Kunstraub von Rotterdam:Mutter von Dieb verbrennt Picasso, Matisse und Monet

Kunsthalle Rotterdam Henri Matisse

Die Rotterdamer Kunsthalle Mitte Oktober 2012: Leere, wo zuvor eine Lesende von Henri Matisse hing.

(Foto: AFP)

Den Picasso unter den Dielen verstecken? Auf dem Friedhof verscharren? Reicht nicht. Eine Bande aus Rumänien hat in Rotterdam sieben Kunstschätze gestohlen. Ihr Anführer soll anschließend darum gebettelt haben, die heiße Ware loszuwerden - vergeblich. Und dann kam seine Mutter ins Spiel.

Von Alex Rühle

Jetzt ist es also amtlich: Picasso, Monet, Matisse - verbrannt. In einem Ofen im rumänischen Weiler Carcaliu. Von einer alten Frau, die ihren Sohn schützen wollte und ihm damit sehr geschadet haben dürfte. Denn Bilder zu klauen ist das eine. Sie unwiederbringlich zu zerstören das Letzte.

Als im Oktober 2012 während der Jubiläumsausstellung der Rotterdamer Kunsthalle sieben Meisterwerke gestohlen wurden, sprach die niederländische Polizei fast schon mit Ehrfurcht von den Dieben, so professionell waren sie anscheinend zu Werke gegangen: Sie wussten, dass es nachts für einige Zeit kein Wachpersonal gab. Sie hatten einen raffinierten Fluchtweg übers Wasser ausgetüftelt. Und sie wussten angeblich auch genau, wo jene Werke hingen, die in ihr Beuteschema passten - kleinformatige Ölbilder und Pastelle, äußerst wertvoll, alle von Künstlern der Klassischen Moderne. Die ganze Aktion hatte gerade mal drei Minuten gedauert.

Das alles passt so gar nicht zusammen mit dem stümperhaften Dilettantismus, mit dem sie die Bilder behandelt haben müssen, sobald sie in ihrer Gewalt waren. Sie, das ist eine Bande aus Rumänien, welche die Gemälde erst aus den Rahmen schnitt und dann in Kissenbezügen nach Bukarest schmuggelte. Anfang des Jahres wurden drei der Männer gefasst; am Montag erhob die rumänische Staatsanwaltschaft Anklage. Die Gemälde aber blieben verschollen, sodass es bis zuletzt die Hoffnung gab, die Werke würden im Verlauf des Prozesses wieder auftauchen.

Nur noch Leinwandfetzen und Drahtreste

Am Dienstag hat Olga Dogaru, die Mutter des Bandenchefs, nun im rumänischen Fernsehen gestanden, dass sie die Bilder zunächst in einem verlassenen Haus unter den Dielen versteckt und dann auf einem Friedhof verscharrt hatte. Zuletzt aber habe sie sich keinen anderen Rat gewusst, als ein großes Feuer anzumachen und dann weg damit: Paul Gauguins "Mädchen vor geöffnetem Fenster". Ein Harlekin-Kopf von Picasso. Ein Selbstbildnis von Meyer de Haan. Das Portrait einer Frau mit geschlossenen Augen von Lucian Freud. Claude Monets Bilder von der Waterloo Bridge und der Charing Cross Bridge in London. Und eine Lesende von Henri Matisse.

Von alledem blieben übrig: Leinwandfetzen, Drahtreste, rote und gelbe Farbpigmente sowie Kupfer- und Stahlnägel, von denen einige älter waren als 120 Jahre. Das ist nun sicher. Der Leiter des rumänischen Nationalmuseums, Ernest Oberlander-Tarnoveanu, sagte, Forensiker hätten die Asche seit März untersucht und würden kommende Woche ihre Ergebnisse vorstellen, so Algemeen Dagblad.

Die niederländische Zeitung räumt in ihrem Bericht auch mit der Fama von den begnadeten Kunstdieben auf: Laut Anklageschrift der Bukarester Staatsanwaltschaft war der Diebstahl in der Kunsthalle eher eine Art Notlösung. Die Diebe hatten sich von ihrem Navigationsgerät zum Naturhistorischen Museum in Rotterdam führen lassen - und dann gemerkt, dass es dort nur ausgestopfte Tiere gab. Dann sahen sie die Ausstellung in der Kunsthalle, direkt neben dem Naturhistorischen Museum. Was sie da aber für Schätze geklaut hatten, dämmerte ihnen angeblich erst, als sie am Morgen danach die Nachrichten sahen.

Picasso, eingerollt in einer Plastiktüte

Die Verbrecher, die ihr Geld bis dahin mit Menschenhandel und Prostituierten verdient hatten, mussten nun wohl merken, dass es oftmals leichter ist ein berühmtes Kunstwerk zu stehlen als es wieder zu loszuwerden. Sie versuchten, die Bilder in Belgien, Russland und Rumänien zu verkaufen. Angeblich lief der Chef der Bande drei Tage durch Bukarest, die Werke eingerollt in einer Plastiktüte, und bettelte einen rumänischen Modemacher und die russische Mafia an, ihm das Ganze doch abzukaufen. Erst danach brachte er die Beute zu seiner Mutter.

Olga Dogarus' Verbrennungsaktion erinnert in ihrer Resolutheit an die Tat einer anderen Diebesmutter: Der Franzose Stéphane Breitwieser stahl in den 90er-Jahren aus verschiedenen kleinen Museen in ganz Europa 60 Gemälde und 120 Kunstobjekte aller Art. Der junge Mann, der als Aushilfskellner arbeitete, trug Schätze im Wert von mehr als einer Milliarde Euro zusammen und arrangierte das Ganze in einem Zimmer im Haus seiner Mutter zu einer Art Privatmuseum.

Als ihm die Polizei auf die Schliche kam, entsorgte seine Mutter die ganze Sammlung kurzerhand im Hausmüll und im Rhein-Rhône-Kanal, darunter waren Meisterwerke von Watteau, Peter Breughel, Lucas Cranach dem Älteren und einige Geigen aus dem 17. Jahrhundert. Die Sache flog auf, als Vasen und Instrumente am Ufer angeschwemmt wurden. Nach ihrer Verhaftung gab Mireille Breitwieser an, sie habe die Sammlung vernichtet, um ihren Sohn zu bestrafen. Als Mutter eines verurteilten Kunstdiebes würde sie ihre Arbeitserlaubnis in der Schweiz verlieren.

Olga Dogaru dagegen scheint aus reinster Mutterliebe gehandelt zu haben: "Wenn die Gemälde nie gefunden werden, gibt es keine Beweise, und mein Sohn wird nicht verurteilt", sagte sie der Polizei.

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