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Erhöhungen zum 1. April Strompreise rauf, Rechnung runter

Ihr Stromanbieter kündigt höhere Preise an? Da lohnt sich eine genaue Rechnung. Wir zeigen Ihnen, wie sie den Aufschlag richtig kalkulieren - und wie sie zum günstigeren Tarif wechseln.
Stromtrasse in Nordrhein-Westfalen

Stromtrasse in Nordrhein-Westfalen

Foto: Federico Gambarini/ dpa

Zum 1. April haben fast drei Dutzend Stromanabieter angekündigt, ihre Preise zu erhöhen. Darunter Vattenfall und E.on. Das verwundert: Schließlich sind die Verkaufspreise an der Strombörse zuletzt stark gesunken. Aber bei vielen Stromkonzernen war eine verständliche Preispolitik eben noch nie das Ziel.

Für zahlreiche Haushalte lohnt sich der prüfende Blick auf ihren Stromanbieter deshalb jetzt besonders: Wo sonst kann man mit ein paar Klicks Hunderte von Euro sparen ?

Zu mäkelig? In der "Finanztip"-Redaktion liegt uns zum Beispiel ein Brief des Stromanbieters E.on vor. Der Konzern kündigt einem Kunden an der Ostsee darin eine deutliche Preiserhöhung an, jedenfalls wenn man den Brief zu Ende liest. Erst auf der zweiten Seite werden nämlich endlich die neuen Preise für den Strom genannt.

Die alten Preise zum Vergleich aber fehlen. Stattdessen wird eine seltsame Musterrechnung aufgemacht, nach der ein Kunde, der im Jahr 2000 Kilowattstunden (kWh) Strom verbraucht, wegen der Erhöhung künftig 6,90 Euro mehr für seinen Strom im Monat bezahlt. E.on behauptet auf Nachfrage, die Kunden wollten das so. Befragungen hätten gezeigt, dass sich Kunden "Informationen über die Veränderung der monatlichen Kosten wünschen".

Man fragt sich unwillkürlich, ob das Kundenschreiben von einem Mathematiklehrer verfasst wurde. Ein Pädagoge in Konzerndiensten, der überprüfen möchte, ob die eigenen Kunden den Dreisatz noch beherrschen. Der Konzern zwingt seine Abnehmer mit dem kryptischen Brief zu einer klassischen Vorgehensweise:

  • Holen Sie als Kunde ihre letzte Stromabrechnung hervor.

  • Stellen Sie fest, wie viel Strom Sie im vergangenen Jahr verbraucht haben, zum Beispiel 1500 kWh als Single oder 4000 kWh als Familie.

  • Vergleichen Sie Ihre Rechnung mit dem Rechenbeispiel von E.on (Verbrauch von 2000 kWh pro Jahr). Der einfache Dreisatz würde nahelegen, dass Sie bei einem Jahresverbrauch von 1500 kWh eine Erhöhung von 1500 geteilt durch 2000 multipliziert mit 6,90 Euro im Monat zu erwarten hätten: also rund 5,20 Euro. Bei einem Stromverbrauch von 4000 kWh kämen 13,80 Euro monatlich heraus.

  • Dann müssen Sie beide Rechnungen nur noch aufs Jahr umrechnen: Der Single mit 1500 kWh Verbrauch muss rund 62 Euro Preisaufschlag hinnehmen, die Familie (4000 kWh) zahlt sogar fast 166 Euro mehr.

Wer jetzt also stolz ist, weil er diesen Dreisatz gemeistert hat, den muss ich enttäuschen. Diese Rechnung wäre zwar naheliegend nach den dürren Angaben von E.on - aber leider falsch. Denn tatsächlich hat E.on nicht nur seinen Preis pro Kilowattstunde erhöht, sondern auch seinen Grundpreis.

Die richtige Rechnung ginge also folgendermaßen: Der Grundpreis stieg um 18 Euro auf 114 Euro pro Jahr. Die Erhöhung würde für beide Haushalte gelten. Zudem steigt der Preis pro kWh in dem erhöhten Grundtarif um 3,21 Cent auf 32 Cent. Der Single zahlt also 1500 multipliziert mit 3,21 Cent plus noch einmal 18 Euro mehr im Jahr, macht 66,15 Euro zusätzlich. Die Familie zahlt in Wirklichkeit dagegen etwas weniger als zunächst vermutet drauf, nämlich 146,40 Euro. Je niedriger der Verbrauch, desto stärker fällt der Grundpreis ins Gewicht - oder umgekehrt.

Optimal nur für E.on

Ob 66 Euro oder 146 Euro mehr - es ist in jedem Fall deutlich zu viel. Ein Vergleich mit Strompreisrechnern wie Verivox oder Check24 zeigt: Die Familie mit einem Jahresverbrauch von 4000 kWh kann 343 Euro sparen, wenn sie den Grundtarif von E.on in Mecklenburg-Vorpommern verlässt.

Zuviel, meint sogar E.on selbst. Jeder Kunde, der sich beschwert, bekommt vom Konzern-Kundendienst zwar zunächst erklärt, vor allem die Erhöhung der Umlage für Erneuerbare Energien sei ursächlich für die Erhöhung des Strompreises. Dann aber lenkt der Konzern ein und bietet den Strom für 30,3 Cent statt für 32 Cent pro Kilowattstunde an. Das halbiert die Preiserhöhung für die Musterfamilie. Dafür hat das neue Angebot aber eine fiese Fußangel: Vergisst man, den Vertrag rechtzeitig nach dem ersten Jahr zu kündigen, verlängert er sich automatisch um weitere zwölf Monate. Optimal heißt der Tarif, optimal ist er wohl nur für E.on.

Lassen Sie sich also nichts Neues aufschwatzen, sondern gehen Sie direkt zum günstigsten Anbieter. Das ist ganz einfach:

  • Suchen Sie auf einem Strom-Vergleichsportal einen neuen Anbieter, der mindestens folgende Kriterien erfüllt: Er ist preiswerter, er garantiert den neuen Preis für zwölf Monate. Und Sie können anschließend binnen eines Monats den Anbieter wechseln, sollte er doch die Preise erhöhen.
  • Vermeiden Sie unbedingt Tarife, bei denen Sie den Strom vorab bezahlen, also Vorkasse.
  • Wenn Ihnen Ökostrom wichtig ist , ergänzen Sie dieses Kriterium bei der Suche.
  • Wenn Sie sich für den neuen Anbieter entschieden haben, beauftragen Sie ihn, er kümmert sich dann um Kündigung und Wechsel.

Machen Sie sich keine Sorgen: Sie wechseln nicht die Versorgung. Auch der Stromzähler muss nicht getauscht werden. Alles bleibt beim Alten, es ändert sich nur die Kontonummer, auf die Sie Ihr Geld überweisen. Und natürlich der Preis.

Wenn Sie den neuen Anbieter mit einem Strompreisrechner auswählen, können Sie diese Kriterien für die Auswahl neuer Anbieter  voreinstellen. Das machen die Rechner nicht von selbst.

Viel Spaß beim Sparen. Der Kunde, der uns das Erhöhungsschreiben vorgelegt hat, wird jetzt auch wechseln.

Zum Autor
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Micha Kirsten / Finanztip

Hermann-Josef Tenhagen, Jahrgang 1963, ist Chefredakteur von »Finanztip« und Geschäftsführer der Finanztip Verbraucherinformation GmbH. Der Geldratgeber ist Teil der Finanztip Stiftung. »Finanztip«  refinanziert sich über sogenannte Affiliate-Links, nach deren Anklicken »Finanztip« bei entsprechenden Vertragsabschlüssen des Kunden, etwa nach Nutzung eines Vergleichsrechners, Provisionen erhält. Mehr dazu hier .

Tenhagen hat zuvor als Chefredakteur 15 Jahre lang die Zeitschrift »Finanztest« geführt. Nach seinem Studium der Politik und Volkswirtschaft begann er seine journalistische Karriere bei der »taz«. Dort ist er heute ehrenamtlicher Aufsichtsrat der Genossenschaft. Auf SPIEGEL.de schreibt Tenhagen wöchentlich über den richtigen Umgang mit dem eigenen Geld.