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Panorama Lesbenpaar klagt

Top-Samenspender ist in Wahrheit Verbrecher

In diesem Reagenzglas ist eine Samenprobe In diesem Reagenzglas ist eine Samenprobe
In diesem Reagenzglas ist eine Samenprobe
Quelle: Friso Gentsch / dpa / picture alliance
Ein lesbisches Paar glaubte, den idealen Samenspender zu haben: kerngesund und mit einem IQ von 160. Nun kommt heraus: Der Vater ihres Kindes hat Schizophrenie, keinen Abschluss und saß im Gefängnis.

Als Angela Collins und ihre Lebenspartnerin Margaret Elizabeth Hanson vor neun Jahren entschieden, ein Baby zu bekommen, wurden die beiden bei ihrer monatelangen Suche nach einem geeigneten Vater erst im amerikanischen Georgia fündig. Dort, in Augusta, führte die renommierte Samenbank Xytex Corporation einen für das Paar scheinbar perfekten Spender. „Donor 9623“, zu Deutsch: „Spender 9623“, hieß der anonym gehaltene Mann und er hatte Eigenschaften, die sich die Kanadierinnen auch von ihrem künftigen Kind erhofften.

„Eloquent, für sein Alter ungewöhnlich weit entwickelt, gesund, und ganz besonders schlau“, pries Xytex in der Akte den Mann an. Er habe einen „IQ von 160“, ein abgeschlossenes Studium der Neurowissenschaften, arbeite an seinem Doktortitel und sei ein Experte für künstliche Intelligenz. Doch nicht nur die Einstein-verdächtigen Eigenschaften machten „Donor 9623“ für das lesbische Paar zu einem hervorragenden Kandidaten. Auch dessen Gesundheitsgeschichte schien perfekt und fast schon zu gut, um wahr zu sein. Die Klinik fasste sie in einem kurzen „einfach beeindruckend“ zusammen.

Nun kommt die wahre Geschichte des Spenders heraus

Collins und Hanson aus Port Hope, einem 16.000 Einwohner zählenden Ort 70 Autominuten nordöstlich von Toronto, waren begeistert. Sie hatten ihren Wunschkandidaten für eine künstliche Befruchtung gefunden. Neun Monate später, am 19. Juli 2007, brachte Collins einen gesunden Jungen zur Welt.

Doch die Freude des Paares über ihren Sohn hielt nicht an. Heute sind Collins und Hansen wütend auf Xytex und haben die Samenbank wegen Betruges verklagt. Denn wie sie mittlerweile wissen, war der perfekte Samenspender gar nicht so perfekt wie ihnen das vom Unternehmen vorgegaukelt wurde. Eher das Gegenteil ist der Fall. Herausgekommen ist das alles durch einen Zufall. Xytex hatte im vergangenen Juni in einer E-Mail an das Paar aus Versehen auch den Klarnamen des Spenders mitgeschickt. Das Paar wurde neugierig. Aber das, was Collins und Hansen über den biologischen Vater ihres Sohnes bei ihrer Recherche herausfanden, schockierte sie.

James Christian A. wie „Donor 9623“ eigentlich heißt, ist alles andere als ein verkanntes Genius. Laut Collins und Hansen hat er das College abgebrochen und vermutlich den Begriff Neurowissenschaften noch nie in seinem Leben gehört. Im Jahr 2005 wurde der Samenspender wegen eines Überfalls festgenommen und saß acht Monate im Gefängnis. Als Ersttäter wurde das Urteil später in eine zehnjährige Bewährungsstrafe umgewandelt.

Die besorgniserregende Krankenakte des Mannes

Was Collins und Hanson allerdings die größten Sorgen bereitete, waren die offenbar falschen Angaben über die „beeindruckende Gesundheit“ des Samenspenders. Der biologische Vater ihres Kindes leidet an Schizophrenie, eine psychische Erkrankung, die laut der Medizinseite Hopkinsmedicine.org ein Prozent der Amerikaner betrifft und vererbbar ist. Die Gefahr, dass auch ein Nachkomme später unter Schizophrenie leidet, liegt laut der Experten bei zehn Prozent, wenn nur ein Elternteil davon betroffen ist. Kommt die Krankheit gleich mehrfach in der Familiengeschichte vor, erhöht sich der Anteil noch einmal deutlich.

„Sie haben meinen Mandaten einen perfekten Spender verkauft. Den Besten unter den Besten“, sagt die Anwältin von Collins und Hanson, Nancy Hersh. „Und das nicht nur schriftlich über die Akte, sondern auch in einem persönlichen Gespräch.“

Das Paar verlangt jetzt Schadenersatz in unbekannter Höhe und die Einrichtung eines Fonds. Der soll mögliche Krankenkosten für ihren Sohn sowie laut Klageschrift mindestens 36 weiteren Kindern, die ebenfalls durch „Donor 9623“ gezeugt worden sind, decken. Bisher zeigt keine der Kinder irgendwelche Anzeichen von Schizophrenie oder einer anderen Krankheit. Hersh vertritt mittlerweile 20 weitere Mütter, die über A. als Spender ein Baby bekommen hatten.

Spender könnten erzählen, was sie wollen

Xytex weist die schweren Vorwürfe gegen die Samenbank zurück und schiebt die Schuld auf den Spender. „Donor 9623 hat ein medizinisches Gutachten eingereicht, uns ausführlich über seinen persönlichen Hintergrund berichtet und versichert, dass er weder unter physischen noch unter anderen medizinischen Beeinträchtigungen leidet“, heißt es in einem offenen Brief des Xytex-Präsidenten Kevin O’Brian. Der Spender habe auch Kopien seiner akademischen Laufbahn vorgelegt. O’Brian gibt aber zu, dass die Informationen, die dem Paar vorgelegt wurden, nicht richtig verifiziert wurden.

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Laut der Food and Drug Administration ist das aber auch nicht unbedingt nötig. Laut der US-Gesundheitsbehörde müssen Spender nur auf ansteckende Krankheiten wie Syphilis oder HIV getestet werden. Eine genetische Untersuchung ist nicht vorgeschrieben. Für Wendy Kramer von Donor Sibling Registry, einer Non-Profit-Organisation, die Spender und Empfänger auf Wunsch zusammenbringen, ist der aktuelle Fall deshalb auch nicht ungewöhnlich.

„Solche Geschichten kommen immer wieder vor“, sagt Kramer gegenüber dem „Atlanta Constitution Journal“. „Es gibt wenige bis keine Vorschriften in diesem Geschäft.“ Spender könnten über ihre Schulbildung, über ihre Krankheitsgeschichte und auch über ihren sozialen Hintergrund fast alles sagen, was sie wollen. „Niemand hat einen wirklichen Überblick.“ Collins und Hanson zumindest hätten laut Klageschrift einen anderen Spender gewählt, wenn sie die wahren Hintergründe von „Donor 9623“ wirklich gewusst hätten.

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