Ihre Fahrzeuge sind nicht einsatzfähig. Ihre Flugzeuge stranden auf dem Weg nach Afrika auf einer Insel. Bei ihren Helikoptern fällt einfach die Bewaffnung ab. Täglich kommen neue Hiobsbotschaften hinzu. Die Bundeswehr scheint plötzlich nur noch einen Haufen Schrott zu besitzen.
Über das Wort „plötzlich“ können Rüstungsexperten nur lachen. Intern sind die Probleme seit langem bekannt. Dabei ist eine defekte Transall nur Symptom für Probleme, die weit tiefer gehen und den Zustand von Deutschlands Armee grundsätzlich in Frage stellen. Schon 2011 galt keine Armee der Nato als weniger effizient und schlechter ausgerüstet als die Bundeswehr.
Da kann die Regierung noch so sehr betonen, dass die gegenwärtigen Einsätze nicht gefährdet sein: Die Probleme der Bundeswehr sind gigantisch. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen selbst spricht von einer „richtig großen Baustelle“.
„Keiner kümmert sich“
Kein Verteidigungsminister der vergangenen Jahre habe sich intensiv mit dem Grundbetrieb der Armee befasst, räumt von der Leyen mittlerweile selbst ein. „Vergleichen Sie die Bundeswehr mit einem Auto, das weiterverkauft wird“, sagt Heinz Schulte, Chef des Informationsdienstes Griephan und deutscher Rüstungsexperte. „Jeder neue Fahrer weiß, dass Reparaturen nötig wären. Aber so lange noch alles läuft, kümmert sich keiner.“ Statt das Getriebe zu warten, wird neu lackiert.
Einsatzbereitschaft der Waffensysteme der Bundeswehr
Ein nicht unerheblicher Teil des Materials der Bundeswehr ist momentan nicht einsatzfähig. Es fehlt auch an Ersatzteilen. Besonders beim Fluggerät sind die Ausfälle gravierend. Das geht aus einem Bericht der Bundeswehr hervor.
Quellen: Bundeswehr/dpa
Bestand: 31
Nicht einsatzbereit: 21
In Wartung / Instandsetzung: 0
Einsatzbereit: 10
Bestand: 33
Nicht einsatzbereit: 25
In Wartung / Instandsetzung: 0
Einsatzbereit: 8
Bestand: 21
Nicht einsatzbereit: 6
In Wartung / Instandsetzung: 12
Einsatzbereit: 3
Bestand: 22
Nicht einsatzbereit: 4
In Wartung / Instandsetzung: 14
Einsatzbereit: 4
Bestand: 83
Nicht einsatzbereit: 40
In Wartung / Instandsetzung: 27
Einsatzbereit: 16
Bestand: 109
Nicht einsatzbereit: 35
In Wartung / Instandsetzung: 32
Einsatzbereit: 42
Bestand: 89
Nicht einsatzbereit: 23
In Wartung / Instandsetzung: 28
Einsatzbereit: 38
Bestand: 5
Nicht einsatzbereit: 3
In Wartung / Instandsetzung: 0
Einsatzbereit: 2
Bestand: 11
Nicht einsatzbereit: 3
In Wartung / Instandsetzung: 1
Einsatzbereit: 7
Bestand: 4
Nicht einsatzbereit: 3
In Wartung / Instandsetzung: 0
Einsatzbereit: 1
Bestand: 406
Nicht einsatzbereit: 126
In Wartung / Instandsetzung: 0
Einsatzbereit: 280
Bestand: 180
Nicht einsatzbereit: 110
In Wartung / Instandsetzung: 0
Einsatzbereit: 70
In den vergangenen Jahren wurde der Bundeswehr sogar Geld für Wartungsaufgaben entzogen. Der Verteidigungsetat lag zuletzt bei 32,8 Milliarden Euro, leicht unter Vorjahreswert. Das reicht laut SIPRI-Bericht immerhin für Platz 7 der Weltrangliste. Gemessen an der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands sind die Militärausgaben aber viel zu gering, sagen Bündnispartner. Die Bundesrepublik gibt nur 1,3 bis 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Armee aus. Zwei Prozent gelten auf Nato-Ebene als annehmbarer Wert.
Viel gravierender: Der Anteil der Mittel, der für Material ausgegeben wird, ist in den vergangenen Jahren auf 16 Prozent gesenkt worden. Die Nato gibt 20 Prozent als Ziel vor, besser wären 30. Die Folge des Spardrucks: Wichtige Ersatzteile wurden nicht bestellt und fehlen nun für Reparaturen. Korrigieren lässt sich das nicht so einfach. Die Produktion von komplexen Ersatzteilen dauert Monate, in Extremfällen bis zu zwei Jahre. Die Folgen bekommt die Bundeswehr gerade mit voller Härte zu spüren.
Doch das ist nur die eine Seite des Mängelproblems. Denn trotz aller Baustellen, trotz aller Geldsorgen sind 2013 etwa 1,5 Milliarden Euro an den Bundeshaushalt zurückgeflossen, in diesem Jahr sei es voraussichtlich eine Milliarde.
Das mag am Missmanagement liegen, wie die Opposition gerade betont. Aber auch daran, dass viele Mittel für Rüstungsgüter nicht abgerufen worden, weil die Industrie nicht rechtzeitig lieferte. Und auch das führt zu den hohen Schadens Pannen und Peinlichkeiten. Die Bundeswehr benutzt Geräte, die längst ausgemustert sein sollten. Weil es aufgrund von Lieferproblemen beim A400M keinen Ersatz gibt, muss etwa der veraltete Transportflieger Transall gerade Höchstleistungen bringen und entwickelt sich deshalb zum besonderen Sorgenkind: Gerade einmal 24 von 56 Flugzeugen sind derzeit einsatzbereit.
Verspätungen mit Ansage
Dass sich Rüstungsprojekte verspäten und immer teurer werden, hat Tradition. Der Kampfhubschrauber Tiger wurde seit Mitte der Achtziger entwickelt, ein erster Prototyp flog 1991, aber die Bundeswehr konnte die Hubschrauber erst 2013 nach dutzenden Umbauten, Korrekturen und Modernisierungen zur Unterstützung in Afghanistan einsetzen.
Ebenfalls in den Achtzigern entwickelten Industrie und europäische Armee einen neuen Kampfjet. Es dauerte Jahrzehnte. Der als „Jäger 90“ geplante Flieger wurde erst in Eurofighter 2000 umbenannt und erst 2006 als Eurofighter Typhoon erstmals in Dienst gestellt. Ein Name ohne Jahreszahl schien den Verantwortlichen am Ende wohl sicherer.
Die Konstruktion dauerte nicht nur länger, sie wurde auch sehr viel teurer. 65 Millionen D-Mark sollte das Flugzeug laut Planungen 1988 kosten. Der Stückpreis explodierte, liegt mittlerweile bei knapp 139 Millionen Euro.
Als Kunde verliert die Bundeswehr an Bedeutung
Tiger und Eurofighter sind keine Einzelfälle. Seit dem Sommer prüft ein Konsortium im Auftrag des Verteidigungsministeriums die die kostspieligsten Pannen-Projekte. Auf der Prüfungsliste stehen auch das Transportflugzeug A400M, der Transporthelikopter NH90, die Fregatte 125 und das Drohnen-Projekt Eurohawk. Insgesamt werden laut Verteidigungsministerium Waffen-Deals im Gesamtwert von etwa 50 Milliarden Euro unter die Lupe genommen. Keiner davon verlief ohne Probleme, ohne Verspätung, ohne erhebliche Preissteigerungen.
Die Ergebnisse sollen am Montag vorgestellt werden. „Das wird nochmal ungemütlich werden”, kündigte Verteidigungsministerin von der Leyen bereits an. Eine interessante Wortwahl nach den Enthüllungen der vergangenen Tage. Dass es gerade bei großen Rüstungsprojekten immer wieder zu schweren Problemen kommt, hat mehrere Gründe. Sie lassen sich exemplarisch an den Pannen-Projekten von Heer, Luftwaffe und Marine aufzeigen, stehen jedoch nie allein.
Veränderte Grundlagen
Die Schwierigkeiten beginnen schon bei der Ausganglage: Das Verhältnis zwischen Armee und Rüstungsindustrie hat sich in den vergangenen 30 Jahren gewandelt. Zur Zeit des Kalten Krieges bestellte die Bundeswehr gleich Hunderte Leopard-Panzer auf einen Schlag. Mehr als 2100 waren 1990 für die Bundeswehr im Einsatz. Nach Abschluss der Neuausrichtung sollen noch 225 bleiben.
Neue Waffensysteme werden längst in kleineren Stückzahlen bestellt und in den Einsatz geschickt. Mit der deutschen Armee als einzigem Kunden könnte kein großes Rüstungsunternehmen überleben.
Die Unternehmenslogik, die daraus folgt, ist nachvollziehbar: Produziert wird, was sich gut exportieren und verkaufen lässt. Und das ist zunächst einmal Standardware, die in vielen Ländern an zum Einsatz kommt. 2013 betrug der Auslandsanteil des deutschen Waffenkonzerns Rheinmetall schon 72 Prozent. Tendenz steigend.
Sonderwünsche wie Eigenproduktionen oder Umrüstungen für deutsche Bedürfnisse werden erfüllt, kosten aber extra. „Wir haben keine abgestimmte Industriepolitik zwischen der Bundeswehr und einer Industrie, die nicht mehr auf die Bundeswehr angewiesen sein kann“, sagt Rüstungsexperte Schulte.
Braucht die Bundeswehr mehr Geld?
Die Bundesregierung hat bisher nicht vor, die Finanzmittel für die Bundeswehr wesentlich aufzustocken. Im Haushaltsplan für 2015 gehört der Verteidigungsetat zu den wenigen Posten, bei denen gekürzt wurde - wenn auch nur um 0,5 Prozent. Bis 2018 ist eine leichte Steigerung von 32,3 auf 36,86 Milliarden Euro vorgesehen. Angesichts der Ausrüstungslücken bei der Bundeswehr wird jetzt der Ruf nach einer deutlich stärkeren Erhöhung lauter. Was spricht dafür und was dagegen?
Quelle: dpa
Deutschland will mehr Verantwortung in der Welt übernehmen. Bei den Verteidigungsausgaben liegt es aber weit hinter den wichtigsten Nato-Partnern zurück. Während der Bundesregierung Armee und Ausrüstung nur 1,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts wert sind, investieren die USA 4,4 Prozent in ihr Militär, Großbritannien 2,4 Prozent und Frankreich 1,9 Prozent. Erklärtes Nato-Ziel ist es, zwei Prozent des BIP für die Verteidigung auszugeben. Das bekräftigte das Bündnis auch bei seinem Gipfeltreffen in Wales Anfang September - mit dem Einverständnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
Zumindest bei der Beschaffung von Ersatzteilen gibt es eine Finanzlücke. Die Mittel dafür wurden 2010 gekürzt. Militärs beklagen, dass die Bundeswehr heute noch darunter zu leiden hat.
Auf die Bundeswehr kommen immer wieder neue Aufgaben hinzu. Die Nato will ihre Reaktionsfähigkeit im Krisenfall verbessern. Der Kampf gegen den islamistischen Terrorismus wird möglicherweise noch Jahre dauern. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat den Vereinten Nationen auch ein stärkeres Engagement Deutschlands bei Blauhelmeinsätzen in Aussicht gestellt. Das alles geht nicht ohne modernes, robustes und gut gepflegtes Material.
Die Bundeswehrreform wurde nach dem Prinzip „Breite vor Tiefe“ entworfen. Das heißt: Die Truppe soll alles können und braucht dafür in jedem Bereich die entsprechende Ausrüstung. Das kostet. Bleibt man bei diesem Prinzip, muss auch Geld dafür zur Verfügung gestellt werden.
Das Rüstungsproblem der Bundeswehr ist nicht in erster Linie ein finanzielles Problem, sondern ein Managementproblem. Das macht sich schon daran bemerkbar, dass im vergangenen Jahr insgesamt 1,5 Milliarden Euro des Verteidigungsetats gar nicht ausgeschöpft wurden.
Das Prinzip „Breite vor Tiefe“ widerspricht den Bestrebungen von Nato und EU, innerhalb der Bündnisse Aufgaben zu teilen. Diese Bemühungen kommen bisher allerdings nur schleppend voran. Man könnte sich stärker dafür einsetzen, um zu einem effizienteren Rüstungssektor zu kommen.
Je mehr verschiedene Militärgeräte es gibt und je geringer die Stückzahlen, desto größer ist auch der Wartungs-, Instandhaltungs- und Ausbildungsaufwand. Deswegen könnte eine stärkere Spezialisierung der Bundeswehr Kosten sparen.
Bei der Beschaffung neuer Rüstungsgüter kommt es regelmäßig zu Verzögerungen und Kostensteigerungen, denen man durch ein besseres Vertragsmanagement entgegenwirken kann. Nur einige Beispiele: Der Kampfhubschrauber „Tiger“ sollte im Dezember 2002 ausgeliefert werden. Daraus wurde Juli 2010. Auf den Transporthubschrauber NH90 musste die Bundeswehr sogar neun Jahre länger warten als ursprünglich vorgesehen. Die Kosten für die Fregatte 125 haben sich im Laufe der Entwicklung von 656 Millionen auf 758 Millionen Euro erhöht. Der Preis für ein Transportflugzeug A400M stieg wegen einer nachträglichen Reduzierung der Stückzahl von 124,79 auf 175,31 Millionen Euro.
Zugleich wollen die großen EU-Nationen aber auch nicht auf die heimische Rüstungsindustrie verzichten. Um den Bestand zu schützen, verteilt auch die Bundeswehr Aufträge häufig bewusst an deutsche Unternehmen. Es ist eine einfache Rechnung mit einem ungünstigen Ausgang für die Bundeswehr: Weniger Bestellungen und die Fokussierung auf heimische Armeen führt zu einer schlechteren Verhandlungsposition. Zudem erzeugt diese Situation weitere Probleme, die sich potenzieren.
Permanente Nachbesserungen
Die Oberen der Bundeswehr wollen für die Soldaten beste und modernste Geräte. Daran ist nichts falsch. Doch von der Entwicklungsphase bis zur Fertigstellung von Panzern oder Flugzeugen dauert es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. In diesem Zeitraum ändern sich die Anforderungen an das Produkt. Technik wird weiter entwickelt, die Weltlage ändert sich, neue Krisensituationen und Einsatzziele entstehen. Dafür müssen einmal bestellte Fahrzeuge und Flieger angepasst werden.
Das ist nicht so leicht. Die Systeme sind nicht modular aufgebaut, müssen aber perfekt zusammenspielen. Schon eine kleinere Änderung, ein neuer Adapter, ein neuer Anschluss, eine verbesserte Software kann große Änderungen nach sich ziehen.
Geburtsfehler und Probleme bei Gemeinschaftsprojekten
Beispiel A400M: Der dringend benötige Nachfolger der Transall ist seit vier Jahren überfällig. Im Winter diesen Jahres soll Deutschland zwar endlich das erste Exemplar bekommen. Doch der Flieger bereitet offenbar noch immer Probleme. Zudem übersteigen Entwicklung und Herstellungskosten den Plan schon jetzt um einen Milliardenbetrag. Ursula von der Leyen geht öffentlich auf Konfrontationskurs, zetert wegen der verspäteten Lieferung und droht dem Hersteller Airbus wegen der „Minderleistungen” gar mit einem Abnahmestopp.
Für Branchenkenner stellt sich die Situation freilich weniger einseitig dar. „Da kann sich das Ministerium nicht aus der Verantwortung stehlen“, sagt Militärexperte und Unternehmensberater Michael Santo. „Denn die Auftragsvergabe bei der Bundeswehr erfolgt nach einem fatalen Grundprinzip: Ich bestelle, und danach beginne ich an den Spezifikationen zu schrauben, nach und neu zu verhandeln. Die Komplexität wächst ins Unermessliche.“
Gezielte Vergabe an europäische Unternehmen
Für viele Militärexperten hatte schon die Bestellung des Transportfliegers einen Geburtsfehler. Die A400M ist ein Gemeinschaftsprojekt: Am Entwurf waren neben Deutschland auch Frankreich, Spanien und das Vereinigte Königreich beteiligt. Das Konsortium wünschte sich offenbar ein Prestigeobjekt, das in europäischer Eigenregie entsteht. „Statt auf das Triebwerk eines erfahreneren kanadischen Anbieters zu setzen, haben die Regierungen entschieden, Airbus ein neues entwickeln zu lassen“, sagt Schulte. „Das musste ja zu Problemen führen.“
Tatsächlich machten in der Vergangenheit vor allem die Triebwerke Schwierigkeiten. Plötzlich tauchten etwa Metallspäne im Ölkreislauf einer der Antriebseinheiten auf. Und allein weil Luftfahrtexperten die Überwachungssoftware nicht zulassen wollten, verzögerte sich die Auslieferung um ein volles Jahr.
Probleme bei Gemeinschaftsprojekten sind keine Seltenheit. Die gibt es auch beim Langzeitproblem Tiger-Hubschrauber: Wegen den zahlreichen Verzögerungen, Problemen und einer veränderten Bedarfslage reduzierte die Bundeswehr 2013 ihre Bestellung. Statt der ehemals georderten 80 Tiger braucht die Armee nur 57 Exemplare. Das klingt sinnvoll und birgt Sparpotenzial, sollte man meinen.
Doch der Tiger ist kein Projekt eines einzigen Unternehmens, auch wenn Airbus Helicopters die Federführung übernommen hat. Hersteller aus ganz Europa liefern Einzelteile zu – in unterschiedlicher Geschwindigkeit. „Weil die Italiener die hochkomplexen Kampfsitze bereits gefertigt haben, fordern sie für die geringere Bestellung eine hohe Ausgleichszahlung“, sagt Schulte. „Da muss man sich doch fragen, wie wirtschaftlich das noch ist.“
Abstimmung zwischen vielen Partnern
Aber nicht nur bei europäischen Gemeinschaftsprojekten sorgen die unterschiedlichen Interessen der Vertragspartner und vor allem die Beteiligung mehrerer Unternehmen für Probleme und hohe Kosten.
Um nicht auf ein einzelnes Unternehmen angewiesen zu sein, lässt etwa die Marine ihre Flotte von verschiedenen Firmen produzieren. „Ein einzelner Einsatzgruppenversorger wird von einer Arbeitsgemeinschaft aus drei Werften hergestellt“, sagt Schulte. „Das würde natürlich kein Schiffbauer in der Privatwirtschaft machen.“
Die Beteiligung mehrere Produzenten treibt die Kosten in die Höhe. Der Stückpreis der von gleich vier Werften produzierten Fregatte 125 hat sich im Laufe der Entwicklung von 656 Millionen auf 758 Millionen Euro erhöht. Viel zu teuer, sagen Kritiker.
Abstimmungsprobleme zwischen den Werften und Produktionspannen haben die Auslieferung zudem verzögert. Ursprünglich sollten die Schiffe ab 2014 in Dienst gestellt werden. Der Termin wurde immer wieder verschoben. Immerhin: Mittlerweile ist die erste F125 vom Stapel gelaufen. Die anderen werden in einigen Jahren folgen.
Qualität zeigt sich erst im Einsatz
Selbst wenn Fahrzeuge und Fluggeräte einmal ausgeliefert sind, reißen die Probleme nicht ab. Mängel werden häufig erst entdeckt, wenn sich die Maschinen unter realen Bedingungen beweisen müssen.
Gerade hat die Bundeswehr mittgeteilt, dass der Eurofighter Qualitätskontrollen nicht bestanden hat. Bohrungen am Rumpf des Kampfjets könnten im schlimmsten Fall zur Ablösung von Bauteilen führen. Als Sofortmaßnahme halbierte der Hersteller Airbus die freigegebene Lebensdauer von 3000 auf 1500 Flugstunden. Für ein Milliarden-Euro Projekt ist das ein herber Schnitzer. Schwachstellen sind aber offenbar bei Neu- und Eigenentwicklungen nie ganz auszuschließen.
Problemanfälligkeit und Wartungsbedarf lassen sich vorab kaum simulieren. Die tatsächlichen Stärken und Schwächen der Produkte zeigen sich erst im Einsatz. Das sorgte schon häufiger für böse Überraschungen. Auch weil beim Zeitpunkt der Bestellung nie ganz klar ist, wo Jets mal fliegen und die Panzer mal rollen werden.
Veränderte Auftragslage
17 Einsätze absolviert die Bundeswehr derzeit. Viele davon sind klein, mit wenigen Kräften zu stemmen. Aber alle sind unterschiedlich. Die Spannbereite reicht vom Kampfeinsatz in Afghanistan über die Piratenjagd vor Afrika bis zur Ausbildungsmission in Mali.
Weil sich kommende Aufgabe schwer einschätzen lassen, sind vor Jahren oder Jahrzehnten bestellte Produkte nicht immer optimal an die neuen Anforderungen angepasst. So bemängeln Militärs etwa das vergleichsweise schwache Bordgeschütz der deutschen Variante des Eurocopter Tiger, die vor allem als Unterstützungseinheit konzipiert worden. Die französische Variante etwa ist stärker bewaffnet, kann im Extremfall besser ins Kampfgeschehen eingreifen.
Ähnliche Kritik gibt es aus Teilen der Truppe am Nachfolger des Transportpanzers Fuchs. Der schwergepanzerte Boxer dient dazu, Soldaten sicher durch feindliches Gebiet zu bringen. Dass er bei Kampfeinsätzen wie in Afghanistan auch gut zur Unterstützung der Bodentruppen dienen könnte, wurde bei der Planung vernachlässigt. Die Bewaffnung ist vielen Militärs zu schwach. Der eher abfällige Ausdruck „gepanzertes Taxi“ macht unter Soldaten die Runde.
Rüstungsexperte Schulte schätzt die Situation als weniger dramatisch ein. „Die große Aufgabenvielfalt der Bundeswehr ist nicht das Problem. Die Armee ist für die Einsätze gerüstet.”
Belastungsgrenze erreicht
Schwierig ist die Vielzahl der Einsätze. Mit ihren Schiffen muss die Marine nicht nur Piraten vor Somalia jagen sondern auch noch amerikanische Schiffen, die chemische Waffen transportieren, Geleitschutz geben. Die Luftwaffe transportiert mit der veralteten Transall nicht nur Soldaten und Waffen, sondern soll auch die Luftbrücke zur Ebola-Hilfe unterstützen.
Trotz Mängelliste und Nachschubproblemen schickt die Bundeswehr Soldaten und Geräte in neue Einsätze. Wie das enden kann zeigt der Fall Transall-Transportmaschine, die auf dem Weg zum Ebola-Hilfseinsatz im Senegal defekt auf Gran Canaria liegengeblieben ist. „Die Grenze der Belastbarkeit ist an vielen Stellen längst erreicht, wenn nicht überschritten“, sagt Schulte.