Berlin. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja wirft der rot-rot-grünen Koalition vor, die Mietenkrise selbst verschuldet zu haben.

Die Opposition hält gar nichts von den Plänen des Senats. FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja formuliert die Kritik.

Herr Czaja, verstehen Sie, dass eine Stadtregierung gegen Mieten von 15, 16 Euro pro Quadratmeter in früheren Arbeiterquartieren vorgehen will?

Sebastian Czaja Steigende Mieten sind eine Folge politischer Fehler, die Rot-Rot-Grün unbeirrt weiterführt. Die 65.000 landeseigenen Wohnungen, die unter Rot-Rot damals verschleudert wurden, werden jetzt einfach milliarden-teuer zurückgekauft, statt jeden Cent in den Neubau zu stecken. Allein 15.000 Wohnungen im unteren und mittleren Segment zwischen fünf und acht Euro konnten unter diesem Senat nicht gebaut werden. Lieber liquidiert Frau Lompscher ein Neubau-Vorhaben nach dem anderen.

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Es gibt ja den Mietspiegel, auf den sich alle geeinigt haben. Nur wird der oft nicht eingehalten.

Tatsächlich gibt es einen Mietspiegel, der gesellschaftlicher Konsens ist – das erste Mal haben alle Mieter- und Vermietervertreter mitgezeichnet. Die angebliche Notwehr der Linkskoalition ist doch allein eine Reaktion auf das eigene Versagen. In einem Zeitalter der Niedrigzinspolitik verfestigt man bewusst die Knappheit am Wohnungsmarkt mit allen Negativ-Folgen für die Mieter. Diese Situation haben wir, weil in Berlin 194.000 Wohnungen fehlen. Unsere Leerstandsquote liegt bei 1,3 Prozent. Unter diesem Druck des Mietmarkts wird jeder Konsens zerstört.

Diese Mietpreisobergrenzen sollen gesetzlich festgelegt werden.
Diese Mietpreisobergrenzen sollen gesetzlich festgelegt werden.

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Wohnungsnot gibt es in anderen Städten auch, unabhängig von der Partei, die regiert. Liegt nicht ein Marktversagen vor?

Der Trend zur Urbanisierung ist ungebrochen, doch in Berlin haben wir eine zusätzliche Schwierigkeit: Als attraktive Metropole in der Mitte Europas erleben wir auch einen starken internationalen Zuzug. Wir müssen über den Wohnungsnotstand reden. Der Senat müsste alles diesem Thema unterordnen und den Neubau mit allen Mitteln vorantreiben. Im Zweifel müsste immer zugunsten von Wohnungsbau entschieden werden.

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Aber Bauen, Bauen, Bauen hilft doch den Leuten, die von Mietsteigerung betroffen sind, aktuell nicht weiter, sondern erst wenn die Wohnungen fertig sind.

Wir müssen ja dahin kommen, dass die Wohnungen schneller an den Markt kommen. Dazu müssen die politischen Rahmenbedingungen so geändert werden, dass schneller gebaut wird und man nicht vier bis fünf Jahre auf Baugenehmigungen warten muss. Wenn ich die Situation als Wohnungsnotstand verstehe, kann ich so etwas stark beschleunigen.

Aber was bietet die FDP den Mietern an?

Wirkungsvolle Sofortmaßnahmen! Eine Halbierung der Grundsteuer würde die Mieter sofort und rechtssicher entlasten, bedürftige Bürger würden wir durch Subjektförderung unterstützen. Und wir brauchen einen Mieten-TÜV.

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Was kann der Mieten-TÜV?

Alle Entscheidungen der Parlamente, etwa Anforderungen an den Wohnungsbau oder an die energetischen Standards, haben große Auswirkungen auf Mietkosten. Die Energieeinsparverordnung und die Novellierung 2016 haben zu einer Steigerung der Baukosten um 16 Prozent geführt. Die Koalition versucht jetzt, das beim Bund liegende Wohn- und Mietrecht mit Landesrecht zu verschärfen.

Könnten Sie denn mit einem reinen Mietenmoratorium leben?

Wir haben bereits einen vereinbarten Mietspiegel – welchen Effekt hätte dann ein Mietenmoratorium? Die Linkskoalition entzieht sich immer wieder den Realitäten und dem Notwendigen. Das haben wir schon in der irrwitzigen Frage der Enteignung erlebt, wo man sich unreflektiert auf alle Immobilienkonzerne eingeschossen hat. Die Kernfrage nach der Verantwortung eines Vermieters gegenüber seinen Mietern ist dabei überhaupt nicht betrachtet worden. Das gleiche erleben wir jetzt wieder beim Mietendeckel. Wenn man frühzeitig ein breites Bündnis von Mietern, Vermietern und Verbänden an den Tisch geholt hätte mit dem Ziel, unseren Wohnungsmarkt in den Griff zu bekommen und eine Lösung zu suchen, die nicht Tausende Arbeitsplätze im Handwerk gefährdet, die nicht die Stimmung in der Stadt aufheizt, dann wäre es eine andere Ausgangslage gewesen. Mein Eindruck ist: Das wurde politisch nicht gewollt. Die Linke und ihre Senatorin profitieren nachweislich von gesellschaftlicher Spaltung und Unzufriedenheit.

Viele Mieter sollen ja ihre Miete senken dürfen. Ist es eigentlich so schlimm, wenn Immobilienbesitzer weniger Rendite erzielen?

Der Mietendeckel differenziert nicht. Er macht keinen Unterschied, ob sie als Einzelvermieter eine bezahlbare Miete verlangt haben oder ob sie ein Großvermieter mit Renditeerwartungen sind.

Das Problem trifft doch vor allem jene Leute, die eine Wohnung zu Preisen erworben haben, die sich mit Mieten nach der Mietendeckel-Tabelle nicht refinanzieren lassen.

Jede Investition birgt ein Restrisiko. Wir können doch aber froh sein, dass Menschen ins Risiko gehen und Wohnraum schaffen. Zwischen 2011 und 2016 haben ausschließlich Private in unserer Stadt bezahlbaren Wohnungen geschaffen. Mit dem Mietendeckel steht jetzt in vielen Fällen die Frage im Raum, ob die weitere Kreditfinanzierung überhaupt möglich ist. Das Risiko ist, dass viele Vermieter das nicht mehr leisten können. Dann kauft ein Fonds aus Fernost diese Wohnungen auf, und der Mieter hat garantiert weniger Sicherheit.

Was werden sie als FDP jetzt machen außer im Abgeordnetenhaus gegen den Mietendeckel zu stimmen?

Wir werden dagegen klagen. Wir werden den Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin anrufen, die Kollegen im Bund das Bundesverfassungsgericht. Eine solche Normenkontrollklage richtet sich zunächst ausschließlich gegen das Verfahren. Man kann einen solchen Tabubruch nicht zulassen. Das Land Berlin hat sich einer Sache bedient, über die es keine Verfügungsgewalt hat. Die Zeit, die der Senat in den vergangenen Monaten an der Grenze zum Koalitionsbruch über des Rechtskonstrukt Mietendeckel gestritten hat, hätte man besser für eine zeitnahe Entlastung der Mieter nutzen können.