Erst neulich bei den Olympischen Winterspielen in Pyeongchang war es wieder so weit. Zur Siegerehrung wurden zuerst die Frauen gebeten, dann die Männer. Bei fast drei Vierteln aller gemeinsamen Medaillenverleihungen gebührte den Herren der prägende, letzte Auftritt. Die Paralympics verliefen ähnlich.

Das Gleiche passiert, wenn Frauen und Männer ihre Wettkämpfe am selben Ort austragen. Sei es im Badminton, Tennis oder Beachvolleyball. Die unumstößliche Ordnung: erst das Frauenfinale, dann das der Männer. Wäre der Sport ein Konzert, Frauen wären die Vorband aus der Vorstadt, die Kerle der gehypte Hauptakt.

Über Sportlerinnen wird weniger berichtet, sie verdienen weniger als ihre männlichen Kollegen und werden in vielen Sportarten oft belächelt. Frauen werden im Profisport durchweg marginalisiert, sogar in der Sprache. "Die Mädels" sind meistens "hübsch", "süß" oder "grazil", Männer dagegen "Riesen" oder gleich "Muskelberge". Es scheint, als ob der Sport einem ritualisierten Chauvinismus unterliegt, als wäre er ein global gefeierter Gentlemen's Club.

Nirgendwo ist der Gender Pay Gap gewaltiger

Es ist kein neues Phänomen. Wie alle Teile der Gesellschaft ist auch der Profisport einem Zeitgeist entsprungen. Seit aus dem Sport ein professioneller Betrieb wurde, in grauen, patriarchalischen Vorzeiten, formte und verformte die Jahrzehnte währende Männerdomäne die Strukturen und Wirkung vieler Disziplinen. Dieses historische Ungleichgewicht belastet die meisten Sportarten noch heute.

Vielleicht nicht so sehr im Breitensport, schließlich treiben laut Deutschem Olympischen Sportbund in etwa genauso viele Frauen Sport wie Männer. Auch die olympische Teilnehmerquote erreicht annähernd Parität. Doch die meisten Olympioniken sind so etwas wie Schaltjahresstars, ihre Erfolge werden schnell vergessen.

Dort, wo massenweise zugeguckt und hingejubelt wird, wo das große Geld liegt, wo Sportler mit ihrer Leistung ihr Leben bestreiten müssen, im oberen Zehntel der Sportlergesellschaft also, geht es zu wie in einem Londoner Herrenclub aus dem 19. Jahrhundert. Unter den 100 bestverdienenden Athleten 2017 befanden sich 99 Männer. Die Tennisspielerin Serena Williams ist die einzige Ausnahme. Nirgendwo ist der Gender Pay Gap gewaltiger. 

85 Prozent aller Sportberichte befassen sich mit Männern

Wieso bleibt Sport unberührt von einer gesellschaftlichen Debatte, die Chauvinismus-Refugien wie Hollywood erschüttern kann? Der Profisport scheint völlig abgekapselt. Er ist eine Parallelwelt voller Testosteron.

"Männer berichten für Männer über Männer", so fasst der Sport- und Medienwissenschaftler Jörg-Uwe Nieland die deutsche Sportlandschaft zusammen. 85 Prozent aller deutschen Berichte über Disziplinen und Athleten befassen sich mit den Herren. In den USA, dem Heimatland der Big Four (NHL, NBA, NFL, MLB) und vieler Sportmillionäre, wird gar noch stärker über die Frauenseite des Sports geschwiegen. "Dort liegt die Quote der Berichterstattung unter fünf Prozent", sagt Nieland. Das liegt auch am Ungleichgewicht im Sportjournalismus. Eine 2014 veröffentlichte Studie bescheinigt, dass 89 Prozent aller Autoren Männer sind – auch das Sportressort von ZEIT ONLINE ist da keine Ausnahme. "Frauen sind auch in Verbänden weniger vertreten. Weniger Frauen sind Trainer und Expertinnen", sagt Nieland.

Gleichheit in der Berichterstattung wird nur in äußerst seltenen Fällen gelebt, eigentlich nur alle zwei Jahre unter den fünf olympischen Ringen. Beim größten Sportevent der Welt entdecken Reporter jedes Mal aufs Neue die weibliche Seite vieler Disziplinen. Etwa 45 Prozent der Storys werden dann von Frauen geprägt. Der alltägliche Leistungssport der Frauen geht dagegen häufig unter. Auch bei weiblichen Zuschauern: "Die Sportarten und vor allem, wie sie gezeigt werden, sind für die Mehrzahl der Frauen derzeit offensichtlich nicht sonderlich attraktiv", sagt Nieland.