Weltmarkt im Ungleichgewicht: Europas Gaskäufe und Asiens Problem

Europa kauft plötzlich große Mengen Flüssiggas. Andere Länder finden nun keine Anbieter mehr. Insbesondere asiatische Staaten sind betroffen.

Ein Schiff mit Gasbehältern fährt an einem Hafenarbeiter mit Helm vorbei

Ankunft eines Tankers mit LNG im Hafen von Rotterdam Foto: Lex van Lieshout/EPA

BASEL taz | In Deutschland können die Gasspeicher schneller gefüllt werden als erwartet. Das ist erfreulich für Deutschland und Europa, aber für manche andere Länder ist das ein Problem. Um die Speicher zu füllen, kaufen europäische Länder derzeit jede Ladung an Flüssiggas (LNG), die der Markt hergibt. Die Folge sind astronomische Preise: Am Tag vor Kriegsausbruch kostete eine Megawattstunde (MWH) Gas 90 Euro. Heute liegt der Preis bei über 270 Euro – rund dreimal so hoch.

Das ist für Länder ein Problem, die ihren Gasbedarf nicht nur mit langfristigen Lieferverträgen gedeckt haben, sondern auch Gas kurzfristig auf dem „Spotmarkt“ kaufen. Dieser macht knapp zwei Fünftel des gesamten LNG-Markts aus und das Gas war dort meist günstiger zu haben als mit langfristigen Verträgen.

Doch wer in der Vergangenheit gespart hat, zahlt jetzt drauf. Das größte Problem haben dabei Länder in Asien, allen voran Pakistan. Das Land begann das Jahr mit einer Wirtschafts- und Finanzkrise, erlebte dann eine Hitzewelle und nun eine katastrophale Überschwemmung. Dazu kommen Stromausfälle, weil Gas fehlt. Das Land ist im Juli zum vierten Mal daran gescheitert, Gas auf dem Spotmarkt zu beschaffen. Es lag kein einziges Angebot vor.

Noch kritischer ist die Lage in Sri Lanka. Wegen mangelnder Devisenreserven kann das Land quasi keine Importe mehr bezahlen – egal ob Medikamente oder eben Gas. Aber auch Bangladesch leidet, obwohl es finanziell besser aufgestellt ist als Sri Lanka und Pakistan. Das Land hatte im Juli Stromausfälle und der größte Stahlproduzent des Landes, BSRM Steels, hat wegen der Energiekrise seine Produktion um ein Fünftel gekürzt.

In Südostasien ist insbesondere Thailand betroffen. Dort geht die einheimische Produktion seit Jahren zurück und zuletzt sind Importe aus Myanmar (Burma) wegen westlicher Sanktionen weggefallen. Da Thailand mehr als die Hälfte seines Strombedarfs mit Gaskraftwerken deckt, muss es nun Flüssiggas importieren. Das kann man seit Anfang September auch an der Stromrechnung ablesen: Strom ist jetzt 18 Prozent teurer als im Vormonat.

Für viele dieser Länder kommen noch zwei weitere Probleme dazu: Seit Beginn des Krieges hat sich der Kohlepreis knapp verdoppelt, von 240 auf 414 Dollar pro Tonne und der Dollar ist im Vergleich mit den meisten Währungen stark gestiegen. Das verteuert Importe vom Weltmarkt, wenn man diese in Thai Baht, Bangladeschs Taka oder in pakistanische Rupien umrechnet.

Zwei Faktoren könnten allerdings für etwas Entspannung sorgen: Freeport LNG, der zweitgrößte LNG-Exporteur in den USA, hofft, im November die Exporte wieder aufnehmen zu können. Wegen einer Explosion fiel dieser Anbieter ab Juni aus. Und in Europa dürften die Gasspeicher demnächst voll sein.

Tom Haddon von der niederländischen Beratungsfirma Arcadis twitterte: „Deutschland hat erklärt, dass sich die Lagerbestände schneller als erwartet füllen, was darauf hindeutet, dass diese staatlich beauftragten Käufer kurz davor stehen, aus dem Markt auszusteigen.“ Dann könnte am Spotmarkt für Gas der Preis sinken – zumindest kurzfristig. Denn sobald in Europa die nächste Heizsaison beginnt und sich die Speicher wieder leeren, kommen die Europäer wieder als Käufer zurück – koste es, was es wolle.

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