In Deutschland: Das verlogene Geschäft mit den Asylanten

Wer profitiert von den Flüchtlingen? Was zahlt der Staat? 15 Fragen, die uns alle angehen

Von: Von THOMAS DIERENGA, ANGELIKA HELLEMANN, MARCUS HELLWIG, ALEXANDER RACKOW UND KATHARINA WINDMAISSER
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Beim Thema Flüchtlinge wird in Deutschland kontrovers diskutiert: Es geht um Hilfsbereitschaft gegenüber den Ärmsten, um Mitleid, aber auch um Ängste vor den Fremden. Bürger protestieren, in Tröglitz wurde Ostern ein geplantes Flüchtlingsheim angezündet.

Bei all dem wird gern vergessen: Es geht auch um ein Millionengeschäft. Zehntausende müssen untergebracht, versorgt, am Ende in Arbeit vermittelt werden. Das lockt auch Spekulanten an, die am Elend der Flüchtlinge verdienen wollen.

BamS beantwortet die wichtigsten Fragen:

Wie viele Menschen fliehen nach Deutschland?

In den ersten drei Monaten 2015 haben 85 394 Flüchtlinge in Deutschland Asyl beantragt – mehr als doppelt so viele wie von Januar bis März vergangenen Jahres (37 820). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geht für 2015 von ins-gesamt 300 000 Menschen aus. Die Bundesländer rechnen sogar mit bis zu 500 000 Asylbewerbern.

Aus welchen Ländern kommen sie?

Auf Platz 1 der Herkunftsländer in diesem Jahr steht laut Bundesinnenministerium das Kosovo (23 137 Menschen), es folgen Syrien (15 444), Serbien (9074), Albanien (6486) und Irak (3481). Warum sind es plötzlich so viele?

Eine Ursache sind die Kriege in Syrien und im Irak, die zweite die Armut auf dem Balkan. Angeblich machen sich viele auf den Weg nach Deutschland, weil sie während ihres Verfahrens und bis zur Abschiebung mit Essen, Kleidung und Wohnraum versorgt werden.

Wer darf überhaupt in Deutschland bleiben?

Wer politisch verfolgt ist und eindeutig nachweisen kann, dass er ohne Umweg über ein anderes Land direkt nach Deutschland geflohen ist, bekommt ein Aufenthaltsrecht in Deutschland. Wem wegen seiner Rasse, Religion oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in seinem Heimatland Gefahr droht und dessen Fluchtweg nicht nachweisbar ist, der bekommt nach der Genfer Flüchtlingskonvention ebenfalls ein Aufenthaltsrecht in Deutschland. Beide Gruppen haben den gleichen Schutzstatus. Faktisch sind Asylbewerber und Flüchtling dasselbe.

Wer muss sofort wieder zurück in die Heimat?

Nicht anerkannt wird, wer aus wirtschaftlichen Gründen seine Heimat verlässt. Und wer über einen sicheren Drittstaat einreist (z. B. Italien), dessen Antrag wird ohne inhaltliche Prüfung abgelehnt und in das erste sichere Ankunftsland in Europa zurückgeschickt.

Wer verdient am Elend der Menschen, die nach Deutschland fliehen?

Städte und Gemeinden arbeiten mit privaten Immobilienbesitzern zusammen. Für kriminelle Abzocker ein gutes Geschäft:

► Der Besitzer eines „Hostel“ in Berlin vermietete seine Unterkunft für 50 Euro pro Person und Nacht. Also für happige 1500 Euro Monatsmiete. Weil er auch noch bis zu 14 Personen in eine Wohnung pferchte, kassierte er dafür 21 000 Euro Steuergeld im Monat.

► Gleich mehrere Unterkünfte für bis zu 1500 Asylbewerber bietet der ehemalige Stasi-Offizier Wilfried Pohl in Hessen, Sachsen und Thüringen an. Migranten berichten von teils katastrophalen Zuständen: übervolle Zimmer, marode Heiz- und Sanitäranlagen, Ungeziefer.

Warum wird nicht besser aufs Steuergeld aufgepasst?

„Für eine wirksame Überprüfung der privaten Unterkünfte von Flüchtlingen haben wir schlichtweg nicht genügend Personal“, sagt der Neuköllner Bezirksstadtrat Bernd Szczepanski (66, Grüne). „Die Notsituation ist so groß, dass man sich natürlich die Frage stellen muss: Unter die Brücke oder erst mal ein Dach über dem Kopf?“

Wie viel Geld geben wir für Flüchtlinge aus?

Durch die gestiegene Flüchtlingszahl explodieren die Kosten. In Berlin steigen die Ausgaben pro Jahr um knapp 100 Millionen Euro. Für 2015 sind 200 Millionen eingeplant, 2017 bereits 390 Millionen Euro. Die meisten Bundesländer erstatten den Kommunen eine Kostenpauschale pro Flüchtling. Die ist aber nicht kostendeckend.

Muss der Bund den Gemeinden mehr helfen?

Ulrich Maly, Präsident des Städtetags und Oberbürgermeister von Nürnberg, fordert in BamS: „Wir brauchen einen Flüchtlingsgipfel mit Bund, Ländern und Kommunen. Dort sollte die Finanzierung neu verteilt werden.“ Die Kommunen bräuchten „mehr Geld vom Bund für die Integrationsaufgabe, mehr Personal für die Betreuung der Flüchtlinge, Bündnisse mit Vereinen und gesellschaftlichen Organisationen, um die Akzeptanz vor Ort zu stärken“. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) schlägt sogar vor, dass der Bund die Kosten für die Unterbringung komplett übernimmt. Die grüne Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt (48) kommentiert das so: „Sigmar Gabriel hat zum wiederholten Male mehr Unterstützung versprochen, jetzt müssen Taten folgen. Wir werden ihn beim Wort nehmen und einen Antrag zur Übernahme von Kosten bei der Flüchtlingshilfe in den Bundestag einbringen. Wir erwarten Zustimmung, damit den Kommunen schnell geholfen werden kann.“

Innenexperte Stephan Mayer (CSU) macht die stärkere Kostenbeteiligung des Bundes davon abhängig, dass die Länder abgelehnte Asylbewerber konsequenter abschieben („Passauer Neue Presse“).

Warum werden die Flüchtlinge überhaupt in Lagern untergebracht? Das schafft doch nur Probleme . . .

Um die Flüchtlinge zu registrieren und ärztlich zu untersuchen, werden sie in den ersten 6 Wochen bis 3 Monaten in den Erstaufnahmeeinrichtungen betreut. Aus organisatorischen Gründen sind dies Massenunterkünfte. Danach werden die Flüchtlinge auf Städte und Gemeinden verteilt, dort in Gemeinschaftsunterkünften oder in Wohnungen untergebracht.

Martin Patzelt, CDU-Bundestagsabgeordneter aus Frankfurt/Oder, hat schon oft Flüchtlinge in seinem Gästezimmer einquartiert: „Wenn sich nur 0,5 Prozent aller Deutschen freiwillig dazu bereit erklären würden, gäbe es mit der Unterbringung keine Probleme.“

Wer entscheidet, wo Heime entstehen?

Die Verwaltung der Kommunen. Städtetagspräsident Maly: „Die Städte bringen die Flüchtlinge in leer stehenden Hotels, umgewidmeten Möbelhäusern oder Gewerbeimmobilien, alten Schulen unter. Es gibt nichts, worüber wir nicht nachdenken, wo eine menschenwürdige Unterkunft möglich ist.“

Ist der Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in Tröglitz ein Einzelfall?

Nein. 2014 hat das Bundeskriminalamt 170 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte registriert (60 in Ost-, 75 in Westdeutschland). 2013 lag die Gesamtzahl noch bei 58.

Wie viel Geld bekommt ein Flüchtling?

In der Erstaufnahmeeinrichtung erhält der Flüchtling Sachleistungen, zum Beispiel Verpflegung, Putzmittel, Kleidung. Nach 15 Monaten gibt es 352 Euro pro Monat, die Kosten für Wohnung und Heizung werden zusätzlich übernommen. Dies entspricht dem Sozialhilfeniveau.

Dürfen die Asylbewerber wenigstens arbeiten?

Seit November schon nach drei statt nach neun Monaten. Allerdings darf ein Asylbewerber nur eingestellt werden, wenn es für die Stelle keinen Deutschen und keinen EU-Bürger gibt. Ob das der Fall ist, überprüft die Arbeitsagentur. Nach 15 Monaten entfällt diese Einschränkung. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer fordert, dass Asylsuchende spätestens ab dem sechsten Monat ohne diese Prüfung arbeiten dürfen. Kramer: „Gerade für jugendliche Flüchtlinge darf das Asylverfahren keinen Lebensstillstand bedeuten.“

Muss Deutschland Flüchtlinge besser behandeln?

Die Wohnsituation der Flüchtlinge ist entscheidend dafür, ob sie Arbeit finden. In einer noch nicht veröffentlichen Studie der Bertelsmann Stiftung, die BILD am SONNTAG in Teilen vorliegt, geht hervor: Je früher Flüchtlinge in normalen Wohnungen unterkommen, umso besser knüpfen sie soziale Kontakte, bekommen Jobangebote und können sich integrieren.

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