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Vor fünf Jahren

Die Streitkräfte der Vereinigten Staaten und ihrer NATO-Partner haben mit Luftangriffen auf Militär-Ziele in Jugoslawien begonnen.

Von Lidija Klasic und Klaus Dahmann | 26.03.2004
    Es ist der 24. März 1999. Der amerikanische Präsident Bill Clinton wendet sich in einer Fernsehansprache an die Nation. Er verkündet, dass im Kosovo-Konflikt die diplomatischen Mittel erschöpft seien.

    Die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, die seit zehn Jahren währende Krise auf dem westlichen Balkan zu lösen, hat eine neue Qualität erreicht. Die NATO startet, wie sie es nennt, eine "humanitäre Intervention". Im Klartext heißt das: sie führt Krieg. Wieder einmal – zum letzten Mal im 20.Jahrhundert – wird Krieg zum Mittel der Politik, und das in Europa. Und- zum ersten Mal seit dem zweiten Weltkrieg in vorderster Front mit dabei: Deutschland.

    Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, heute Abend hat die NATO mit Luftschlägen gegen militärische Ziele in Jugoslawien begonnen...
    Gegen 20 Uhr läuft die erste Angriffswelle an. Kampfflugzeuge werfen schwere Bomben über Jugoslawien ab. Von Schiffen in der Adria werden mehrere Dutzend Marschflugkörper abgefeuert. Die NATO nimmt mehr als 20 Ziele unter Beschuss. Jugoslawien ruft den Kriegszustand aus.

    Ende März 1999 war das Wetter in Jugoslawien schon frühlingshaft: warm und trocken. In den Nächten, in denen die Angriffe besonders stark waren, konnte man am Himmel die leuchtenden Bahnen der Tomahawk-Raketen und das ununterbrochene Aufblitzen der Flugabwehrgeschosse klar verfolgen. Ein Schauspiel, so irreal, als ob es auf dem Computerbildschirm stattfand. Aber es ging hier tatsächlich um Leben und Tod.

    Als die Sirenen zu heulen begannen und die erste Bombe auf Belgrad fiel, konnte ich es einfach nicht glauben... es war so unwahrscheinlich erniedrigend... Ich, der ich ein politisch aufgeklärter Mensch bin, ich wusste genau, wie und warum es dazu gekommen war... Aber als ich die Sirenen hörte, da hatte ich auf einmal nur noch Angst und dachte an meine Kinder und an unser Überleben...Damit mischte sich panische Angst mit einer solchen Enttäuschung, denn ich dachte: Jetzt muss ich mich vor meinen politisch loyalen Freunden rechtfertigen, nicht nur mich, sondern ich muss vor ihnen auch die Intervention rechtfertigen. Dabei bin ich mit jeder Faser meines Körpers gegen diese Angriffe.

    Biljana Kovacevic-Vuco hatte schon Ende der 80er Jahre begonnen, sich für Bürgerrechte in Serbien zu engagieren. Als regimekritische Richterin wurde sie bald entlassen und gründete "Lawers for human rights", eine Nichtregierungsorganisation, die sich für Flüchtlinge und speziell für die Kosovoalbaner einsetzte. In allen Phasen des bürgerlichen Wiederstandes in Serbien stand sie mit in der ersten Reihe – angefangen bei den Protesten der "Frauen in Schwarz" Anfang der 90er, die gegen die Einberufung ihrer Söhne in den Kriegsdienst protestierten; dann während der Wochen der so genannten "Spaziergänge" der Koalition "Zajedno", die gegen das Regime demonstrierte; bis hin zu jenem Volksaufstand, der schließlich - zwei Jahre nach dem Krieg - am 5. Oktober 2001, die Herrschaft von Slobodan Milosevic beendete.

    Milosevic war Machtpolitiker. Bereits Ende der 80er Jahre hatte er den Nationalismus für sich entdeckt - und den Traum von einem Großserbien - als eine Ideologie, auf die er seinen raschen politischen Aufstieg gründen konnte.

    Anfang der 90er Jahre ignoriert Milosevic die Provinz Kosovo weitgehend. Ihn beschäftigen zu diesem Zeitpunkt die Kriege in Kroatien und Bosnien. Auch die internationale Gemeinschaft richtet darauf ihre gesamte Aufmerksamkeit.
    Kaum jemand nimmt wahr, dass sich eine neue Art des Widerstands im Kosovo bildet – bewaffneter Widerstand mit finanzieller Unterstützung der Exil-Albaner, vor allem jener, die in Deutschland und der Schweiz leben.
    1996 macht die selbsternannte kosovarische Befreiungs-Armee UCK erstmals Schlagzeilen mit Anschlägen auf serbische Polizei-Stationen. Anfang 1998 brechen offene Kämpfe aus. Im Drinica-Tal, wo das Zentrum der UCK geortet wird, verüben serbische Einheiten ein Massaker. Tausende Kosovo-Albaner flüchten aus ihren Heimatdörfern und verstecken sich in den Wäldern. Die UCK erhält immer mehr Zulauf.

    Amerikaner und Europäer steckten in der Zwickmühle: Auf der einen Seite brauchten sie den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic. Ohne seine Hilfe hätten sie das Friedensabkommen von Dayton, durch das 1995 der Krieg in Bosnien beendet wurde, nicht umzusetzen können. Denn nur er hatte Einfluss auf die widerwilligen Serben in Bosnien. Auf der anderen Seite trat der so genannte CNN-Effekt ein. Der Bonner Politologe Rafael Biermann:

    Das heißt, zunehmend kommen Fernsehbilder und Schreckensnachrichten jeden Abend in die Wohnzimmer und beeinflussen die Meinungsbildung, üben Druck aus auf die Regierung zu handeln.

    Rafael Biermann war damals im Verteidigungsministerium. Er erinnert sich noch genau an den Moment, als der damalige Hardthöhen-Chef Volker Rühe, der Kosovo bis dahin überhaupt nicht auf der Agenda hatte, dies plötzlich zum zentralen Thema erklärte:

    Hintergrund war eine Kabinettssitzung, wo der Innenminister aufgestanden war, Herr Kanther damals. Und der Innenminister hat gesagt: Wir befürchten eine ähnliche Flüchtlingskatastrophe wie in Zeiten des Bosnien-Krieges – 360.000. Das können wir nicht verantworten. Dieses Thema ist eine Thema, dem wir uns zentral annehmen müssen.
    Die Vereinten Nationen verfassen mehrere Resolutionen. Weil Russland aber immer wieder die Drohung mit Sanktionen verhindert, bleibt der Druck auf das Belgrader Regime eher gering. Die Spirale der Gewalt im Kosovo dreht sich derweil weiter. Auf Initiative der USA bereitet sich der NATO-Rat darauf vor, militärisch einzugreifen. Im Oktober stimmt Slobodan Milosevic zu, OSZE-Beobachter in die Unruhe-Provinz zu entsenden. Einige Wochen lang scheint die Gefahr eines Waffengangs der NATO gebannt.

    Im Januar 1999 brechen erneut Gefechte zwischen UCK und serbischen Sicherheitskräften los. Die Balkan-Kontaktgruppe startet den letzten Vermittlungsversuch: eine Konferenz mit serbischen und kosovarischen Vertretern im Februar 1999 im französischen Rambouillet. Das erste Ultimatum verstreicht ergebnislos, die Gespräche gehen in Paris weiter. Mitte März unterzeichnen die Kosovo-Albaner das Friedensabkommen, das die Kontaktgruppe vorbereitet hat. Belgrad wiedersetzt sich dem westlichen Plan, dem Kosovo die Autonomie wiederzugeben und die Provinz unter Schutz einer internationalen Friedenstruppe zu stellen.

    Slobodan Milosevic – anders als in Dayton 1995, als er in letzter Sekunde einlenkte – bleibt diesmal stur. Er untersagt seinen Emissären, das Abkommen zu unterzeichnen. Am 20. März zieht die OSZE ihre letzten Beobachter aus dem Kosovo ab. Die NATO signalisiert, dass Luftangriffe auf Jugoslawien kurz bevor stehen. Vier Tage später heben in Großbritannien und Italien die ersten Bomber ab.

    In Berlin war die Nervosität in den letzten Monaten vor dem Beginn des Kosovo-Kriegs groß. Ende September 1998 fanden Wahlen statt – ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem die deutsche Beteiligung an einem Luftkrieg gegen Jugoslawien beschlossen werden musste. Der Bundestag kam Mitte Oktober noch in der alten Zusammensetzung wie vor der Wahl zusammen, um die Entscheidung zu fällen. Nicht nur CDU, CSU und FDP – die "alten" Regierungsparteien – stimmten dafür, sondern auch die Mehrheit der Abgeordneten von SPD und Grünen, die nach der Wahl die Regierungsverantwortung übernahmen. Nur die PDS war geschlossen gegen den Bundeswehreinsatz.
    Für die rot-grüne Regierung war es eine heikle Situation. Ihre Parteimitglieder hatten sich wenige Jahre zuvor noch strikt gegen einen solchen Krieg ausgesprochen. Noch einmal der Bonner Politologe Rafael Biermann:

    Die rot-grüne Regierung stand von Anfang an vor einer Zerreißprobe. Weil es das erste Mal darum ging, dass die NATO einen offensiven Angriffskrieg unternehmen würde, eine Militäroperation auf fremdem Territorium - eindeutig kein Selbstverteidigungsauftrag -, ein Out-of-Area-Auftrag, wie er noch Mitte der 90er Jahre von SPD- und Grünen-Parteibeschlüssen eindeutig abgelehnt worden war.

    Zusätzlich stand Rot-Grün unter dem Druck der Öffentlichkeit, weil die Flüchtlingsströme immer größer wurden - und international?

    Das entscheidende Motiv, warum Schröder und Fischer diesen Schritt gingen, war Bündnissolidarität, Verlässlichkeit. Sie konnten nicht aus diesem Boot aussteigen zu diesem Zeitpunkt. Denn sie wurden ohnehin mit Misstrauen beargwöhnt, von Seiten Washingtons und Londons, weil diese Länder, diese Regierungen natürlich wussten um die Vergangenheit der beiden Parteien. Und das war gewissermaßen der Lackmustest für beide, wie weit sie international kooperationsfähig in Krisenszenarien sind.

    Nun also schickte die rot-grüne Bundesregierung zum ersten Mal in der Geschichte der Bundeswehr Tornados aus, um Bomben über Jugoslawien abzuwerfen. Dazu noch ohne UNO-Mandat – weil Russland und China dem nicht zustimmten .Der grüne Außenminister Fischer musste sich rechtfertigen:

    Wir sind hier in der Frage von Krieg und Frieden. Das ist Ernst, bitterer Ernst. Wenn ich davon nicht überzeugt wäre, wäre mir die Frage 'Rot-grün oder was wird aus der Koalition?' oder ähnliches im Augenblick, wo ich anderer Meinung wäre, völlig egal - völlig.

    Von Beginn der Operation "Allied Force" an finden sich täglich um 15 Uhr mehrere hundert Journalisten im Brüsseler Nato-Hauptquartier zu den Briefings ein, den täglichen Presseunterrichtungen des transatlantischen Bündnisses. CNN, SkyNews, die BBC, auch die deutschen Sender Phoenix und n-tv übertragen die täglichen Auftritte des NATO-Sprechers Jamie Shea und hoher Offiziere des Bündnisses live. Sie sprechen vom Einsatz beispiellos überlegener, "kluger" High-Tech-Waffen. Man führe saubere, chirurgisch-präzise Angriffe. Ausschließlich auf militärische Ziele. Damit wolle man die Vertreibung Tausender albanischer Flüchtlinge stoppen und das Regime in Belgrad zum Einlenken – oder noch besser: Milosevic zum Abdanken zwingen.

    Soweit die Stabsplanung. Die Wirklichkeit aber sah zunächst noch anders aus. Durch die Bombardements verstärkte sich die kosovo-albanische Flüchtlingswelle. Von Tag zu Tag wurde klarer: Auch der modernste Krieg bedeutet, dass Unschuldige sterben.
    14. April: Ein NATO-Flugzeug beschießt irrtümlich einen kosovarischen Flüchtlingskonvoi. 75 Albaner sterben.

    Die NATO bedauert zutiefst den Tod von Zivilisten bei dem gestrigen Angriff auf einen Konvoi.
    8. Mai: Ein amerikanischer Tarnkappenbomber vom Typ B-2 feuert eine Präzisionsbombe auf die chinesische Botschaft in Belgrad. Man habe die Information gehabt, es handele sich um ein Gebäude des jugoslawischen Geheimdienstes. So die spätere Rechtfertigung des CIA, der dieses Ziel ausgewählt hatte.

    Ein neuer Begriff ging um die Welt: "Kollateralschaden"
    Mit ihm bezeichneten die NATO-Generäle eine nicht gewollte Zerstörung ziviler Gebäude und die versehentliche Tötung von Menschen.
    Die Organisation Human Rights Watch zählte schließlich über 500 getötete albanische und serbische Zivilisten, die ihr Leben durch die Luftangriffe verloren hatten.

    In Jugoslawien behielt Milosevic die Oberhand im Krieg der Medienpropaganda. Selbst seine erbittertsten Gegner fühlten sich von den Ländern verraten, die bisher für sie das leuchtende Vorbild in Sachen Demokratie waren.

    Ich wusste die ganze Zeit, dass alles von Milosevic abhängt, dass die Angriffe in jedem Moment aufhören konnten, wenn er nur den Telefonhörer abgehoben hätte. Aber ich muss zugeben, dass, obwohl der Kriegszustand verhängt war, er ihn nicht ausnutzte, um uns, die wir gegen ihn waren, mit Repressalien zu überziehen. Und ich konnte jene verstehen, die während des Krieges ihre Aktivitäten gegen Milosevic einstellten.

    Milosevic spielt auf Zeit: Er hofft, dass die Regierungen der NATO-Länder, je länger der Krieg dauert, irgendwann wegen des wachsenden Protests aus der Bevölkerung aufgeben müssen. Den Militärs gehen die Ziele aus, zahlreiche Gebäude werden mehrfach unter Beschuss genommen. Einige Staaten in der NATO drohen, mit Bodentruppen einzumarschieren - für die deutsche Regierung ein heikler Punkt. Rafael Biermann:

    Das zentrale Ziel aus Sicht der Bundesregierung war, eine Bodenoperation zu verhindern. Das musste es sein, weil eine Bodenoperation zum Zersprengen der rot-grünen Koalition geführt hätte.

    Ende Mai mehren sich die Zeichen aus Belgrad, dass Milosevic zum Einlenken bereit ist. Am 31. Mai erhält Außenminister Joschka Fischer – in seiner Funktion als Vorsitzender des Rats der EU – einen Faxbrief seines jugoslawischen Amtskollegen. Vordergründig finden sich darin Vorwürfe gegen die Unmenschlichkeit der NATO. Bei näherem Hinsehen jedoch stimmt die Führung in Belgrad darin den Friedensbedingungen der internationalen Gemeinschaft zu: Milosevic akzeptiert eine Präsenz der Vereinten Nationen im Kosovo, wenn die NATO dafür die Bombenangriffe einstellt.
    Am 10. Juni 1999 ist es soweit: Die jugoslawischen Streitkräfte beginnen, sich aus dem Kosovo zurückzuziehen. NATO-Generalsekretär Javier Solana verkündet das Ende der Operation "Allied Force":

    Vor wenigen Minuten habe ich General Wesley Clark angewiesen, die Luftangriffe auf Jugoslawien einzustellen.

    Der Krieg dauerte 78 Tage. Die NATO schickte 720 Flugzeuge in fast 38.000 Einsätze. Dabei gingen rund 200.000 Bomben auf Jugoslawien nieder.
    Laut NATO wurden 60 Prozent der serbischen Artillerie und 40 Prozent der Panzer beschädigt oder zerstört.

    Was die Angaben zur Trefferquote anging, wurden bald Zweifel laut: Als die serbischen Streitkräfte aus dem Kosovo abzogen, verließen 250 Panzer, 400 gepanzerte Fahrzeuge, über 3.000 Artilleriegeschütze und mehr als 45.000 Soldaten die Kampfzone. Milosevics Armee war also weitgehend intakt geblieben.

    18. Juni 1999. Die Gäste des Brauhauses Malzmühle in der Kölner Altstadt reiben sich die Augen: Da steht US-Präsident Bill Clinton, bestellt ein Kölsch, Rheinischen Sauerbraten mit Klößen und Apfelmus und lässt es sich schmecken. Guten Appetit bringt er mit vom G-8-Gipfel, wo soeben das Ende des Kosovo-Kriegs besiegelt wurde. Washington und Moskau haben sich darauf geeinigt, die Kosovo-Schutztruppe KFOR zusammen zu stellen.

    Japan wird sich an den Kosten für den Wiederaufbau beteiligen. Und auf deutsche Initiative hin will die Europäische Union ein Förderprogramm für die gesamte Region starten, den so genannten "Stabilitätspakt für Südosteuropa".

    Slobodan Milosevic blieb aber vorerst im Amt. Erst im Herbst 2001 fegte ihn die Macht des Volkes von der politischen Bühne. Ob die Luftangriffe – wie es die NATO nach wie vor gerne darstellt – zu seinem Sturz beigetragen haben, ist zweifelhaft. Biljana Kovacevic-Vuco:

    Ja, das hat geholfen, Milosevic zu beseitigen. Aber gleichzeitig hat es verhindert, dass sich das Wertesystem ändert. Denn das Schlimmste an seiner Politik – die Politik der Isolation, der Selbstbehauptung – das ist noch immer die Politik Serbiens, diese Politik ist nicht besiegt. Und dass die wirkliche Vergangenheitsbewältigung immer noch nicht begonnen hat, hat eben etwas mit der Tatsache zu tun, dass wir bombardiert worden sind. Dadurch wurde alles im Bewusstsein der Menschen auf den Kopf gestellt.

    Aber auch außerhalb Jugoslawiens verstummte die Kritik nicht, vor allem am Vorgehen der USA. Verbarg sich hinter der moralischen Absicht, die humanitäre Katastrophe stoppen zu wollen, von Anfang an eher politisches Kalkül? Schließlich führte die NATO auf Druck der EU und der USA - erstmals ohne Mandat der UNO - einen Militäreinsatz außerhalb des Bündnisgebiets durch. Die Weltorganisation wurde in diesem Fall entmachtet - ebenso wie Russland und China, zwei Sicherheitsratsmitglieder mit Veto-Recht.
    War das vielleicht der Grundstein jenes amerikanischen Vorgehens, das einige Jahre später, im Irak-Krieg, so sehr für Diskussionen sorgte?
    Kosovo 2004 – 5 Jahre nach dem Ende der NATO-Intervention. Die einstige südserbische Provinz steht weiter unter UN-Verwaltung, federführend sind dabei die Europäer. Der künftige Status des Kosovo ist nach wie vor ungeklärt. Die UN-Verwaltung fordert von der provisorischen Regierung, demokratische Standards zu erfüllen, bevor sie über die Status-Frage diskutiert. Die Aufbauhilfe geht in die Milliarden. Ein Ende des Protektorats ist nicht in Sicht.

    Die UCK ist zwar offiziell entwaffnet. Doch dass kosovarische Kämpfer tatkräftig geholfen haben, die albanische Minderheit in Mazedonien zur Aufruhr anzustacheln und damit auch Mazedonien an den Rand eines Bürgerkriegs zu bringen, ist bewiesen. Auch im Kosovo selbst kommt es immer wieder zu Anschlägen auf Nicht-Albaner, zumeist auf Kosovo-Serben.

    Es geht um den Versuch, etwas, was Jahrhunderte gedauert hat, zu ändern. Aber die Lösung kann nicht sein, dass eine Minderheit die andere an der Macht ablöst. Das Problem kann erst gelöst werden, wenn der Dialog zwischen Albanern und Serben im Kosovo beginnt.

    Eine ideologische Diskussion, die die neue serbische Regierung wieder angeheizt hat - allen voran Ministerpräsident Kostunica. Für Rafael Biermann steht fest:

    Mit dieser gegenwärtigen Regierung eine Lösung der Status-Frage herbeizuführen, ist fast unmöglich. Denn es kann keine Rückkehr zum Status quo ante geben, das ist völlig ausgeschlossen. Es kann nur eine Lösung geben, die auf ein irgendwie geartetes Maß an Unabhängigkeit hinausläuft.

    Für die deutsche Außenpolitik war die Beteiligung der Bundeswehr an der NATO-Intervention im Kosovo ein Paradigmenwechsel. 2001 folgte die "uneingeschränkte Solidarität" mit den USA, die Entsendung von Spezialeinheiten nach Afghanistan und die Teilnahme der Bundeswehr am Anti-Terror-Einsatz "Enduring Freedom".

    Mit der "uneingeschränkten Solidarität" allerdings war es schon 2003 vorbei, als Washington Verbündete für den Irak-Krieg suchte. Die rot-grüne Regierung in Berlin vertrat den Standpunkt, dass in diesem Fall ein Krieg keine Probleme löst, sondern neue schafft.