturen zu verstehen, Grundlage jeder Außenpolitik sein muss, wobei dies keinesfalls bedeutet, auch Verständnis für daraus resultierende Handlungen zu haben.

Die Unwort-Jury  besteht aus vier Sprachwissenschaftlern und einem Journalisten und beruft jährlich wechselnd ein weiteres Mitglied aus dem Kultur- und Medienbetrieb. In diesem Jahr stimmte die Journalistin und Moderatorin Christine Westermann mit ab.

Im vergangenen Jahr hatte die Jury in die hitzige Debatte über Zuwanderung "Sozialtourismus" zum Unwort gekürt. 2012 entschieden sich die Sprachkritiker für "Opfer-Abo", 2011 für "Döner-Morde". Die Unwort-Aktion gibt es seit 1991.

eth/ dpa
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