Lenzburg
Neuer Anlauf für den Umbau der alten Futtersilos in Bürotürme

Mit einer Teiländerung der Bauordnung will die Stadt die Umnutzung der heutigen Silos in Bürogebäude in gleicher Höhe ermöglichen. Ist dies ein Signal, in welchem Gebiet künftig höher gebaut werden soll?

Ruth Steiner
Drucken
So soll das Bürogebäude aussehen.

So soll das Bürogebäude aussehen.

Visualisierung zvg

Es ist der zweite Versuch, mit dem die Silobrachen der früheren Futtermühle UFA/Fenaco an der Werkhofstrasse in Büros umgenutzt werden sollen. Im März 2010 war ein bereits pfannenfertiges Bauprojekt der Eigentümerin Camolino Immobilien AG, Schwyz, durch eine Einwendung gebremst worden.

Nun will die Stadt Lenzburg dem Bauvorhaben den Weg zur Realisation ebnen. Eine Teiländerung des Bauzonenplans und der Bauordnung im Gebiet der Sägestrasse soll dem Bauherrn ermöglichen, das Projekt mit einem rund 39 Meter hohen Büroturm, was der Höhe der heute vor sich hinrottenden Silos entspricht, wieder aus der Schublade zu holen.

Noch bis zum Montag liegen die Entwürfe der Teiländerung der Bau- und Nutzungsordnung auf dem Bauamt auf. Gleichzeitig können im Mitwirkungsverfahren Vorschläge zu den Entwürfen gemacht werden. In den künftigen Bürohäusern hat es Platz für rund 220 Arbeitsplätze.

Die Identifikation mit der Vergangenheit bleibt gewahrt: Doch aus den langsam vergammelnden UFA-Silos an der Werkhofstrasse sollen moderne Bürobauten entstehen.

Die Identifikation mit der Vergangenheit bleibt gewahrt: Doch aus den langsam vergammelnden UFA-Silos an der Werkhofstrasse sollen moderne Bürobauten entstehen.

Ruth Steiner

Räumliche Entwicklung steht an

Tatsache ist: Lenzburg wächst – die Landreserven dafür sind jedoch äusserst knapp. Ende 2014 hat der Stadtrat die Räumliche Entwicklungsstrategie (RES) verabschiedet und jetzt ein Mitwirkungsverfahren gestartet, bei dem sich die Bevölkerung aktiv einbringen kann. Mit dieser Entwicklungsstrategie will der Stadtrat das Wachstum Lenzburgs lenken. Gestern Abend hat er die Bevölkerung über den Planungsprozess informiert und sie zum Mitmachen an vier Workshops eingeladen.

Vor diesem Hintergrund kann man sich nun fragen, ob der vorliegende Änderungsantrag bereits ein Fingerzeig ist, in welchem Gebiet die Stadt in Zukunft durch einzelne Bauten in die Höhe wachsen soll. Diese Überlegungen will Stadtbaumeisterin Helen Bisang so jedoch nicht bestätigen. Sie sagt: «Das Aabachtal (wo die Silos stehen) wurde schon früh gewerblich genutzt. Grundsätzlich eignet sich der Standort Werkhofstrasse auch rein von der Topografie her für höhere Bauten.»

Dass die zwei Silos an dieser Stelle gebaut wurden, hat jedoch eher mit der Anbindung an das damalige Schienennetz der SBB zu tun. Wenn nun diese Silotürme in Bürohäuser mit gleicher Höhe umgenutzt werden, so macht das laut Helen Bisang Sinn. «Die Objekte sind von der Gestaltung her charakteristisch und identitätserhaltend für den Ort. Zudem ist die Nutzung bestehender Bauten eine Schonung der Ressourcen.»

Besitzstandgarantie griff nicht

Städtebaulich wertvolle Zeugen

Die kantonale Denkmalpflege hat die Silobauten vor sechs Jahren bei der Planung für eine Umnutzung gewürdigt als prägendes und prägnantes Zeichen im Gewerbegebiet von Lenzburg und als Zeugen der industriellen Vergangenheit der Stadt: «Sie sind sowohl von der Autobahn als auch von der Eisenbahn her gut sichtbar. Silobauten sind reine Nutzbauten, oft schmucklos und ohne weitere Ansprüche an die Gestaltung. Das trifft sicher auf den Silobau II zu, welcher aus den 1970er-Jahren stammt und einen heute dunkel getönten Sichtbetonbau ohne besonderen Gestaltungswillen zeigt. Ganz im Gegensatz dazu der aus den 1950er-Jahren stammende Silobau I vom bekannte Lenzburger Architekten Richard Hächler entworfen. Dieser ist ein Produkt bester Nachkriegsarchitektur und besticht durch eine filigrane Gestaltung und feine Detaillierung.» Die Stadtbildkommission hat sich 2009 zum damaligen Bauprojekt ebenfalls geäussert: «Die nun vorliegende Visualisierung zeigt eine sehr ausgereifte Lösung. Die Dualität zwischen dem älteren und jüngeren Silo sowie die Adaption der gegebenen Architektursprache beim ‹Hächler›-Silo vermitteln einen hohen Erinnerungswert an die ursprüngliche Nutzung.» Zudem würdigte die Kommission den grossen Aufwand der Bauherrschaft für das Projekt: Sie hatte rund 50 Varianten erarbeitet. (str)

Für solche nachträglich ungesetzlich gewordenen Bauten kennt die Baugesetzgebung jedoch die sogenannte Besitzstandsgarantie. Beim vorliegenden Projekt würde das heissen, dass das Bürogebäude in der heutigen Silohöhe grundsätzlich belassen und umgenutzt werden kann, ohne Änderung der bestehenden Nutzungs- und Zonenplanung. Doch ist die Besitzstandsgarantie mit Auflagen verbunden: So muss die tragende Struktur der bestehenden Baute bei einer Umnutzung zu zwei Dritteln bestehen bleiben.

Genau dieser Punkt brachte das Projekt vor fünf Jahren zu Fall. Die innere Tragstruktur ist nämlich auf eine Silonutzung ausgelegt und muss verändert werden, um überhaupt Büros zu ermöglichen. Weil das Schlupfloch der Besitzstandgarantie nicht greift, soll die Bauordnung aus dem Jahr 1997 mit einen Zusatz-Passus ergänzt werden.

Dieser sieht vor, innerhalb der bestehenden Silogrundrisse Bauten in der Höhe von 42 Meter zuzulassen. Gleichzeitig werden weitere Auflagen gemacht. So muss die Hausfassade so gestaltet werden, dass eine Wiedererkennung mit der ursprünglichen Nutzung als Futtersilo augenscheinlich ist. Ebenso müssen die unterschiedlichen Zeitepochen, in denen die Silos erstellt wurden, ersichtlich sein. Die oberirdisch zulässigen Parkfelder sollen auf 70 begrenzt werden. Mindestens 20 Prozent der Umgebung muss begrünt und naturnah gestaltet werden.

Potenzial eines Musterbeispiels

Wenn Lenzburg für das Gebiet der Silobauten Werkhofstrasse eine Teiländerung des Zonenplans anstrebt, passiert das im Einklang mit dem Raumkonzept Aargau. Dieses ist Teil des Kantonalen Richtplans. Darin wird Lenzburg als Kernstadt im urbanen Entwicklungsraum bezeichnet. Die vorgesehene Förderung von Arbeitsplätzen sei in solchen Entwicklungsräumen erwünscht, heisst es im Planungsbericht von Marti Partner Architekten und Planer AG, Zürich und Lenzburg. Für Planer und Stadtbauamt hat «die vorgesehene Umwandlung der stillgelegten Silobauten in ein Arbeitsplatzhochhaus das Potenzial eines Musterbeispiels.»