Stuttgart - Älteren einen Sitzplatz anbieten, Frauen die Tür aufhalten, pünktlich sein, Handy aus – die wichtigsten Regeln der Höflichkeit kennen alle. Und die Allermeisten schätzen sie auch, zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Trotzdem setzt sich der Eindruck fest, dass die Deutschen früher höflicher waren. Drei von vier Deutschen sind dieser Meinung.

Die Verantwortung dafür, dass Kinder und Jugendliche Höflichkeit erlernen, sieht eine Mehrheit der Befragten (59 Prozent) allein bei den Eltern und nur wenige (1 Prozent) allein bei den Lehrern. Für 38 Prozent sind beide dafür verantwortlich.

Der Wunsch nach gewissen Höflichkeitsformen ist demnach unabhängig vom Alter. So ist es 94 Prozent aller Befragten wichtig, dass man in der Bahn Älteren oder Schwangeren einen Sitz anbietet. Auch Pünktlichkeit ist sehr geschätzt: 95 Prozent legen darauf besonderen Wert. Den ständigen Blick auf das Handy während eines Gesprächs empfinden ebenfalls satte 91 Prozent als unhöflich, unabhängig vom Alter.

Unsicher sind viele Deutsche bei der Frage, ob man sein Gegenüber duzen oder siezen sollte. Etwa die Hälfte sieht sich oft damit konfrontiert, die Jungen erwartungsgemäß häufiger als die Älteren. Nur etwa jeder Vierte findet es „in Ordnung“, wenn er im Café vom Kellner einfach so geduzt wird.

Gibt es überhaupt noch Hoffnung für die Höflichkeit? Sehr wohl, sagt der Karlsruher Pädagogik-Professor Jürgen Rekus. Der 64-Jährige sieht sogar Chancen für eine Renaissance des guten Benehmens. Die Jugend stelle wieder die Sinnfrage, statt die Ellenbogen auszufahren. „Die Zeit, in der jeder Betriebswirtschaft studierte, um möglichst viel zu verdienen, ist vorbei.“