Weihnachtsmarkt-Streit: Haben wir nicht alle Lichter am Baum?

Von: Von JONAS HERRMANN, CHRISTIAN SEIDL und VOLKER WEINL

Heute ist der erste Advent. Und viele werden den Sonntag für einen Spaziergang nutzen zu jener vorweihnachtlichen Festivität, die als Weihnachtsmarkt volkstümlich geworden ist, in Süddeutschland als Christkindlmarkt. Genau das passt aber nicht allen.

So muss etwa in Berlin, nicht nur in Kreuzberg, aber dort ausdrücklich, der Weihnachtsmarkt neuerdings „Winterfest“ heißen. In einem Sitzungsprotokoll des Kreuzberger Bezirksparlaments heißt es dazu: „Das Bezirksamt verständigt sich darauf, dass grundsätzlich keine Genehmigungen für Veranstaltungen von Religionsgemeinschaften im öffentlichen Raum erteilt werden.“

Die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann von den Grünen, versuchte diesen Beschluss lange vor der Öffentlichkeit zu verbergen. Es war der CDU-Abgeordnete Timur Husein, ein Mann mit Migrationshintergrund, auf dessen Druck sie das Protokoll herausrückte.

HABEN DIE NOCH ALLE LICHTER AM CHRISTBAUM?

Natürlich ist die Institution Weihnachtsmarkt an sich nicht wichtig. Aber wo führt es hin, wenn es schon verpönt ist, das Wort Weihnachten nur im Munde zu führen? Sind das christliche Erbe, unsere Kultur, unser Selbstverständnis, unser Wertekanon, auf das Treiben einer „Religionsgemeinschaft“ geschrumpft?

Die Debatte hatte sich zuvor bereits am Umgang mit dem Sankt-Martins-Fest entzündet. Der evangelische Pfarrer Armin Piepenbrink-Rademacher, der in Bielefeld jahrelang für Kinder gleich welcher Religion den „Märchenhaften Laternenumzug“ veranstaltet hatte, wurde plötzlich als „Judas“, „Verräter des Christentums“ und „Mensch ohne Rückgrat“ beschimpft. Die „Neue Westfälische Zeitung“ hatte zuvor unter der Überschrift „Lichterfest statt Martinsumzug“ über seine Veranstaltung berichtet.

Er sei doch ein „Berufs-Christ“ beteuerte Piepenbrink-Rademacher hinterher, der „glaubensbewusst leben und die christliche Botschaft selbstbewusst vertreten“ wolle. Offenbar stieß er just in diesem Jahr auf ein Gefühl, das mehr und mehr Christen in Deutschland umtreibt: Wird auf dem Altar der politischen Korrektheit die christliche Tradition geopfert?

Schon 2013 hatten in Hessen etliche Kindertagesstätten Lichter- und Laternenfeste begangen, die mutmaßlich aus Weltanschauungsgründen explizit vom christlichen Brauchtum abgekoppelt waren. In Nordrhein-Westfalen hatte Rüdiger Sagel, der damalige Landesvorsitzende der Linken, die Umbenennung des Sankt-Martins-Festes in „Sonne-Mond-und-Sterne-Fest“ gefordert, weil es in vielen NRW-Kitas „einen hohen Anteil von muslimischen Kindern“ gebe, denen man „die christliche Tradition nicht aufdrängen“ sollte.

Über so viel kulturelle Selbstverleugnung schütteln liberale Moslems den Kopf. Dass Sankt Martin, der seinen Mantel mit dem Schwert teilte, um einen Bettler vor dem Kältetod zu bewahren und aus Solidarität mit den Armen lieber im Gänsestall leben wollte statt im warmen Bischofssitz, dass der Mann und sein Leben „auch für Muslime vorbildlich“ ist: Auf diese Idee musste die Sonne-Mond-und-Sterne-Freaks prompt der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime Aiman A. Mazyek bringen.

Aber nicht nur bei uns gibt es diese Diskussion. Auch in New York, wo es öffentlichen Schulen bereits seit Längerem untersagt ist, Krippenspiele aufzuführen. Auch in Brüssel, wo man den altehrwürdigen Weihnachtsbaum auf dem Grand Place aus Rücksichtsnahme auf religiöse Minderheiten durch eine abstrakte Konstruktion ersetzt hat. Und auch in Madrid, wo Real jetzt das Kreuz aus seinem Vereinswappen getilgt hat, um die Fans im arabischen Raum und Kunden der sponsernden National Bank of Abu Dhabi nicht zu irritieren.

Die Botschaft ist so einfach wie schwach: Uns ist wirklich nichts mehr heilig.

Mehrheit will mehr religiöses Selbstbewusstsein

Berlin – Eine Zweidrittelmehrheit (67 Prozent) der Deutschen lehnt es ab, dass Weihnachtsmärkte in manchen Regionen in Wintermärkte umbenannt wurden, um Andersgläubige nicht zu stören. Dies ergab eine repräsentative Emnid-Umfrage für BILD am SONNTAG.

Lediglich 30 Prozent der Bürger finden die Namensänderung richtig. Knapp die Hälfte der Bevölkerung (47 Prozent) ist der Überzeugung, dass Deutschland mit seinen christlichenTraditionen nicht selbstbewusst genug umgeht. 44 Prozent halten das religiöse Selbstbewusstsein für ausreichend.

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