Kanzler Faymann findet die ÖIAG überflüssig. Nationalbankpräsident Claus Raidl (ÖVP-nahe) findet das auch. Die Motive sind unterschiedlich, aber ähnlich. Faymann ist der Meinung, man brauche keine Holding für die Restbestände der verstaatlichten Unternehmen, die nur das Ziel habe, diese Restbestände an die Deutschen zu verklopfen. Mit entsprechenden Folgen für die Belegschaft und naturgemäß für die Wahlchancen der SPÖ.

Der Versuch, die AUA zuerst selbstständig zu erhalten und dann an die Lufthansa zu verschenken, ist - mit tatkräftiger Unterstützung durch die Politik, den AUA-Betriebsrat und andere - soeben von der ÖIAG-Führung gefährlich nahe am Scheitern betrieben worden. Pläne, die Post an die Deutsche Post zu verkaufen, erfüllen Faymann (und die Gewerkschaft) daher mit entsprechendem Misstrauen.

Raidl findet die ÖIAG unnötig, weil er sie schon zu seiner Zeit als Chef von Böhler-Stahl für unnötig hielt. Dreinreden von übergeordneten Holdings ging/geht dem selbstbewussten und cholerischen Topmanager grundsätzlich - und das von ÖIAG-Chef Michaelis ganz speziell - auf die Nerven. Was tun mit dem restlichen Staatsbesitz (im wesentlichen Anteile an OMV, Telekom, Post, AUA)?

Faymann und die SPÖ sind offenbar dafür, zu den Zeiten vor 1985 zurückzukehren - die Politik (der Kanzler) bekommt wieder die volle Verfügungsgewalt über die Betriebe (eventuell minus AUA, falls das doch noch klappt mit der Lufthansa). Das bedeutet, Belegschaften werden gehalten, Gewerkschaftswünsche erfüllt, politische Interventionen werden wieder Alltag. Wohin das geführt hat, erinnern sich noch Ältere: 1985 war die gesamte verstaatlichte Industrie mit Ausnahme der OMV pleite.

Was Vizekanzler und Finanzminister Pröll will, ist nicht so klar wie das, was er nicht will: die ÖIAG auflösen und Michaelis feuern. Er braucht aber wohl die Holding und den wenig selbstständigen Michaelis, um längerfristig eine endgültige Privatisierung durchzuziehen.

Kanzler Schüssel hatte die Verstaatlichte Grasser und dessen Mentoren aus der blaugetönten Industrie (vor allem Prinzhorn) überlassen. Grasser versuchte, die Voest seinem alten Arbeitgeber Stronach zuzuschanzen. Das wurde verhindert, aber die Absicht war klar: die Verstaatlichte sollte möglichst an den Freundeskreis Grassers abgegeben werden. Eine solche Spezi-Privatisierung kann Pröll nicht auch noch wollen, oder ?

Faktum bleibt, dass für die Rest-Verstaatlichte - wie für so viele Problembrocken dieser Regierung - ein Konzept notwendig ist (von Mega-Problemen sui generis wie den ÖBB gar nicht zu reden). Weder die altsozialistische Variante noch die Spezi-Verscherbelung sind zukunftsträchtig. Ziel muss wohl ein kontrollierter, längerfristiger Privatisierungsprozess sein (oder eine nachhaltige Sanierung der Kostenseite und der Strategie bei verbleibendem Staatsbesitz). Dazu bedarf es eines Führungsinstruments wie der ÖIAG, allerdings mit anderer Führung.

Herauskommen wird aber wohl ein Weiterwursteln, mit zunehmendem staatlichen Zuschussbedarf und dann der Notverkauf. Wie gehabt. (DER STANDARD, Printausgabe, 15.7.2009)