1. Nachrichten
  2. Finanzen
  3. Ähnelt Marx und Wagenknecht: Der neue Antikapitalismus von rechts

Analyse: Ähnelt Marx und Wagenknecht: Der neue Antikapitalismus von rechts
  • E-Mail
  • Teilen
  • Mehr
  • Twitter
  • Drucken
  • Fehler melden
    Sie haben einen Fehler gefunden?
    Bitte markieren Sie die entsprechenden Wörter im Text. Mit nur zwei Klicks melden Sie den Fehler der Redaktion.
    In der Pflanze steckt keine Gentechnik
    Aber keine Sorge: Gentechnish verändert sind die
Markant ragt das Karl-Marx-Monument im Zentrum von Chemnitz empor.
Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild Markant ragt das Karl-Marx-Monument im Zentrum von Chemnitz empor.

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat sich eine Strömung des rechten Antikapitalismus entwickelt – eine Strömung, die sich auch in der AfD immer stärker durchsetzt. Doch bei näherem Hinsehen sind Argumente und Ideen der rechten denen der linken Antikapitalisten verblüffend ähnlich.

Die mit einem Symbol oder Unterstreichung gekennzeichneten Links sind Affiliate-Links. Kommt darüber ein Einkauf zustande, erhalten wir eine Provision - ohne Mehrkosten für Sie! Mehr Infos

Kapitalismuskritik verbinden die meisten Menschen vor allem mit linker Gesinnung. Doch zunehmend gibt es auch einen Antikapitalismus von rechts. Die AfD hat bekanntlich vor allem in Ostdeutschland Wahlerfolge, wo der Antikapitalismus – dies bestätigen zahlreiche Umfragen – sehr viel stärker verbreitet ist als in Westdeutschland. Sie setzt dabei bewusst auf das Thema des „sozialen Patriotismus“ und gewinnt damit viele Wähler, die früher die LINKE gewählt haben.

Der rechte Antikapitalismus findet eine theoretische Fundierung durch Autoren wie etwa Benedikt Kaiser oder Götz Kubitschek. Sie können dabei an eine lange historische Tradition des rechten Antikapitalismus in Deutschland anknüpfen – von der sogenannten „Konservativen Revolution“ bis zum Nationalsozialismus.

Immer informiert: Der Kriegsverlauf in der Ukraine im Ticker - Russische Truppen setzen Angriffe im Osten der Ukraine fort: „Alle Siedlungen werden beschossen“

Die Kapitalismuskritik der antikapitalistischen Rechten und ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen unterscheiden sich dabei nur graduell von denen der Linken. In der programmatischen Schrift „Solidarischer Patriotismus. Die soziale Frage von rechts“ zitiert Kaiser, der bekannteste Vordenker dieser Richtung, zustimmend immer wieder linke Autoren – von Karl Marx und Friedrich Engels bis Sahra Wagenknecht. In der Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse stützt er sich auf die Bücher des französischen linken Ökonomen Thomas Piketty oder auf die Arbeiten von Christoph Butterwege, einem Politikwissenschaftler, der 2017 für die LINKE für das Amt des Bundespräsidenten kandidierte. Feindbilder sind dagegen „Marktradikale“, „Neoliberale“, „Libertäre“ – beispielsweise Ludwig von Mises, Milton Friedmann oder Friedrich August von Hayek.

Stecken Linke und das Großkapital unter einer Decke?

Die zentrale These der rechten Antikapitalisten: Linke Multikultideologen und das Großkapital stecken unter einer Decke. Die eigentlichen Profiteure der Massenzuwanderung seien die Kapitalisten, die damit ein großes Reservoir an billigen Arbeitskräften bekämen. Die linken Ideologen, die „offene Grenzen“ forderten, betrieben damit in Wahrheit eine Politik im Interesse des Kapitals. „Nicht ‚die Linke’, schreibt Kaiser in seinem Büchlein „Blick nach Links“, „forciert Massenmigration, auch wenn sie es aus ideologischem Antrieb heraus goutiert und medienwirksam akklamiert.

Forciert wird diese Entwicklung primär vom einst so bezeichneten ‚Großkapital’ in Form von Industrie- und Unternehmerverbänden.“ Ähnlich argumentiert übrigens Sahra Wagenknecht in ihren Schriften: die unkontrollierte Massenzuwanderung schwäche den Sozialstaat und liege in Wahrheit im Interesse des Kapitals, was nur die von ihr kritisierten „Lifestyle-Linken“ nicht erkennen wollten.

Rainer Zitelmann
PR Rainer Zitelmann

Zum Autor

Dr. Rainer Zitelmann ist promovierter Historiker und Soziologe. Er hat 27 Bücher geschrieben und herausgegeben, u.a. " Hitler: Selbstverständnis eines Revolutionärs", " Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung" und sein neues Buch: " Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten".

Hier bleiben indes Fragen: Warum eine Massenzuwanderung im Interesse „des Großkapitals“ sein soll, bleibt unerfindlich. Ja, „das Kapital“ will Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte nach Deutschland, und das ist nicht nur im Interesse der Unternehmen, sondern der gesamten Gesellschaft, weil nicht zu erkennen ist, wie realistischerweise die demografischen Probleme anders zu bewältigen sein sollen. Allerdings sollten für eine Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte die bürokratischen Hürden niedriger sein.

Allenfalls Lippenbekenntnisse zum Privateigentum

So wie sich linke Antikapitalisten – wie etwa Sahra Wagenknecht – plakativ zur „sozialen Marktwirtschaft“ bekennen, so sagen auch die rechten Antikapitalisten, sie seien zwar gegen den Kapitalismus, aber nicht gegen die Marktwirtschaft. Doch dieses Bekenntnis zur Marktwirtschaft kann man nicht ernst nehmen, da deren zentrale Elemente, wie etwa das Privateigentum, abgelehnt werden.

Formal bekennen sich freilich linke wie rechte Antikapitalisten heute oft zum Privateigentum, doch gemäß dem „Primat der Politik“ soll der Staat sehr enge Grenzen über die Verfügungsgewalt setzen und strikte Vorgaben machen. Kaiser zitiert zustimmend Axel Honneth, einen Theoretiker der „Frankfurter Schule“, der meint, man müsse hinterfragen, „warum das bloße Eigentum an Produktionsmitteln überhaupt einen Anspruch auf die damit erzielten Kapitalerträge rechtfertigen soll“.

Teile der Wirtschaft sollen verstaatlicht werden

Götz Kubitschek, einer der Vordenker der antikapitalistischen Rechten, fordert, „dass der Staat die Grundversorgung in den Bereichen Verkehr, Bankwesen, Kommunikation, Bildung, Gesundheit, Energie, Wohnraum, Kultur und Sicherheit als Staat sicherzustellen hat, nicht nur als Ordnungsrahmen rund um private Anbieter, denen es vor allem um die Filetstücke geht“. Die Aufgabe laute daher „Verstaatlichung bei gleichzeitiger Verschlankung der Bürokratie“ – wobei er nicht zu erkennen scheint, dass die Bürokratie zwangsläufig umso mehr wuchert, je stärker sich der Staat in die Wirtschaft einmischt.

Ein Buch von Rainer Zitelmann (Anzeige):

Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten: Zur Kritik der Kapitalismuskritik

Kaiser findet, man solle nachdenken über die Verstaatlichung aller Bereiche, der Wirtschaft, die für die Entwicklung des Landes von entscheidender Bedeutung sind, z.B. Schwerindustrie, Chemie und Transportwesen. Auch Elektrizitätswerke, Wasserwerke usw. sollten nicht privat betrieben werden. Großzügig wird dagegen zugestanden, dass die Leicht- und Konsumgüterindustrie „Betätigungsfeld für die genossenschaftliche und privatkapitalistische Initiative“ bleiben könnten.

Auch beliebt: Theoretiker der „Konservativen Revolution“ der Weimarer Republik

Marx, Engels und Lenin, auf die sich auch die rechten Antikapitalisten häufig beziehen, hätten die Ideologie der rechten Antikapitalisten als kleinbürgerlich-reaktionäre Kritik am Kapitalismus gebrandmarkt, da sie die gesellschaftliche Entwicklung zurückdrehen wollen. Suspekt sind alle Großunternehmen und „Konzerne“, idealisiert werden „Verbrauchergemeinschaften, genossenschaftlich organisierte Dorfgasthäuser, die in der Form eines gemeinsamen Festes eine Natural-Dividende ausgeben, sowie Bauernhöfe, die ihre Kleininvestoren kostenlos mit Lebensmitteln beliefern (Aktienrendite)“. Experimentierfeld für solche antikapitalistischen Träume solle Ostdeutschland sein. Immerhin, so argumentiert Kaiser, zeigten Umfragen, dass 75 Prozent der Ostdeutschen in einer sozialistischen Ordnung eine gute, aber falsch ausgeführte Idee sehen.

In Anlehnung an Otto Strasser, den Anführer der „linken Nationalsozialisten“, stellt Kaiser die Idee eines „Erblehens“ zur Debatte, das an Stelle des Privateigentums treten könne. Der Staat bliebe demnach alleiniger Eigentümer an Grund und Boden und Produktionsmitteln, überließe die Bewirtschaftung dem einzelnen „je nach Fähigkeit und Würdigung als Erblehen“.

Ausdrücklich beziehen sich die Autoren dieser Szene auf Theoretiker der „Konservativen Revolution“ der Weimarer Republik wie etwa Ferdinand Fried, der ein Autarkie-Konzept propagierte – auch wenn sie einräumen, dass eine reine Autarkie heute nicht möglich sei.

Wie bei Wagenknecht: Sozialpolitische Ideen gleichen denen der Linken

Das Bild einer „gehegten und gelenkten sozialen Marktwirtschaft“ bzw. der „gesteuerten sozialen Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts“ (Kaiser) hat tatsächlich sehr wenig mit Marktwirtschaft zu tun. Die Hoffnung der antikapitalistischen Rechten ist es, nationale und soziale Elemente in einer Bewegung zusammenzubringen, wobei beiden gemeinsam der Hass auf „die Reichen“ ist. Zustimmend zitiert Kaiser die Forderung des ehemaligen US-amerikanischen Arbeitsministers und Kapitalismuskritikers Robert B. Reich: „Wir müssen eine gemeinsame Bewegung schaffen, die Rechte und Linke zusammenbringt, um die reiche Elite zu bekämpfen“.

Verivox - Die Tarifexperten (Anzeige)

Jetzt Strompreise beim Testsieger vergleichen und kräftig sparen

Die kurzfristige Aufgabe sahen diese Kräfte zunächst darin, die wirtschaftsliberalen Elemente in der AfD zurückzudrängen bzw. aus der Partei zu drängen, um Platz zu machen für die von Björn Höcke und anderen propagierte Linie des „Sozialpatriotismus“. Man sollte die rechten Antikapitalisten nicht unterschätzen, denn dieses Ziel haben sie schon fast vollständig erreicht. Und dass die Synthese nationaler und sozialer Motive eine hohe Mobilisierungskraft hat, beweisen nicht nur entsprechende Bewegungen in Frankreich (wie etwa der Rassemblement National von rechts oder die linksnationale Mélenchon-Bewegung), sondern auch aus der deutschen Geschichte wissen wir, wie explosiv die Mischung von Nationalismus und Sozialismus werden kann.

Damit soll nicht gesagt werden, dass es sich bei den neurechten Antikapitalisten um Nationalsozialisten handelt, aber nationale Sozialisten sind es sicherlich. Wer die Bücher „Die Selbstgerechten“ von Sahra Wagenknecht (Vordenkerin der linken Antikapitalisten) und „Solidarischer Patriotismus“ von Benedikt Kaiser (Vordenker der rechten Antikapitalisten) vorurteilsfrei nebeneinanderlegt und vergleicht, wird sehr viel mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede erkennen.

Schützenpanzer Puma: Ex-Wehrbeauftragter schildert kuriosen Regel-Fall

FOCUS online/Wochit Schützenpanzer Puma: Ex-Wehrbeauftragter schildert kuriosen Regel-Fall
Finanzen Newsletter
Informiert sein, verstehen, die richtigen Entscheidungen treffen
Hier bekommen Sie Hintergründe zu aktuellen Finanz-Nachrichten.
Jeden Freitag als Newsletter.
* Mit einem * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder
Zum Thema
Sieben Punkte, die Hoffnung auf Frieden in der Ukraine geben

Gastbeitrag von Gabor Steingart

Sieben Punkte, die Hoffnung auf Frieden in der Ukraine geben

Deutsche Bauern wittern schnelles Geld mit Weizen-Krise - Özdemir schiebt Riegel vor!

Preise steigen und steigen

Deutsche Bauern wittern schnelles Geld mit Weizen-Krise - Özdemir schiebt Riegel vor!

Kiew will mit niedrigem Ölpreis russische Wirtschaft zerstören

Kriegsverlauf in der Ukraine im Ticker

Kiew will mit niedrigem Ölpreis russische Wirtschaft zerstören

Sie waren einige Zeit inaktiv, Ihr zuletzt gelesener Artikel wurde hier für Sie gemerkt.
Zurück zum Artikel Zur Startseite
Lesen Sie auch
Votum über Ukraine-Hilfe im Kongress: Kommt der Durchbruch?

USA

Votum über Ukraine-Hilfe im Kongress: Kommt der Durchbruch?

Niedersachsens AfD will neuen Landesvorstand wählen

Parteien

Niedersachsens AfD will neuen Landesvorstand wählen