Die Nacht des Versagens: Warum sitzen so wenige Täter in Haft?

+++ Schon wieder verletzte Polizisten +++ Wasserwerfer im Einsatz ++ GSG 9 war in Bereitschaft

Krawalle G20-Gipfel

Ein Anhänger des sogenannten „Schwarzen Blocks“ mit eindeutiger Geste: So wird die Schande von Hamburg in Erinnerung bleiben

Foto: Getty Images

Anarchisten, linker Hass, brennende Autos, geplünderte Läden und über 200 verletzte Polizisten: So liest sich der G20-Gipfel 2017 in Hamburg!

Die dritte Nacht in Folge sind Fensterscheiben zu Bruch gegangen, es flogen Flaschen und Böller. Die Polizei setzte wieder Wasserwerfer ein. Dabei sah es am Abend zunächst nach einem friedlichen Protest aus. Dennoch wurden schon wieder Einsatzkräfte der Polizei angegriffen, unter ihnen gab es erneut Verletzte. Es gab auch weitere Festnahmen, die Bilanz liegt jetzt bei 144 festgenommenen Personen und weiteren 144 Personen, die in Gewahrsam genommen worden sind. 

Schwer bewaffnete Spezialeinsatzkräfte der Polizei zogen am Rande des Schanzenviertels auf, griffen aber nicht ins Geschehen ein 

Schwer bewaffnete Spezialeinsatzkräfte der Polizei zogen am Rande des Schanzenviertels auf, griffen aber nicht ins Geschehen ein 

Foto: BECHER/EPA/REX/Shutterstock

Sitzblockaden im Hamburger Schanzenviertel wurden mit Wasserwerfern und Pfefferspray geräumt. Außerdem wurden Polizeiangaben zufolge Barrikaden gebaut und angezündet. Schwer bewaffnete Spezialeinsatzkräfte der Polizei zogen am Rande des Schanzenviertels auf, griffen aber nicht ins Geschehen ein. Die Polizei sprach von etwa 600 Menschen, die sich auf dem Neuen Pferdemarkt und in der Straße Schulterblatt aufhielten. 

Der Flughafen-Terminal 2 wurde am frühen Sonntagmorgen (5:20 Uhr) kurzzeitig wegen eines verdächtigen Gegenstands abgesperrt. Später gab es Entwarnung.

Dabei hatte im Vorfeld der Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) noch versichert, es werde ruhig bleiben und „am Ende wird die Stadt stolz sein.“

Das Gegenteil ist eingetreten: Kritik kommt von allen Seiten, es ist schon die Rede von der Schande Hamburgs!

Dritte Krawall-Nacht in HamburgAugenzeuge: „So etwas habe ich noch nie erlebt!“

Quelle: BILD

Was ist geschehen? Und warum wurden nur wenige Randalierer von der Polizei festgenommen?

Hamburgs Ex-Innensenator Udo Nagel (66): „Fakt ist, Sie brauchen entweder einen Videobeweis oder eine Person, die etwa Plünderungen beobachtet hat, um rechtliche Handhabe zu haben. Hier ist jetzt die Hamburger Bevölkerung gefragt als Zeugen.“

Hätte Bundesinnenminister de Maizière auf das Einsatzkonzept der Hamburger Polizei Einfluss nehmen müssen?

Nein, findet Lorenz Caffier (62, CDU), Innenminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern: „Polizei ist Ländersache. Bundespolizei und Bundeskriminalamt sind dem Innenministerium direkt zugeordnet.“ Großeinsätze wie der G-20-Gipfel würden vom Land geführt. Caffier: „Die Hamburger Polizei war für das Einsatzkonzept zuständig und verantwortlich.“

War die Hamburger Polizei schlecht vorbereitet?

„Die Hamburger Polizei hat sich monatelang vorbereitet und alles durchgespielt“, so Hamburgs früherer Innensenator Nagel. „Aber dieser Taktik der kleinen dezentralen Randalierergruppen zu hundert Prozent Herr zu werden, ist schier unmöglich.“

Was ist der Schwarze Block?

Ein Zusammenschluss linksradikaler Gruppen, die randalieren. Sie lehnen die staatliche Ordnung ab und alles, was für Kapitalismus steht – Autos wie Banken. Der Verfassungsschutz zählt in Deutschland 8500 gewaltbereite Linksextreme.

Warum dulden friedliche Demonstranten die Exzesse? Sympathisieren sie heimlich mit dem Schwarzen Block?

Nein. Das ist Schaulust. Psychotherapeut Dr. Christian Lüdke: „Im Prinzip ist jeder Mensch ein Gaffer. Das liegt in unseren Genen.“

Und: „Wir bleiben stehen und gucken, anstatt zu helfen. Das ist der ‚Bystander-Effekt‘. Je mehr Menschen da sind, wenn etwas passiert, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Einzelner etwas unternimmt.“

Was wollen die Krawallmacher eigentlich?

Attac geht es um Widerstand gegen Profitmaximierung und ein System, das globale Konzerne, Finanzmärkte und große Vermögensbesitzer begünstigt. Heribert Dieter von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP): „Die Krawalle sind Folklore.“ Sie führten im Gegenteil dazu, dass über die eigentlichen Gipfel-Themen gar nicht mehr diskutiert werde.

Hatten die Randalierer eine Taktik?

Ja, sagt der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) zu BILD am SONNTAG: „Die Eskalation war von langer Hand geplant.“

Warum kriegen 20 000 Polizisten 1500 Chaoten nicht in den Griff?

„Die Randalierer haben in Hamburg eine Infrastruktur genutzt, die sie in der Stadt über Jahre aufgebaut haben und genau kennen“, so Rainer Wendt, Chef der deutschen Polizeigewerkschaft DPolG.

„Dadurch sind sie gegenüber den Einsatzkräften im Vorteil.“ Und: „Die Extremisten standen auf den Dächern mit Gehwegsplatten, die sie auf Polizisten werfen wollten. In einer solchen Situation muss die Polizei auf die Sondereinsatzkommandos warten.“

Polizei greift durchRandale-Touris in geplünderten Geschäften

Quelle: BILD/NonstopNews

Welche Strafe blüht den Krawallmachern?

Anzünden von Autos ist Brandstiftung und Sachbeschädigung. Fällt beides zusammen, gibt es bis zu zehn Jahre Haft. Wer eine Schaufensterscheibe einschlägt und Waren stiehlt, muss sich wegen Sachbeschädigung, Diebstahl und Landfriedensbruch verantworten. Bewerfen eines Polizisten mit einem Stein gilt als versuchte gefährliche Körperverletzung (Strafmaß: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe).

Rechtsanwalt Heiko Granzin (47): „Das Schießen mit Zwille und Stahlkugel auf einen Polizisten ist sogar ein versuchtes Tötungsdelikt. Hierfür kann man lebenslang ins Gefängnis kommen.“

So erlebten wir die Krawall-Nacht

„Wir wurden zu einem Einsatz an der Hamburger Reeperbahn gerufen. Uns wurde gesagt, dass ein Baum brennt. Aber als wir dort ankamen, gab es gar kein Feuer. Stattdessen wurden wir von einer Frau in Panik um Hilfe gebeten. Wir kamen in eine Bar, wo linke Aktivisten von eigenen Demonstrations-Sanitätern behandelt wurden. Dort lag ein Mann mit großen Schmerzen auf einer blauen Turnmatte. Wir haben den Mann untersucht und festgestellt, dass er zwar einen Rippenbruch, aber keine inneren Verletzungen hatte. Die Situation war dennoch unübersichtlich. Eine Straße weiter gab es Krawalle zwischen Randalierern und der Polizei. Wir hatten ein mulmiges Gefühl. Aber für uns war klar: Wir helfen, egal welche Gesinnung.“

„Am Freitagmorgen um 7.30 Uhr wurde mein Bus plötzlich von einem schwarzen Mob angegriffen. Etwa 300 Chaoten umzingelten das Fahrzeug, schlugen die Türscheiben ein, zündeten ein nahe stehendes Auto an. Ich hatte große Angst, aber ich musste für meine Fahrgäste stark sein. Eine Frau hat geweint, ich nahm sie in den Arm. Stellen Sie sich vor, der Mob hätte einen Molotowcocktail geworfen.“

„Am Donnerstagabend gegen 22 Uhr klingelte eine Polizistin, um mir zu sagen, dass mein Auto brennt. Mein Sohn hat es mir vor drei Jahren geschenkt. Jetzt muss ich wohl zu Fuß gehen, denn einen neuen Wagen kann ich mir von meiner Rente nicht leisten.“

„Ich habe oft die Kinder von Freunden rumgefahren, denen habe ich schon abgesagt. Diese Kriminellen haben mir meine Freiheit und Mobilität genommen. Und mir wurde außerdem mitgeteilt, dass ich die Entsorgung des Wracks selbst zahlen soll.“

„Eigentlich wollte ich bei der Demo ,Hamburg zeigt Haltung‘ teilnehmen, jetzt stehe ich aber hier vor den Trümmern meines Ladens. Was hier gestern passiert ist, war für mich unvorstellbar. Ich stand auf der gegenüberliegenden Seite des Ladens mit meinem Sohn, irgendwann konnten wir nicht mehr hinsehen. Das tut einfach weh. Ich habe bei den Randalierern kaum Deutsch gehört, die waren nicht von hier.

Der Schaden beläuft sich auf rund 400 000 Euro. Am Mittwoch wollen wir wieder aufmachen. Es muss Konsequenzen für das Versammlungsrecht geben. Es darf einfach nicht sein, dass szenebekannte Straftäter Zutritt zu solchen Veranstaltungen bekommen.“

Bürokauffrau Katharina Jandras (27) mit Tochter Mia (4)

Bürokauffrau Katharina Jandras (27) mit Tochter Mia (4)

Foto: Christian Spreitz

„Unsere Kita im Karoviertel nahe dem Messezentrum hatte seit Mittwoch geschlossen. Meine Tochter Mia ist mit Freunden von uns an die Ostsee gefahren. Ich selbst wäre natürlich auch gern mitgekommen, aber ich habe in meinem Büro leider nicht frei bekommen. Es ist wirklich schade, dass der Protest gegen den G-20-Gipfel so radikal ausgetragen wurde. Ich bin froh, dass meine Tochter sicher im Urlaub ist und ich mir keine Sorgen um sie machen muss.“

Live-Ticker

  • Polizei meldet weitere Festnahmen

  • Alles ruhig!

    Laut der Polizei Hamburg ist aktuell alles ruhig in der Stadt. Keine besonderen Vorkommnisse bisher.

  • Tschüss!

  • Tschüss Hamburg!

  • Danke Polizei!

  • Hamburg zeigt sich solidarisch mit der Polizei

  • Berliner G20-Polizisten haben morgen frei

    Es waren die schwersten Ausschreitungen, die Hamburg seit der Nachkriegszeit erleben musste. Unter den Einsatzkräften waren auch 500 Beamte aus Berlin, die den G20-Gipfel sicherten. 130 von ihnen wurden dabei verletzt. Innensenator Andreas Geisel (51, SPD) will ihnen jetzt als Dankeschön am Montag freigeben. Der SPD-Innenpolitiker zu BILD: „Die Polizisten waren enorm gefordert, hatten kaum Schlaf. Da müssen wir an dieser Stelle auch mal Danke sagen.“

  • Reste der Krawall-Nacht

  • CDU-Fraktion zu G20-Fehleinschätzung von Scholz

    Das war die größte politische Fehleinschätzung eines Hamburger Bürgermeisters aller Zeiten.
  • Bürgermeister Scholz fordert harte Strafen

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