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Abhängig vom Sozialstaat: Top-Ökonom zeigt, wie ungerecht das Vermögen in Deutschland verteilt ist
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Sven Hoppe/dpa Vermögen gibt in Krisenzeiten Sicherheit. Viele Deutsche haben kaum eins. (Symbolbild)
  • FOCUS-online-Redakteur

Die aktuellen Krisen verschlingen das Geld der Leute. Der Krieg in der Ukraine lässt die Energiepreise steigen, die Inflation macht das alltägliche Leben teuer. Wer Vermögen besitzt, ist in solchen Zeiten gut aufgestellt. 40 Prozent der Deutschen haben jedoch so gut wie nichts – und das stürzt sie in Abhängigkeit und Unfreiheit.

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Vermögen bedeutet Sicherheit. Gedanken an Altersvorsorge bereiten dann keine Sorgen, die Zukunft der Kinder ist gesichert, Notsituationen treffen einen nicht so hart. Ein Luxus, den viele Deutsche nicht haben. Denn in Deutschland existiert eine der größten Ungleichheiten von privaten Vermögen unter den Industrieländern.

Warum das so ist, erklärt Marcel Fratzscher auf Twitter. Für den Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin ist das Kernproblem in Deutschland, dass knapp 40 Prozent fast kein Vermögen haben. Das sei ungewöhnlich viel. Insbesondere in Krisenzeiten räche sich das. Und das macht jene 40 Prozent „stark abhängig vom Sozialstaat und begrenzt ihre eigene Autonomie und Freiheit“.

Spannend, aber gerade keine Zeit?

Rente in Deutschland: Größte Vorsorgelücke im Ländervergleich

Ein Blick auf die private Rentenlücke in ausgewählten OECD-Ländern verdeutlicht zudem, dass Deutschland mit die größte Vorsorgelücke fürs Alter ausweist, „da viele zu wenige eigene Ersparnisse/Vermögen während ihres Arbeitslebens aufbauen (können)“, so Fratzscher. Am wenigsten stark ausgeprägt ist diese Lücke in Ländern wie Estland, Slowenien oder Luxemburg. Die größten Rentenlücken sind etwa in Italien oder Frankreich anzutreffen, allen voran Deutschland.

 

Zum Status quo gehört auch, dass der mittlere Haushalt in Deutschland deutlich weniger Vermögen besitzt als es in anderen Ländern der Fall ist. Das bedeute nicht, dass es weniger privates Vermögen in Deutschland gibt. Vielmehr, dass es hierzulande ungleicher verteilt sei, erklärt der Ökonom.

Und Fratzscher fügt hinzu: „Die Ungleichheit der privaten Vermögen ist deutlich höher als die offiziellen Statistiken zeigen, da Hochvermögende meist nicht erfasst werden.“ Mithilfe von Daten aus dem sozio-ökonomischen Panel (SOEP) des DIW, eine der größten und am längsten laufenden multidisziplinären Panelstudien weltweit, haben Fratzscher und KollegenInnen versucht, diese Datenlücke zu korrigieren.

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Vermögenskonzentration in Deutschland höher als angenommen

Aus der Arbeit des DIW geht hervor, dass die Vermögenskonzentration im Bereich hoher Vermögen größer ist als zuvor angenommen. Die Analyse zeigt:

  • die Top 0,1 Prozent der Vermögenden in Deutschland besitzen nicht 7 Prozent des Nettogesamtvermögens, sondern 22 Prozent,
  • die Top 1 Prozent der Vermögenden kommen auf 35 Prozent (vorher 22 Prozent)
  • und die Top 10 Prozent kommt auf 67 Prozent (vorher 59 Prozent).
 

So verfügen Wohlhabende über ein durchschnittliches Nettovermögen von fast 300.000 Euro und die etwa eine Million MillionärInnen in Deutschland besitzen durchschnittlich ein Vermögen von 3 Millionen Euro. Ein durchschnittlicher Erwachsener in den unteren 50 Prozent der Vermögensverteilung kommt hingegen nur auf ein Nettovermögen von 3682 Euro.

 

Wie sieht dieses Vermögen aus?

Die DIW-Analyse schlüsselt zudem auf, wie die Vermögen von den jeweiligen Gruppen gehalten werden. Fratzscher fasst zusammen: „Hochvermögende halten 40 Prozent ihres Vermögens durch Betriebsvermögen und 40 Prozent durch Immobilien. Die unteren 50 Prozent halten fast alles ihres Ersparten in Form von Geldanlagen und ... Autos.“

Aus der Studie geht außerdem hervor, wer in Deutschland zu den Hochvermögenden gehört. Sechs Eigenschaften zeichnen sie aus:

  • männlich
  • mittleres Alter
  • ohne Migrationshintergrund
  • aus Westdeutschland
  • gut ausgebildet
  • selbstständig

„Drei dieser Eigenschaften sind vereinbar mit dem Leistungsprinzip, drei sind es nicht“, schreibt Fratzscher und hebt die regional sehr ungleiche Verteilung von Vermögen hervor. Dies zeigt sich insbesondere mit Blick auf die Beteiligungen von Vermögenden an Firmen. Kurzum: Der Anteil der Top-Shareholder an der erwachsenen Bevölkerung ist in Westdeutschland höher als im Osten des Landes.

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Die Grafik aus der Studie verdeutlich die Schieflage und zeigt, wo Menschen mit hohen Firmenbeteiligungen wohnen :

Karte - Menschen mit hohen Firmenbeteiligungen
Review of Income and Wealth, doi.org/10.1111/roiw.12452 Menschen mit hohen Firmenbeteiligungen

Anteil am Volkseinkommen für ärmere Hälfte fast halbiert

Weiter merkt Fratzscher an, dass sich der Anteil am Volkseinkommen für die ärmere Hälfte fast halbiert habe – von 33 Prozent in den 1960er-Jahren auf heute 17 Prozent. „Dies ist ein wichtiger Grund für die Zunahme der Ungleichheit von Vermögen“, so der DIW-Präsident.

 

Er empfiehlt sieben Dinge in den Diskurs zu Vermögen in Deutschland mit einzubeziehen:

  1. „Hohe Vermögen sind per se weder ungerecht noch ökonomisch schädlich. Die Frage ist, welchen Beitrag Vermögen leisten : Viel ist in Form von Betriebsvermögen, häufig Familienunternehmen, die gute Jobs und Perspektiven schaffen.“
  2. „Es ist zumindest aus ökonomischer Sicht problematisch, dass über die Hälfte der privaten Vermögen nicht durch die eigenen Hände Arbeit erwirtschaftet , sondern durch Erbschaft und Schenkung erzielt werden.“
  3. „Aus ökonomischer Sicht ist ein Steuersystem, das Arbeit weniger und Vermögen stärker belastet, sinnvoll. Das gegenwärtige Steuersystem in Deutschland schafft Verzerrungen und Fehlanreize.“
  4. „Das Kernproblem ist, dass in Deutschland mit ca. einem Drittel ungewöhnlich viele Menschen praktisch kein Erspartes haben. Das macht sie stark abhängig vom Sozialstaat und begrenzt ihre eigene Autonomie und Freiheit.“
  5. „Deutschland hat einen starken Sozialstaat, der eine private Absicherung etwas weniger dringlich macht als anderswo. Aber Vorsicht: Ansprüche auf Sozialleistungen (z. B. gesetzliche Rente) sind keine Vermögen , sondern Versicherungsleistungen. Diese helfen z. B. in dieser Krise wenig.“
  6. „Die meisten Bürger*innen sparen nicht oder wenig , nicht weil sie dies freiwillig tun/nicht wollen und sich auf den Sozialstaat verlassen, sondern weil sie nicht können/geringe Einkommen haben .“
  7. „Es sollte hohe politische Priorität haben, gezielt die Vermögensbildung derer mit geringen und mittleren Einkommen zu unterstützen . Bessere Löhne und Arbeitseinkommen, stärkere Unterstützung für private Vorsorge und ein besseres Steuersystem sind drei zentrale Elemente.“

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