Sprache gehört nicht dem Staat

Sprache ist ein Herrschaftsinstrument. Eine staatlich diktierte Regulierung der Sprache widerspricht denn auch dem demokratischen Geist. Von Claudia Wirz

Claudia Wirz
Drucken

Der Lehrer ist nicht mehr, was er war. Er ist jetzt eine «Lehrperson». Biologisch männlich, grammatisch weiblich und gleichwohl seltsam geschlechtslos. Die «Lehrkraft» trifft es noch schlimmer. Sie ist grammatisch weiblich, aber nicht mehr als Mensch erkennbar. Eine Kraft kann irgendetwas sein. Die Lehrkraft teilt ihr Schicksal mit dem Beamten, pardon, der «verbeamteten Dienstkraft». Es ist kalt geworden in den Schul- und Amtsstuben im deutschen Sprachraum. Wo früher Männer und Frauen wirkten, arbeiten heute «Kräfte» und «Personen». Und (fast) alle machen willfährig mit.

Die feministische Linguistik der ersten Stunde hat zweifellos ein berechtigtes Anliegen verfolgt. Der Anspruch, sich sichtbar zu machen, ist legitim für Frauen wie für Männer. Doch der Sprachfeminismus hat sein ursprüngliches Wesen in den letzten Jahrzehnten völlig verändert. Er hat sich von einer lebendigen Basisbewegung «von unten» zu einem «von oben» verordneten, staatlichen Programm entwickelt, welches in Schule, Hochschule und Amtsstube zu einem Instrument der dauerhaften Zwangsbeglückung und der politischen Erziehung geworden ist. Es sind heute keine auf der Strasse demonstrierenden Feministinnen mehr, die das «Binnen-I» fordern, um die Frauen sichtbar zu machen. Es sind heute technokratische Exponentinnen aus dem politischen Establishment wie die deutsche Familienministerin Kristina Schröder, die sich am Geschlecht Gottes stört und meint, «der Gott» könne auch «das Gott» heissen.

Wo dieses konkrete Ansinnen wenigstens für Heiterkeit sorgt, haben die unzähligen amtlichen Sprachleitfäden zum geschlechtergerechten Formulieren tiefere Spuren hinterlassen. Texte werden verstümmelt, die Grammatik wird gebeugt. Wenn im Geiste des Gender-Mainstreaming unterrichtete Schulabgänger nicht mehr spüren, was für einen Unsinn etwa die Wendung «liebe Mitgliederinnen und Mitglieder» darstellt, sollte das wahrlich zu denken geben – und Widerspruch erzeugen.

Sprache ist ein Herrschaftsinstrument. Wer über sie herrscht, hat in einem gewissen Sinn auch Einfluss auf die Gedanken der Menschen. Und genau deshalb widerspricht eine von oben diktierte Regulierung der Sprache dem demokratischen Geist. Die Sprache gehört nicht dem Staat, sie gehört allen. Etwas mehr ziviler Ungehorsam gegenüber den gröbsten Auswüchsen des amtlichen Tugenddiktats könnte nicht schaden. Das kann man von den Feministinnen der ersten Stunde lernen.