Gelsenkirchen. An der Gesamtschule Berger Feld wird die Jahrgangsstufe 8 im neuen Schuljahr um eine Klasse erweitert. 28 IFö-Schüler wechseln ins Regelsystem.

  • 28 Kinder aus Internationalen Förderklassen (IFö) wechseln Ende August in die Regeljahrgangsstufe 8
  • Die Gesamtschule Berger Feld als aufnehmende Schule richtet eine neue Klasse ein, will die Schüler verteilen
  • Die Elternschaft fühlt sich übergangen. Ihr Anwalt hat eine Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht

Das neue Schuljahr stellt Bildungsreferat, Schulen und die Bezirksregierung Münster als Schulaufsichtsbehörde vor Herausforderungen: Insgesamt 145 Kinder und Jugendliche aus Flüchtlings- und Zuwanderungsfamilien, die bislang eine Internationale Förderklasse (IFö) besucht haben, wechseln ins Regelsystem. Das geht allerdings nicht nur geräuschlos über die Bühne. An der Gesamtschule Berger Feld ist die Lage gar eskaliert.

Hier werden zum neuen Schuljahr 28 IFö-Schüler in die Jahrgangsstufe 8 aufgenommen. Eine neue Klasse wird eingerichtet, die Schüler verteilt – was auch heißt: die bestehenden Klassenverbände werden auseinander genommen. Aus bisher fünf Sportklassen werden drei; die anderen drei Klassen erhalten den Schwerpunkt Studien- und Berufsorientierung. Die siebte Klasse bleibt eine inklusive, eine des gemeinsamen Lernens mit und ohne Behinderung.

„Emotional aufgeladene“ Infoveranstaltung

Von den detaillierten Veränderungen erfuhren die Eltern am 8. Juni bei einer nach Worten von Ludger Müller vom Schuldezernat der Bezirksregierung „emotional aufgeladenen“ Infoveranstaltung. „Aus Elternsicht ist das verständlich. Da werden Strukturen aufgebrochen. Aber es gibt keine Alternative“, sagte Müller gestern zur WAZ. Die Eltern fühlten sich indes übergangen – und schalteten Rechtsanwalt Arndt Kempgens ein, der beim Verwaltungsgericht inzwischen Klage eingereicht hat.

Im Eilverfahren soll das Gericht über die Einbeziehung der Schulpflegschaft an den geplanten Maßnahmen der Gesamtschule Berger Feld entscheiden. Kempengs stützt seine Klage gegen das Land auf Paragraf 62 des Landesschulgesetzes, in dem das Mitbestimmungs- und Informationsrecht der Elternschaft geregelt ist. Ein bisher wohl einmaliger Vorgang, aber, so Kempgens gestern gegenüber Medienvertretern, „die Eltern haben keine andere Möglichkeit gesehen.“

Klasse mit besonderem Sportprofil

Bernd Dieckmann, Klassenpflegschaftsvorsitzender der 7.2, und weitere Eltern betonten: „Wir sind eine internationale Schule. Die Aufnahme der IFö-Schüler ist nicht das Problem. Für unsere Kinder gehört es zur Normalität, dass ein neues Kind in die Klasse kommt.“ Aber die Klassenverbände würden auseinander gerissen. „Das macht uns am meisten Sorgen“, so Dieckmann. Der Vorschlag der Elternschaft: Die Schule bietet eine zusätzliche Klasse 8 mit einem besonderen Sportprofil an, für die sich Kinder freiwillig bewerben können. Ähnlich also, wie es die Gesamtschule Buer-Mitte mit ihrer zusätzlichen Klasse hält. „Wenn die Schule an den Verhandlungstisch zurück kommt, ist alles gut“, resümierte Jurist Kempgens.

Jeder Schüler soll vom Angebot profitieren

Die Leiterin der GS Berger Feld und Sportschule NRW, Maike Selter-Beer, mochte sich im laufenden Verfahren ungern äußern, sagte aber, dass eine Einbeziehung der Eltern nach ihrer Einschätzung erfolgt sei und man zum frühstmöglichen Termin über die Veränderungen informiert habe. „Das Konzept ist das Ergebnis einen langen Prozesses“, sagte sie. Und: Die Schule habe ja nachgesteuert und den Schülern der heutigen 7er-Klassen Wunschzettel für das neue Schuljahr ausfüllen lassen. Kerngedanke sei, dass jeder Schüler vom Angebot profitieren soll.

Auf viele Schulen verteilen

Seit 2016 sei man mit der Bezirksregierung im Gespräch darüber, wie man die Integration der Flüchtlings- und Zuwandererkinder ins Regelsystem stemmen könne, erklärte Schuldezernentin Annette Berg auf Nachfrage. Der eingeschlagene Weg sei, Schüler entsprechend ihres Leistungsniveaus auf viele Schulen zu verteilen. „Die Integrationsleistung werden wir alle gemeinsam erbringen müssen.“

>>> 145 Schüler wechseln ins Regelsystem

Insgesamt 2573 SchülerInnen besuchen aktuell Internationale Förderklassen (IFö). 145 gibt es in Gelsenkirchen.

877 Mädchen und Jungen lernen in IFö-Klassen der Grundschulen, 1267 der Sekundarstufe (Sek.) 1 und 459 der Sek. 2.

In Sekundarstufe 1 des Regelsystems wechseln Ende August 74 IFö-Schüler. Aufnehmende Jahrgangsstufe 8 ist die GS Berger Feld, Stufe 6 übernimmt die GS Ückendorf, Stufe 7 übernehmen die GS Buer-Mitte und Erle. 45 Mädchen und Jungen wechseln in Regelklassen von Grundschulen, 26 Jugendliche in Schulformen der Sekundarstufe 2.

>>> Kommentar: Eine Herkulesaufgabe

berall dort, wo es zur Trennung gewachsener Klassenverbände kommt, ist Ärger vorprogrammiert. Die Kritik der Eltern der (noch) Jahrgangsstufe 7 dürfte daher niemanden wirklich überraschen. Die Schüler im Ganztagsunterricht sind sich vertraut, fühlen sich, wie eine Mutter sagte, wie eine Familie. Und die verlässt keiner gerne. Allerdings gehört zu einer gelungenen Integration von IFö-Schülern auch eine gute Mischung in den Klassen. Das erfordert Opfer, keine Frage. Die Elternschaft im Berger Feld ist, was die Aufnahme der neuen Mitschüler ihrer Kinder angeht, über jeden Zweifel erhaben. Deren Herkunft spielt bei aller Kritik am vorgesetzten Konzept keine Rolle. Sie wollen mitreden – nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

Dabei ist das Gesamtkonzept für das neue Schuljahr nur die Spitze des Eisbergs: Rund 2400 IFö-Schüler warten ja noch auf die Regelbeschulung. Eine Herkulesaufgabe steht da auf dem Stundenplan.