Die Angst vor der Globalisierung spielt beim Erfolg von rechtspopulistischen Parteien in Europa laut einer Studie die entscheidende Rolle. Die große Mehrheit der Menschen mit Sympathien für rechtsnationale und populistische Parteien empfindet die internationale Verflechtung als Bedrohung, so das Ergebnis einer Studie der Bertelsmann-Stiftung. Im europäischen Vergleich würden vor allem die Anhänger von AfD (78 Prozent), der französischen Front National (76) und der FPÖ in Österreich (69) die Globalisierung als Gefahr betrachten.

Der eigene Wertekompass hat dabei den Ergebnissen zufolge keinen entscheidenden Einfluss: Ob sich die Befragten eher liberal, konservativ oder autoritär einschätzen, spiele für die Anziehungskraft der populistischen Parteien nur eine untergeordnete Rolle, heißt es in der Studie Globalisierungsangst oder Wertekonflikt? (PDF-Download). Auch wenn sich traditionelle Werte und Globalisierungsängste nicht gegenseitig ausschlössen und möglicherweise sogar eine Verbindung zwischen beiden bestehe, seien sie keine vorrangige Erklärung für die Unterstützung von Rechtspopulisten.

"Wir dürfen das Werben um besorgte Bürger nicht den Populisten überlassen. Die etablierten Parteien müssen die Angst vor der Globalisierung in ihre Arbeit einbeziehen", sagte Aart De Geus, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann-Stiftung zum Studienergebnis. Isabell Hoffmann, Autorin der Studie, sieht den Faktor Angst sogar positiv: "Das ist ein Hoffnungsschimmer für die Politik, denn Angst lässt sich leichter auflösen als fest zementierte Werte." 

Migration als wichtigste Herausforderung der Globalisierung

Die Studie versucht zu ergründen, was genau die Menschen an der Globalisierung fürchten. Demnach ist Migration die einzige globale Herausforderung, die Befragte, die Globalisierung entweder als Chance oder als Bedrohung sehen, deutlich anders bewerten. Migration benennen 53 Prozent derjenigen, die Globalisierung als Bedrohung sehen, als große Herausforderung, aber nur 42 Prozent der Globalisierungsbefürworter. Themen wie Krieg, Umwelt, Armut, Wirtschaftskrise oder Terrorismus werden dagegen ähnlich wichtig eingeschätzt.

Die Autorin der Studie schlussfolgert, dass Menschen, die die Globalisierung fürchten, somit von Bedenken bezüglich der Migration geleitet sind. 54 Prozent derjenigen, die Globalisierung als Bedrohung wahrnehmen, fühlen sich sehr entfremdet im eigenen Land. Gleichzeitig hat die Mehrheit (55 Prozent) dieser Gruppe keinen Kontakt mit Ausländern. Unter den Befragten, die Globalisierung als Chance sehen, liegen diese Werte deutlich niedriger.

Bei den Befragten, die die Globalisierung als Bedrohung wahrnehmen, stellt die Studie auch andere politische Einstellungen fest. 47 Prozent sind für einen Austritt ihres Landes aus der EU, während 83 Prozent derjenigen, die Globalisierung als Chance sehen, für einen Verbleib in der EU sind. Nur neun Prozent der Befragten mit Globalisierungsängsten haben Vertrauen in Politiker, bei den Globalisierungsbefürwortern sind es 20 Prozent. Zufrieden mit der Demokratie sind 38 Prozent derjenigen, die Globalisierung als Bedrohung sehen, bei den Globalisierungsbefürwortern ist eine Mehrheit von 53 Prozent mit der Demokratie zufrieden.

Globalisierungsängste auch in Linksparteien

Insgesamt spaltet das Thema Globalisierung die Europäer aber. Eine Mehrheit von 55 Prozent sieht sie als Chance, fast jeder zweite (45 Prozent) als Gefahr. "Je niedriger das Bildungsniveau und je höher das Alter der Befragten, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Menschen Globalisierung als Gefahr empfinden", sagte Isabell Hoffmann, Autorin der Studie. 

63 Prozent der Befragten in allen EU-Ländern, die sich selbst der Mittelschicht zuordnen, sehen die Globalisierung als Chance, in der Arbeiterschicht trifft dies nur auf 53 Prozent zu. Auch sehen Höherqualifizierte die Globalisierung häufiger positiv (62 Prozent) als Geringqualifizierte (53 Prozent). Am aufgeschlossensten gegenüber der Globalisierung sind junge Europäer zwischen 18 und 25 Jahren – in dieser Altersgruppe betrachten 61 Prozent die Globalisierung als Chance.

Der Blick auf die einzelnen EU-Länder zeigt allerdings auch große Unterschiede und Überraschungen. Nach dem Brexit-Votum leben in Großbritannien mit 64 Prozent EU-weit die meisten Globalisierungsoptimisten. Deutschland liegt mit einer Mehrheit von 55 zu 45 Prozent im Trend. Die meisten Pessimisten leben mit 55 und 54 Prozent in Österreich und Frankreich. Italien und Spanien, deren Bürger massiv unter der Finanzkrise nach 2007 gelitten haben, sind mit jeweils 61 Prozent auch mehrheitlich Befürworter der Globalisierung. 

Bei linken Parteien spielen der Untersuchung zufolge Globalisierungsängste zwar auch eine Rolle, sie seien aber nicht so bestimmend wie im rechtsnationalen Spektrum und überschreiten seltener die 50-Prozent-Marke. EU-weit am ausgeprägtesten sind Globalisierungsängste in der linken Parteiengruppe bei der französischen Front de gauche mit 58 Prozent und der deutschen Linkspartei mit 54 Prozent.

Bei CDU/CSU, SPD und den Grünen spielen Globalisierungsängste keine herausragende Rolle: Nur jeweils gut ein Drittel der Anhänger dieser Parteien hat laut der Umfrage Angst vor der Globalisierung.

Für die Umfrage wurden im August EU-weit 14.936 Menschen befragt. Die Erhebung ist repräsentativ für die Europäische Union und deren neun größte Mitgliedstaaten. Gefragt wurde insbesondere, ob die Menschen Globalisierung als eine Bedrohung oder eine Chance sehen, wie sich die wirtschaftliche Situation der Befragten in den letzten beiden Jahren verändert hat und welche persönliche wirtschaftliche Perspektive sie in der absehbaren Zukunft sehen.