Der Traum von ewiger Jugend: Können wir bald das Altern stoppen?
Seit jeher träumt die Menschheit von der ewigen Jugend. Jetzt beschäftigen sich Alternsforscher damit, ob und wie wir das Älterwerden aufhalten können. Schon heute können wir viel mehr Einfluss nehmen, als wir denken.
Je älter wir werden, desto kränker werden wir auch. Das liegt in erster Linie daran, dass der menschliche Körper nicht darauf programmiert ist, unendlich lange zu leben. In
Gut, dass das heute anders ist: Die Fortschritte der modernen Medizin in den vergangenen 100 Jahren haben zu einem rasanten Anstieg der mittleren Lebenserwartung geführt – und der Trend hält weiter an. Während neugeborene Mädchen in Deutschland in den 1870er-Jahren noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von 38,5 Jahren hatten, liegt diese heute mit knapp 83 Jahren mehr als
Kein Wunder also, dass weltweit immer mehr Forscher hoffen,
Können wir angesichts dieser Entwicklung das Altern vielleicht bald ganz stoppen? Oder gehen wir
Der logische Fehlschluss der erhöhten Lebenserwartung
500.000! So viele Erdenbürger haben inzwischen
Die jüngere Menschheitsgeschichte hält zig prominente Beispiele bereit, die zeigen, dass die Haupttodesursachen vor der Moderne größtenteils Infektionen, Hunger und Gewalt waren. Und wer von diesen verschont blieb, konnte ebenso alt werden wie wir heute. Galileo Galilei etwa wurde 77 Jahre alt, Isaac Newton 84 und Michelangelo schaffte es sogar auf 88 Lebensjahre.
Der berühmte französische Komponist Daniel-François-Esprit Auber soll im 19. Jahrhundert noch scherzhaft die These aufgestellt haben, dass das Altern bisher immer noch das einzige Mittel sei, das man entdeckt habe, um lange leben zu können – kurz bevor er mit 89 Jahren das Zeitliche segnete.
Der Transhumanist Aubrey de Grey würde ihm heute im 21. Jahrhundert wohl widersprechen. Seiner Meinung nach rückt die Unsterblichkeit bereits in greifbare Nähe – auch wenn er zugibt, dass die Alternsforschung gegenwärtig noch nicht in der Lage ist, die Lebensspanne auf 1000 und mehr Jahre zu verlängern. Stattdessen setzt de Grey darauf, dass wir schon bald die technischen Möglichkeiten haben werden, um dem Altern stets einen Schritt voraus zu sein. Damit meint er: Ein Mensch, der heute geboren wird, müsste ab einem gewissen Zeitpunkt in seinem Leben nicht mehr altern. Denn sobald die Medizin die Schwelle überschreitet, Altersschäden schneller heilen zu können, als sie entstehen,
So schön diese Vorstellung auch sein mag: De Greys Schätzung steht auf sehr wackligen Beinen. Sie beruht auf der Annahme, dass die Alternsforschung schon bald einen Durchbruch erzielen wird, den kaum ein anderer Wissenschaftler aktuell auf dem Schirm hat. Dementsprechend zurückhaltend sind auch die Spekulationen anderer Alternsforscher. Eine 2016 in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlichte
Es ist nicht leicht, in dem Wissen zu leben, dass man sterben wird, aber noch schlimmer ist es, an die Unsterblichkeit zu glauben und eines Besseren belehrt zu werden.
Unsterblichkeit ist gar nicht das Ziel
Der Zweck der Alternsforschung ist vielmehr, die Gesundheit im Alter zu verbessern. »Ich glaube, den grundlegenden Alterungsprozess können wir nicht aufhalten«, erläutert der Alternsforscher Karl Lenhard Rudolph. Er ist Gruppenleiter am Leibniz-Institut für Alternsforschung in Jena und beschäftigt sich mit der Stammzellalterung im menschlichen Körper. Er sagt:
Da wir Erkrankungen, die im Alter auftreten, immer besser verstehen und auch langsam Therapien entwickeln können, um solche Erkrankungen abzumildern oder ihre Entstehung zu verzögern, wird es realistischerweise möglich sein, die mittlere Lebenserwartung weiter zu steigern. Aber die maximale Lebenserwartung wird sich nicht wesentlich ändern.
Doch es gibt auch andere Stimmen. Peter Tessarz, Alternsforscher am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln, ist da ein wenig optimistischer: »Ob diese Grenze wirklich bei 125 Jahren liegt oder wir es in Zukunft vielleicht schaffen, sie auf 140, 150 Jahre zu verschieben, können wir im Moment einfach nicht voraussagen. Dazu fehlen uns verlässliche Daten.« Aber auch er betont: »Es ist nicht das Ziel der Alternsforschung, die Maximallebensspanne zu verlängern, sondern die Zeit, die jemand in guter Gesundheit verbringt.«
Um die Gesundheit der Menschen auch im Alter zu erhalten, müssen die Forscher allerdings erst mal verstehen, warum Altsein so oft auch Kranksein bedeutet. Denn wenn wir es genau nehmen, stirbt kein Mensch am Altern an sich, sondern an Krankheiten, die mit dem Altern einhergehen. Häufig sind es etwa grippale Infekte oder Lungenentzündungen, die im hohen Alter schnell zur lebensbedrohlichen Erkrankung werden, weil das Immunsystem mit den Jahren längst nicht mehr so stark ist wie das junger Erwachsener. Aber auch Erkrankungen, die nicht direkt tödlich enden, nehmen im Alter zu oder treten erst spät im Leben auf: Demenz, Parkinson oder Osteoporose sind einige von ihnen.
Vor diesem Hintergrund sind die heutigen Alternsforscher in gewisser Weise die Robert Kochs des 21. Jahrhunderts. Der im 19. Jahrhundert lebende Arzt erforschte die damalige Todesursache Nummer 1: Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Cholera und Wundinfektionen. Allein in Deutschland starben damals jedes Jahr Hunderttausende Menschen an Infektionen wie diesen. Den Grund dafür fand Koch in Bakterien. Zwar gab es auch damals schon Altersgebrechen wie Demenz und Parkinson; im Vergleich zu Tuberkulose und Cholera waren sie allerdings zweitrangig.
Früher hat es die Menschen nicht weiter interessiert, warum Opa im Alter irgendwann vergesslich wurde – sie hatten schlichtweg dringendere Probleme. Doch je höher unsere Lebenserwartung und Lebensqualität steigen, desto problematischer werden Alterserkrankungen wie Demenz und Parkinson. Der medizinische Fortschritt der vergangenen 200 Jahre hat einen Großteil der Erkrankungen verstanden und ausgemerzt, die uns in unseren frühen Lebensjahren bedrohen. Kinderlähmung,
Dafür muss sie allerdings erst einmal entschlüsseln, warum wir überhaupt altern. Dabei machen die Wissenschaftler bereits vielversprechende Fortschritte.
Aus diesen Gründen sind wir nicht unsterblich
Eine gängige Theorie der Alternsforscher besagt, dass unsere Gene während der Evolution vor allem darauf »gedrillt« wurden, schnell für Nachwuchs zu sorgen und diesen großzuziehen. Hatte man diesen »Soll« erfüllt, war es aus evolutionärer Sicht nicht mehr so wichtig, ob man danach noch 40, 70 oder 100 Jahre weiterlebte.
Die gesamten genetischen Netzwerke und Regelkreisläufe in unserem Organismus sind darauf ausgerichtet, bis zum Reproduktionsalter eine optimale Fitness zu erreichen. Was danach passiert, ist im Endeffekt ein Auseinanderdriften dieser Regelkreise, weil der evolutionäre Nutzen im Wesentlichen erfüllt ist.
Ein weiterer Grund für das Altern ist, dass wir im Laufe unseres Lebens eine Unmenge an Schäden anhäufen, sei es durch Umwelteinflüsse oder durch körpereigene
Was wir hingegen inzwischen erklären können ist, was beim Altern so alles passiert. Das langsame Voranschreiten unserer Lebensuhr ist nämlich nicht nur an grauen Haaren und runzliger Haut, sondern auch auf mikroskopischer Ebene zu beobachten. Die folgende – unvollständige – Liste gibt einen Eindruck von den hochkomplexen Vorgängen während dieses Prozesses:
- Alternde Stammzellen: Stammzellen sind die Grundbausteine unseres Organismus. Sie sind wie neugeborene Kinder, die zwar noch alles werden können, dafür aber noch nichts so richtig beherrschen. Im Gegensatz zu Babys können sich Stammzellen allerdings nach Belieben teilen und so eine identische Kopie von sich erstellen. Für alle Körpergewebe, die wir während unseres Lebens erneuern müssen, brauchen wir Stammzellen, weil sie das Grundmaterial für die Gewebezellen liefern.
»Eines der wirklich interessanten Ergebnisse der Stammzellforschung ist, dass Stammzellen tatsächlich an Funktion verlieren – und das kann man messen.« Alternsforscher Karl Lenhard Rudolph hat bereits einige Gründe ausmachen können: »Da wäre zum einen ein Nachlassen der - Schlechtere Reparaturprozesse: Jede einzelne Zelle in unserem Körper ist wie ein winzig kleines Kraftwerk. Ständig müssen einzelne Teile neu produziert, transportiert und wieder zerlegt werden. »Im Alter werden viele dieser Prozesse schlechter«, erläutert Rudolph. Schäden und Fehler passieren bei jeder Zellteilung. Im Normalfall werden diese aber rechtzeitig erkannt und ausgemerzt. Mit dem Alter scheinen aber auch die Reparaturprozesse unseres Körpers schlechter zu werden. »Wenn eine Zelle eine Mutation erleidet, hat sie im jungen Körper einen Nachteil, weil sie nicht mit den reinen, nicht-mutierten Zellen mithalten kann. Später ändert sich das allerdings, weil die Gewebe altern und nicht mehr so einen guten Nährboden für die Zellen darstellen.«
- »Zombie-Zellen«: Unsere Stammzellen können sich also durch Zellteilung ständig selbst reproduzieren. Dieser Vorgang gleicht, stark vereinfacht, einem Kopiervorgang. Dabei wird das Erbgut – das sogenannte »Chromosom« – Stück für Stück in die neu entstehende Zelle kopiert. An den Enden jedes Chromosoms befinden sich sogenannte »Telomere«, die so ähnlich funktionieren wie die Plastikkappen an den Enden von Schnürsenkeln. Sie schützen das Chromosom davor, »auszufransen«. Bei jeder Zellteilung verlieren die Telomere allerdings an Länge. Sobald sie zu kurz werden, hört die Zelle auf, sich zu teilen. Mediziner bezeichnen sie dann als »seneszent«.
Seneszente Zellen sind wie Zombies, die unsere gesunden Körperzellen angreifen und überall im Körper Entzündungsprozesse auslösen können. Solange wir noch jung und fit sind, kann unser Immunsystem diese Zombies ohne Probleme entfernen. Im Alter erlahmt dieser Prozess jedoch zunehmend. Große Ansammlungen dieser »Zombie-Zellen« führen langsam zu Gewebe- und Organversagen. Auch die
Die gute Nachricht: Wissenschaftler forschen bereits heute an gentechnischen Methoden,
Um das Altern grundsätzlich aufhalten zu können, wissen wir bisher aber viel zu wenig über die komplexen Zusammenhänge. Stammzellen, Reparaturprozesse, seneszente Zellen:
Doch je mehr die Forscher über das Altern herausfinden, desto näher kommen wir einer wirkungsvollen Therapie. »Die Alternsforschung befindet sich gerade am Übergang von Grundlagenforschung zu Therapien«, erläutert Karl Lenhard Rudolph.
Glücklicherweise müssen wir uns nicht allein auf die Medizin verlassen, um ein langes und gesundes Leben zu führen.
Selbst wenn wir zu unseren Lebzeiten keine Unsterblichkeit erlangen, wird der Kampf gegen den Tod vermutlich das Vorzeigeprojekt des kommenden Jahrhunderts werden.
Wir können unseren Alterungsprozess zum Großteil selbst beeinflussen
Wir können unseren Alterungsprozess nämlich auf ganz natürliche Art und Weise verlangsamen. Denn: »Grundsätzlich sind nur etwa 25% unserer Alterungsprozesse genetisch bedingt. Der Rest sind Umwelteinflüsse«, erklärt Alternsforscher Peter Tessarz.
Das heißt im Umkehrschluss: Wir können unseren Alterungsprozess zu 75% beeinflussen – durch unser Verhalten, unser Umfeld und mögliche Interaktionen der verschiedenen
Neben Stressreduktion scheint aber vor allem unsere Ernährung eine entscheidende Rolle zu spielen, wie Peter Tessarz erklärt: »Wenn wir adulte Mäuse auf eine Diät setzen, die ungefähr 60–70% ihres normalen Kalorienbedarfs deckt, leben sie signifikant länger und gesünder. Und das sieht man auch. Diese Mäuse sind schlank, agil und haben ein sehr gutes Gedächtnis. Oberflächlich kann man sie mitunter gar nicht mehr von jungen Mäusen unterscheiden.«
Um solche Studien bei Menschen durchzuführen, müssten die Forscher die Probanden ein Leben lang auf Diät setzen – und dabei hoffen, dass diese nicht schummeln. Da sich das äußerst schwierig gestaltet, müssen die Wissenschaftler andere Daten zu Rate ziehen. Ein Forschungsobjekt sind dabei die langlebigen Einwohner der japanischen Insel Okinawa, der sagenumwobenen »Insel der 100-Jährigen«. Die Inselbewohner ernähren sich vor allem pflanzlich und essen kaum Tierprodukte. Überdies gilt das Gebot »hara hachi bu«, was in etwa bedeutet: »Fülle deinen Magen nur zu
Wie Kalorienverzicht gegen altersbedingte Krankheiten wie Demenz und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hilft, wird in der Wissenschaft gerade
Das Intervallfasten scheint so gut zu funktionieren, weil dadurch das Immunsystem angekurbelt wird. Daher gibt es jetzt auch die Idee, ältere Menschen vor einer Grippeimpfung fasten zu lassen.
All diese Erkenntnisse machen deutlich: Wir müssen nicht auf die Wunderpille gegen das Altern hoffen. Die besten Zutaten für ein langes und gesundes Leben, die wir heute kennen, sind schon seit Menschengedenken bekannt – und erfüllen immer noch ihren Zweck:
- Gesunde Ernährung
- Regelmäßige Bewegung
Mehr Details zu allen 4 Punkten findest du in diesem Text:
Wir sollten keine Angst vor dem Altern haben
Viele Menschen sehen im Altern einen Feind. Doch das beruht laut
Wir sollten daher
Titelbild: Weltkulturenmuseum/ Andreas Nilsson - copyright