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Panorama Detroit, Motor City

Der „Walking Man“ hat Angst um sein Leben

James Robertson, 56, nach der Arbeit auf dem Weg nach Hause James Robertson, 56, nach der Arbeit auf dem Weg nach Hause
James Robertson, 56, nach der Arbeit auf dem Weg nach Hause
Quelle: AP
Der Mann ging jeden Tag 34 Kilometer zu Fuß zur Arbeit in Detroit. Dann spendeten die Leute viel Geld für ihn – und ein Auto. Nun musste James Robertson vor neuen und alten Freunden fliehen.

Es wäre das Happy End einer Geschichte gewesen, die Hollywood nicht schöner hätte schreiben können. Ein 56 Jahre alter Mann geht seit zehn Jahren jeden Tag 34 Kilometer zu Fuß zur Arbeit, weil er sich kein Auto leisten kann und ihn weder Bus noch Bahn an das Fließband in seiner Fabrik bringen können. Ein Student hört von dem ungewollten Marathon-Mann, sammelt im Internet 350.000 Dollar an Spenden, und ein Autohaus schenkt ihm auch noch einen neuen, 35.000 Dollar teuren Ford Taurus.

Ende gut, alles gut, sollte man meinen. Und das für einen Mann, der sich über seine Mühsal nie beschwerte, nie am Arbeitsplatz fehlte und der das plötzliche Glück eigentlich verdient hatte.

Doch die Geschichte stammt nicht aus einem der zahlreichen Tränendrüsenfilme Hollywoods. Sie spielt in Detroit, im wahren Leben. Und in dem herrschen meist andere Gesetze. Das musste jetzt auch James Robertson erfahren, der als „Walking Man“ berühmt wurde. Er hatte mit seinem Pendlerdasein weltweit für Schlagzeilen gesorgt.

James Robertson hat diesen roten Ford Taurus Anfang Februar als Geschenk bekommen
James Robertson hat diesen roten Ford Taurus Anfang Februar als Geschenk bekommen
Quelle: REUTERS

Aus Angst um sein Leben musste der 56-jährige Robertson jetzt aus seiner Wohnung flüchten. Nachbarn, aber auch wildfremde Menschen hatten vor seiner Tür gestanden und Geld gefordert. Als die „neuen Freunde“ ihn immer massiver bedrängten, alarmierte er die Polizei. Die Beamten halfen ihm beim Packen und brachten ihn für die nächsten Tage an einen sicheren und unbekannten Ort.

Jetzt sucht Robertson eine neue Bleibe, am liebsten nahe seines Arbeitsplatzes – und offenbar auch fern seiner Freundin.

Mit Gewalt gedroht, wenn er kein Geld rausrückt

„Er fühlte sich nicht mehr sicher und hat uns angerufen“, sagte Polizeisprecher Aric Tosqui gegenüber der “Detroit Free Press“. Die Leute hätten verlangt, dass er seinen neuen Reichtum mit ihnen teile. „Sie haben ihm sogar mit Gewalt gedroht, wenn er das Geld nicht rausrückt.“

Doch so richtig Angst um sein Leben bekam Robertson erst wegen eines anderen Verbrechens, das in seiner unmittelbaren Nachbarschaft geschah. Er wohnt in einem Bezirk mit notorisch hoher Kriminalitätsrate. Im Dezember war dort ein 86-jähriger Mann ermordet worden, der drei Tage zuvor 20.000 Dollar im Lotto gewonnen hatte. Der Täter wurde jetzt verhaftet. „Er kannte diese Geschichte“, sagte Tosqui. „Und er wusste auch noch von einem anderen Fall aus Detroit, wo ebenfalls ein Mann nach einem plötzlichen Geldgewinn getötet wurde.“

Ich will einfach nur noch weg hier
James Robertson zur Polizei

Dabei hat Robertson von den insgesamt 350.001 Dollar noch keinen Penny gesehen. In dieser Woche will sich der Mann, der nie viel Geld besessen hatte, mit einem Finanzberater treffen. Ein Freund von ihm ist Bankdirektor. Dieser hatte ihn manchmal bei seinem täglichen Weg zur Arbeit ein paar Kilometer mitgenommen.

Der neue Reichtum hat offenbar aber auch zu einer Krise in Roberts Liebesbeziehung geführt. Tayna Fox, mit der er seit Jahren im selben Haus wohnt, hat keine Ahnung, wohin ihr Lebensgefährte gezogen ist. „Er hat mir seine neue Adresse nicht gegeben“, sagte sie, betonte aber sofort, dass die beiden „immer noch ein Paar“ seien. „Wir leben seit 15 Jahren zusammen. Und ich bin weiterhin seine Lady“, sagte die 60-Jährige. Bei Robertson klingt das allerdings ein bisschen anders. „Sie wollte schon immer alles und jeden kontrollieren“, sagte er und machte den Eindruck, als ob er die Gelegenheit nutzen wollte, einen Schlussstrich unter seine Beziehung zu ziehen.

„Ich tue nur, was ich tun muss“

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Die „Detroit Free Press“ hatte als Erste über das Schicksal von Robertson berichtet. Für den „Walking Man“ war der lange Weg zur Arbeit aber offenbar „kein großer Deal“. „Ich tue nur das, was ich tun muss, um morgens zur Arbeit zu kommen“, sagte Robertson dem People-Magazin. Und das bei jedem Wetter und zu jeden Jahreszeit. „Meine Eltern haben mich gelehrt, hart zu arbeiten und immer pünktlich zu sein.“

Insgesamt sechs Stunden brauchte Robertson dabei täglich für jeden Weg. Der ungelernte Arbeiter ging um acht Uhr morgens los, damit er pünktlich um 14 Uhr in seiner Fabrik zur Herstellung von Plastikteilen sein konnte. Nach der Spätschicht kam er dann erst gegen vier Uhr morgens wieder nach Hause. Im Internet wurde Robertson mit seiner Geschichte und seiner Bescheidenheit schnell zum Helden. Viele fühlten sich inspiriert und wollten spontan helfen.

Der Student Evan Leedy, mittlerweile ein Freund von Robertson, hatte die Geschichte auch gelesen und spontan auf „GoFundMe.com“ eine Spendenaktion gestartet. Insgesamt 350.001 Dollar kamen für Robertson zusammen, 13.242 Menschen hatten sich daran beteiligt. Und als ein Autohaus in Detroit Robertson dann auch noch unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen ein Auto schenkte, schien das Glück perfekt.

Der Ford Taurus steht bei der Polizei

„Mir fehlen die Worte, um zu beschreiben, wie dankbar ich für all das bin, was ihr für mich getan habt“, bedankte sich Robertson später in einer Videobotschaft.

Doch der plötzliche Reichtum eines Mannes, der bisher 10,55 Dollar die Stunde verdiente und dem am Ende des Monats nach Abzügen 1268 Dollar übrig blieben, hatte ganz offensichtlich auch seine negativen Seiten.

„Ich will einfach nur noch weg hier“, bat ein verzweifelter und besorgter Robertson die Polizei um Hilfe. Er habe Angst um sein Leben und brauche einen sicheren Platz für sich und auch für sein neues Auto.

Der Ford Taurus steht zurzeit auf einem Parkplatz bei der Polizei. Ob Robertson damit jemals zur Arbeit fahren wird, ist mittlerweile mehr als fraglich. Er hat zehn Jahre keinen Wagen besessen und ist in der Zeit auch nicht Auto gefahren. Die Versicherung verlangt deshalb eine Prämie von jährlich 15.000 Dollar. Nicht nur für Robertson, der seinen bescheiden bezahlten Job nicht aufgeben will, eine horrende und unbezahlbare Summe.

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