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Erderwärmung soziologisch Männer sind schuld am Klimawandel

Wer hat eigentlich mehr Schuld am Klimawandel - Männer oder Frauen? Für die Bremer Professorin Ines Weller ist der Fall klar: Männer essen mehr Fleisch, fahren protzige Autos und wollen ihr klimaschädigendes Verhalten nicht ändern.
Von Jan-Philipp Hein

Ein paar wenige, die kaum noch jemand ernst nimmt, streiten sich noch, ob es den Klimawandel überhaupt gebe und ob er durch den Menschen gemacht würde. Durch den Menschen? Auf das den kommt es an. Denn bei diesem Subthema sind jetzt andere angekommen.

"Ich habe extra nicht 'verursacht durchden Menschen' gesagt", erklärt Ines Weller. Dabei dehnt sie das den besonders. Die Bremer Professorin vom Forschungszentrum Nachhaltigkeit und vom Zentrum Gender Studies der dortigen Universität stellt die Geschlechterfrage: Ist der Klimawandel geschlechtsneutral? Das will die Chemikerin wissen, und zum gleichnamigen Vortrag im Gästehaus der Bremer Uni rücken Zuhörer an, die durchaus dem Klischee entsprechen, das man vor Augen haben könnte, wenn man den Titel liest.

Vor dem Fenster plätschert die Weser vorbei, drinnen geht es darum, welche Artikel und Pronomen in Klimafragen passend oder unpassend sein könnten. Die Fakten: Männer essen mehr Fleisch, fahren mehr Auto und das sind meist auch noch größere und protzigere Gefährte. Frauen essen mehr Obst und Salate, fahren kleinere Autos und pro Jahr auch noch deutlich weniger Kilometer. Damit ist die Sache soziologisch geklärt. Der Artikel vor Klimawandel steht dort völlig zu Recht und man könnte nun nach Hause gehen, wenn man keinen Spaß an Kaffeesatzleserei hätte.

Der Klimawandel ist ein Mann

Denn jetzt werden die Daten dünn. Das räumt Ines Weller auch gerne ein. Das macht aber nichts, denn auch das reicht an diesem kalten Donnerstagabend völlig aus, um den Schluss, dass der Klimawandel von männlicher Seite verursacht wird und von Frauen ertragen wird oder werden muss, sehr nahe zu legen. Der Klimawandel ist aktiv ein Mann und passiv ist er weiblich. So eindeutig würde Ines Weller das zwar nie sagen, aber die Folien, die sie an die Wand wirft, können gar keinen anderen Schluss zulassen. Das weiß sie auch.

So lernt das Publikum etwas über die "besondere Verwundbarkeit von Frauen in den Ländern des Südens" und dass Frauen die Auswirkungen des Klimawandels deutlicher spürten. Die Tatsache, dass Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer, spielt dann auch bei der Frage nach der Geschlechtsneutralität des Klimawandels eine Rolle. Denn es gilt - zugespitzt wie so vieles an diesem Abend: Wer mehr verdiene, verbrauche mehr Ressourcen und verursache mehr klimaschädigende Emissionen. Wieder ein Minuspunkt für die Männer - oder ein Pluspunkt für die Idee, dass der Klimawandel seinen Artikel wirklich verdient.

So ist es dann nicht mehr weit zu diesem "nicht empirisch abgesicherten" Zwischenfazit: Es gibt Geschlechterunterschiede - und zwar in der Problemwahrnehmung der Folgen und der Bereitschaft zu Veränderungen und Lösungen.

Apropos Lösungen. Da spiele die weibliche Sicht ja keine Rolle, beklagt Weller. In ihrer Folie formuliert sie es so: "Einbindung von Genderperspektiven in die Entwicklung von Maßnahmen zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen" fehlen weitgehend. So sei es auch bei den Anpassungsstrategien. Frauen seien schließlich besorgter und sensibler in Sachen Klimawandel.

Männer setzen nur auf Technik

So würden mehr Frauen als Männer ein Tempolimit befürworten, mehr Frauen wären bereit, auf das Auto zu verzichten und weniger oder gar kein Fleisch zu essen, um das Klima nicht zu belasten. Männer hingegen präferierten technische Lösungen wie verbrauchsärmere Autos oder Energierückgewinnungssysteme in Fahrzeugen. Im Klartext: Frauen würden sich disziplinieren, Männer setzten auf Technik. Die einen sind vernünftig, die anderen passen ihre Spielzeuge der Situation an. Das ist mal wieder "stark vereinfacht", wie es auch Weller an diesem Abend für sich immer wieder in Anspruch nimmt.

Zwar präsentiert sie Material, das eindeutig interpretiert werden kann, sie selbst gibt sich aber distanziert und fragt sich aus der Perspektive der Politik, ob die Sicht "einer bestimmten Gruppe von Wählerinnen" nicht berücksichtigt werden müsse. Ganz so, als habe es die derzeitige Tempolimitdebatte nie gegeben oder wären Vorschläge zur Deckelung von Emissionen und Verbräuchen nie gemacht worden. Die Feststellung, dass die Umsetzung der als weiblich erkannten Problemlösungsstrategien Verbote wären, hat an diesem Abend niemand gemacht.

Männlich verursachte Probleme werden eben männlich gelöst, könnte man der Forscherin zynisch vorhalten. Oder muss man gar das männliche im Mann beseitigen? Das fragt ausgerechnet einer der wenigen Männer nach Wellers Vortrag. Die Beziehung von Männern zu Autos sei ja nicht Gott gegeben, sagt er. Dazu fällt noch nicht mal mehr der Vortragenden etwas ein: "Ob die Veränderung der Erziehung klimarelevant ist, ist eine sehr philosophische Frage."

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