Interview

Bond-Bösewicht Claude-Oliver Rudolph: «Zum Glück bin ich bei Russia Today vor vier Jahren ausgestiegen. Dann kam der ganze Mist. Putin ist irre geworden, verrückt»

Er ist wohl der schillerndste Schauspieler Deutschlands: Claude-Oliver Rudolph vergleicht sich mit Kinski, spielt Nazis als Teil der Aufarbeitung («Ich spiele sie möglichst doof und dämlich») und lässt sich selbst dann nicht aus der Ruhe bringen, wenn das Geld fürs Essen nicht mehr reicht.

Andreas Scheiner
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«Ruhm ist toll, Geld interessiert mich nicht», sagt Claude-Oliver Rudolph. Hier am Set der Doku-Soap «Käpt’n Kasi – Auf hoher Spree», die 2015 in Berlin gedreht wurde.

«Ruhm ist toll, Geld interessiert mich nicht», sagt Claude-Oliver Rudolph. Hier am Set der Doku-Soap «Käpt’n Kasi – Auf hoher Spree», die 2015 in Berlin gedreht wurde.

Clemens Bilan / History / Getty

Er will aufs Boot. «Lass ma’ mit dem Schiff fahren», schlägt Claude-Oliver Rudolph vor. Das passt natürlich: Rudolph spielte den Dieselheizer Ario im Klassiker «Das Boot» des kürzlich verstorbenen Regisseurs Wolfgang Petersen. Und ausserdem steckt Rudolph gerade mitten in den Proben zu einem «20 000 Meilen unter dem Meer»-Musical, das er zusammen mit den Techno-Pionieren U96 inszeniert und mit dem er im Herbst auf grosse Deutschlandtour geht. Drei Stunden durchmessen wir also auf der MS «Forch» den Zürichsee, im Kopf schwirrt’s danach nicht nur von der Sonne, sondern auch von den verrückten Geschichten.

Herr Rudolph, wo fangen wir nur an?

Am Anfang. Aber der Anfang ist natürlich nicht, wie es in Wikipedia steht. Das können Sie alles vergessen.

Gut, korrigieren Sie.

Ich bin wie in einem schlechten Film – oder in einem guten Film! – auf der Strasse entdeckt worden. Von Werner Schroeter. Ich hatte ganz lange Haare, pechschwarz. Mit einem Schäferhund gehe ich in Bochum die Königsallee hinunter, und da, wo das Theater steht, spricht Schroeter mich an. Ich war fünfzehn. Dann habe ich eine steile Karriere gemacht. Normalerweise fängst du als Komparse an, bei mir war es erbärmlich: Ich war nur Ersatzkomparse!

Werner Schroeter hat Sie als Ersatzkomparsen besetzt?

Nein, passen Sie auf, es war so: Einer aus meiner Klasse, der Michael, hatte auch lange Haare und spielte gelegentlich im Theater, eines Tages ruft er an: «Claude, ich bin krank, kannst du mich ersetzen?» – «Was muss ich da machen?» – «Das, was die andern machen.» – «Und was gibt’s da?» – «12 Mark.» Das war viel Geld, ich bekam nur 35 Mark Taschengeld im Monat. Meine Eltern waren reich, Reiche haben einen Igel in der Tasche, die halten einen immer knapp. Ich weiss auch nicht, was das soll. Wobei, ich merke gerade, ich habe meine Kinder auch knappgehalten . . .

Jedenfalls, 12 Mark waren viel.

Ich habe sofort zugesagt. Und in der Ersatzkomparserie hat der Schroeter mich gescannt, mich studiert.

Und dann hat er Sie auf der Strasse angesprochen?

Genau, und mich besetzt in «Lucrezia Borgia». Als Nächstes gab er mir eine richtige Rolle im «Käthchen von Heilbronn», Kleist. Also richtig schweres deutsches Theater. Damit war mein Herz ans Schauspiel verloren. Meine Grossmutter, die Französin war, hat gesagt: «Claude, ich weiss nicht, ob du ein grosser Belmondo wirst, aber versuch einmal.»

Gingen Sie schon als Kind gerne ins Theater?

Als Kind? Nein. Meine Eltern haben mich gezwungen. Sie waren selber keine Theatergänger, aber es gehörte zur Bourgeoisie dazu. Abonnement war Pflicht. Sie waren Pelzhändler. Ich trug eine Fliege aus Bisam. Die hat mich total gekitzelt, ich konnte mich nicht konzentrieren auf das Stück. Ausserdem war ich traurig, weil im Fernsehen gerade der vierte Teil von «Robinson Crusoe» lief.

Trotzdem war Ihnen früh klar, dass Sie Schauspieler werden wollen?

Ich wollte erst Irrenarzt werden, Psychiater. Ich wollte die Welt verändern und dachte, am besten fängst du an, indem du der Welt erklärst, warum Menschen anders ticken.

Waren Sie ein politischer junger Mann?

Sehr. Gemeinsam mit Herbert war ich Schulsprecher.

Herbert Grönemeyer. Sie sind zusammen zur Schule gegangen.

Wir haben immer gegen die CDU gekämpft. Später an der Uni wurde ich zum Fachratsvorsitzenden der Philosophie und Psychologie gewählt. Dabei hatte ich gar kein Programm, ich war einfach radikal. Punk.

Sie waren ein Punk?

Ja. Die Musik in den siebziger Jahren fand ich schlimm. Genesis: schrecklich. Pink Floyd: brauchen drei Jahre, um ein neues Album zu produzieren. Aber dann kam wildes Zeug aus England: Sex Pistols, allein der Name. Provokation. Iggy Pop. Völlig irre Welt auf einmal. Später habe ich zu Fassbinder gesagt: Ich will der erste Punk-Schauspieler sein.

Und gleichzeitig haben Sie Philosophie studiert?

Zwischenprüfung und alles.

Aber nicht abgeschlossen?

Heute wäre das ein Bachelor of Arts. In Psychologie auch. Romanistik habe ich ausserdem studiert, dann Film und Regie.

Hat Sie das Philosophiestudium geprägt?

Sicher. Ich war ja auch auf dem humanistischen Gymnasium, mit Griechisch und Latein. Zigmal war ich in Griechenland und habe die Bilder aus dem Lehrbuch besucht. Kap Sounion, Chalkidiki, Kreta.

Die Philosophen haben Sie auch durchgeackert?

Was denken Sie? Alle, auf Griechisch: Thukydides, Herodot, Xenophon, natürlich Platon. Meinen Griechischlehrer und meinen Philosophielehrer habe ich sehr gemocht. Die meisten Lehrer aber waren Nazis. Es war noch diese Generation. Einer hatte ein Auge weggeschossen. Er erzählte, die Wehrmacht habe ganz fair gekämpft. Aber der Russe habe ihm mit Dum-dum-Geschossen sein Auge weggeknallt. Mit solchen Geschichten sind wir erzogen worden. Wir haben auch einen Lehrer gehabt, der hat immer geschlagen. Herbert und ich haben so lange protestiert, bis dem gekündigt wurde.

Was war das für eine Schule?

Da war ausschliesslich Elite. Von Thyssen und Krupp die Erben, dann Dr. Grönemeyer. Meine Eltern waren einfach nur reich.

Kürzlich haben Sie einen Roman über den Holocaust veröffentlicht, «Nakam oder der 91. Tag». Wie kamen Sie dazu?

Die Geschäftswelt bei Pelzen ist jüdisch. Es waren immer Juden bei uns zu Hause. Ich war fünf Jahre alt und wusste natürlich nichts von Vernichtungslagern, aber dass es den Juden schlechtging, das haben meine Eltern mir erzählt. Dass sie nichts zu essen hatten. Es sassen also reiche Kaufleute im Wohnzimmer, rauchten Zigarre, und ich dachte: «Jetzt muss ich denen etwas zu essen machen.» Einen riesigen Teller habe ich zubereitet, Käse, Erdnussflips, Schinken, völlig falsch natürlich, ist ja nicht koscher. Aber ich bin damit ins Wohnzimmer und habe gesagt: «Bei uns müsst ihr nicht Hunger leiden.» Da hat Herr Goldstein – er hiess wirklich so – mir ganz zärtlich die Hand auf den Kopf gelegt. So etwas vergisst man nicht.

War dies der Auslöser für den Roman?

Nein, später war eine grosse Liebe von mir die Tochter vom Atze Brauner, dem grossen deutsch-jüdischen Produzenten. Er sagte: «Gut, drei Bedingungen. Erstens: scheiden lassen von Sabine von Maydell.» Habe ich sofort gemacht, per «Bild am Sonntag», auch live bei Markus Lanz. «Zweitens: zum Judentum übertreten.» Kein Thema, ich bin ohnehin beschnitten. Das war «in» damals. Und drittens: dass ich in die CDU eintreten soll. Da habe ich gesagt: «Nein, nein, das mache ich nicht!»

Da war die Ehe noch intakt: Rudolph mit der Schauspielerin Sabine von Maydell, 1999.

Da war die Ehe noch intakt: Rudolph mit der Schauspielerin Sabine von Maydell, 1999.

Sven Simon / Imago

So endete die Beziehung?

Ja, aber ich hatte der grossen Liebe versprochen, dass ich einen Roman über den Holocaust schreiben würde. Meine Juden sollten Helden sein. Jetzt gibt es die Beziehung zwar nicht mehr, dafür den Roman. Ich halte ein, was ich verspreche. Auch wenn der eigentliche Auslöser lange zurückliegt. Es gab ja auch 2015 keinen Grund mehr, eine Punk-Sendung zu machen.

Sie sprechen Ihre unrühmliche TV-Sendung «Clash» auf Russia Today an.

Ich habe überhaupt kein Problem damit, die Sendung gemacht zu haben.

Wirklich nicht?

Nein. Ich hatte eine Liebe zu Russland wegen des Zweiten Weltkriegs. Ohne die Rote Armee würden wir heute Hitlerschnauz tragen. Wie viele Verluste hatte Amerika im Zweiten Weltkrieg? 400 000. England? 350 000. Und die Sowjetunion? 24 Millionen. Also, ich will nichts mehr hören.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Russia Today?

Während einer Berlinale kam deren Chefredakteur, Iwan Rodionow, auf mich zu. Sie hätten Pläne für einen neuen Fernsehsender: Russia Today Deutschland. Larry King war der Repräsentant in Amerika, ich dachte: «Wenn der das da macht, kann ich das doch auch hier machen.» Ich war dann Leiter des Feuilletons. Niemand hat mir reingeredet. Einmal wollten sie, dass ich Leute von der AfD einlade, diese Frau . . . Petry? Ich sagte: «In einem Jahr redet keiner mehr von der. Aber ‹Clash› von Claude wird Kult werden.» Zum Glück bin ich dann gegangen. Stellen Sie sich einmal vor.

Wieso sind Sie gegangen?

Ich wollte etwas über Nordkorea machen, das wollten die nicht. Und ich habe bemängelt, dass sie nicht professionell seien. Keiner konnte Kamera oder Schnitt. Freitag, 14 Uhr, da haben alle alles fallenlassen, so war die Mentalität. Vor vier Jahren bin ich deshalb ausgestiegen. Dann kam der ganze Mist: Einen Mann haben die Russen umgebracht im Tiergarten, den andern vergiftet in London. Und jetzt der Krieg. Putin ist irre geworden, verrückt.

Aber Sie bereuen Ihr Engagement nicht?

Man kann mir die Weltpolitik doch nicht vorwerfen. Und noch heute macht unsere Politik mit Russland Geschäfte. Politik ist ekelhaft. Ohne das Gas und das Öl, das wir aus Russland beziehen, könnten die ihren Krieg längst nicht mehr finanzieren. Aber keiner denkt radikal. Auch die Grünen nicht, ein Eiertanz. Stattdessen malen wir vollgefressenen Europäer immer die Ängste an die Wand.

Von Punk zu Platon, von Fassbinder zum Schurkendarsteller und zu Russia Today: Herr Rudolph, wie bekommt man das alles zusammen?

Das bekommen Sie nicht zusammen. Es ist die Dialektik meines Lebens.

Was treibt Sie an?

Ruhm ist schön. Geld interessiert mich nicht. Ich kenne Geld von meiner Familie, wir sind Mercedes gefahren, haben Motorboote gehabt. Den ersten Opel Diplomat in Deutschland auch, mit elektrischen Scheiben. Damit bin ich aufgewachsen, das kann mich nicht interessieren. Aber Ruhm: toll.

Was ist das, Ruhm? Unsterblichkeit?

Ach, unsterblich bin ich ja seit Bond. Ich war der vierte deutsche Bösewicht nach Gert Fröbe, Curd Jürgens – obwohl, der ist ja Österreicher, weiss nur keiner – und Gottfried John. Zwei kamen übrigens von Fassbinder: Gottfried John und Claude.

Geht es um das Erkanntwerden?

Das wird Thomas Gottschalk ja auch. Aber er ist nicht berühmt, er ist bekannt. Ruhm ist, was bleibt. Ich gebe jeden Tag auf Google meinen Namen ein, man muss wissen, wo man steht. Als jetzt Wolfgang Petersen gestorben ist, kamen Tausende Neueinträge. Selbst der Tod schafft mir Zulauf, so verdreht das ist. Überall wird man mitassoziiert, das ist Ruhm.

Wie haben Sie von Wolfgang Petersen Abschied genommen?

Mit meinem guten Freund von Scooter, mit H. P. Baxxter, habe ich die ganze Nacht auf Wolfgang getrunken. Aber ich trinke nichts Hartes, habe auch nie Drogen genommen. Fassbinder hat gesagt: «Alle Schauspieler trinken, und wenn sie keine Rollen mehr kriegen, fangen sie an zu saufen.» Da ist eine Menge Wahres dran.

Erinnern Sie sich an Ihr erstes Zusammentreffen mit Petersen?

Damals war ich bei Fassbinder. Ich dachte, heute schlafe ich im Theater, hinten im Bühnenbild, dann habe ich es am nächsten Tag näher zu den Bavaria-Studios.

Zum Vorspielen für «Das Boot».

Natürlich habe ich verschlafen. Ich renne also in das Besetzungsbüro. Friedrich-Karl Praetorius ist da, Ochsenknecht, alles, was Rang und Namen hat. Ich denke: «Glück gehabt, hast ja noch Zeit.» Also hab ich mich auf die Pegulan-Treppe gelegt. Dort wache ich auf, zwei Uhr nachmittags. Keiner mehr da. Nur irgendwo ganz hinten sitzt einer, unter einer Wolke von Marlboro. Ich: Haare nicht gewaschen, Zähne nicht geputzt, kaputte Jeans. «Genau so habe ich mir den Arier vorgestellt», sagt der Mann. «Kommen Sie mal her.» So war das. Feiner Kerl, der Wolfgang.

«Bisschen gestunken hat es.» Laut Rudolph (vorne) hielten sich die Strapazen beim «Boot»-Dreh in Grenzen.

«Bisschen gestunken hat es.» Laut Rudolph (vorne) hielten sich die Strapazen beim «Boot»-Dreh in Grenzen.

United Archives / Imago

Der Dreh soll aber doch eine Tortur gewesen sein.

Überhaupt nicht. Das haben Weicheier wie Jan Fedder immer erzählt, Gott hab ihn selig. «Das Boot» war ein Spaziergang. Erst ist es ja abgesoffen in La Rochelle, da haben wir drei Monate frei gehabt, bezahlt.

So klaustrophobisch, wie alle sagen, war es auch nicht?

Bisschen gestunken hat es, weil Wolfgang alten Käse und Bananen hat rumliegen lassen. Das wollte er so. Authentisch. Ich mochte das, ich komme ja von Lee Strasberg, dem Schauspiellehrer, der Wahrhaftigkeit gefordert hat.

Wie erinnern Sie sich an James Bond, an «The World Is Not Enough»?

Elf Uhr, Telefon klingelt. Nicht meine Zeit. Ich sage zu meiner Agentin, sie solle um eins wieder anrufen. «Ist ganz wichtig», sagt sie, «Amerika.» Es gehe um James Bond. Ich war kein Fan. Diese Kampfszenen. Roger Moore ist ja wohl der schlechteste Kämpfer aller Zeiten. Also habe ich aufgelegt. Und auf dem Weg zurück ins Bett denke ich bereits: «Wieso warst du wieder so arrogant?» James Bond: Mehr geht für einen Filmschauspieler ja nicht. In dem Moment klingelt wieder das Telefon: «Du musst nicht einmal vorsprechen, du sollst einfach nach London kommen.» Der Regisseur, Michael Apted, hatte Lee Marvins letzten Film gemacht, deshalb habe ich zugesagt.

Wieso spielen Sie so oft Bösewichte?

Gangster ist das Schwerste. Mario Adorf hat vor 30 Jahren zu mir gesagt: «Claude, ich habe noch nie eine Werbung bekommen, was meinst du, woran das liegt? Die Deutschen vergessen nicht, dass ich Winnetou erschossen habe. Dabei war es nur seine Schwester Nscho-tschi.»

Fällt es schwer, einen Nazi zu spielen?

Das muss ich machen, es ist Teil der Aufarbeitung. Ich spiele sie möglichst doof und dämlich. Mit Jonathan Glazer habe ich mich gestritten, dabei ist er einer meiner Lieblingsregisseure, wegen «Sexy Beast». Er wollte, dass ich einen Nazi nicht als Monster spiele. Wir fanden nicht zusammen.

Sind Sie ruhiger geworden mit dem Alter?

Ich habe drei Kinder. Ich fahre keine Rennen mehr. Aber ich war sehr gut. Ich habe das Saarland-Luxemburg-Rally gewonnen. Einmal bin ich aber mit 140 km/h aus einer Kurve in den Wald geflogen. Experten haben mir später gesagt: Wäre da eine Tanne oder eine Eiche gewesen, ich hätte keine Chance gehabt. Es war eine Fichte, weicheres Holz. Mir ist nichts passiert ausser ein Riss im Hoden.

Sind Sie gläubig?

Auf jeden Fall. Nicht mit Kirche und so, aber ich bin sehr gläubig. Es gibt auch keinen Grund, dass der liebe Gott Nein sagen würde zu mir. Ich habe Frauen verteidigt, bis hin zu meiner eigenen Entlassung. Mich hat man rausgeschmissen, nicht den Vergewaltiger.

Sie reden von einem Vergewaltigungsfall beim Theater?

Unter Zadek war das. Heini Giskes und mir wurde fristlos gekündigt, weil wir nach dem Vorfall in den Streik getreten sind und weil ich den Regieassistenten, den Vergewaltiger, nachts um vier umgehauen hab.

Und Zadek wusste, dass es eine Vergewaltigung gegeben hatte?

Ich habe ihn in der Nacht angerufen. «Eure private Sexualwelt interessiert mich einen Scheissdreck», hat er gesagt.

Sie haben auch mit Dieter Wedel gedreht.

De mortuis nihil nisi bene.

In Ordnung. Dann sprechen wir über Fassbinder. Sie sollten im Skandalstück «Der Müll, die Stadt und der Tod» spielen. War er ein Antisemit?

Unsinn! Der Rainer hat einfach keine Scheu gehabt, hat sich als Anarch gefühlt. Wie Zadek auch. Zadek war Jude und hat trotzdem die schlimmsten antisemitischen Vorurteile bedient. Etwa mit Shylock, dem Fleischrausschneider. Das ist halt ein Spielen mit dem Tabu, Spielen mit Punk. Aber ja, sie haben unser Stück verboten. Das war schlimm.

Was haben Sie von Fassbinder gelernt?

Nichts auf die lange Bank schieben. Machen. Druck aufbauen, präsent sein, Kapitän sein. Heute höre ich Sachen wie: Wir haben ein Regiekonzept – ja, wo sind wir denn? Mitsprache? Da kannst du zur SPD gehen, aber doch nicht zum Theater! Was ich noch gelernt habe: Handwerk kommt vor Kunst.

Will heissen?

Es weckt dich einer nachts um drei, und du kannst deinen Text rückwärts sprechen. Wenn du das kannst, können wir über Kunst reden. Aber erst dann. Ich bin wie Kinski, ich bin vorbereitet. Die andern sind nicht vorbereitet. Christoph Schlingensief, der einmal bei Dreharbeiten mein Assistent war, hat immer Kunst gemacht, aber konnte kein Handwerk. Das geht nicht. Das ist wie Tesla und richtiger Sportwagen.

Sind Sie schon einen Tesla gefahren?

Ich will doch nicht verbrennen.

Keine Angst vor nichts, ausser vor Tesla?

Das ist jetzt eine blöde Überschrift.

Fassbinder war auch enorm produktiv.

Er wusste, wie man Filme produziert ohne Geld. Aber ich habe ihm nicht zugehört. Ich wollte auch nie auf die Redakteure warten. Redakteure sind ganz schlimm bei uns in Deutschland. Die beiden öffentlichrechtlichen Sender bekommen einen Rundfunkbeitrag von 8,5 Milliarden Euro. Aber wie viel davon kommt in die Kunst? 12 Prozent!

Sie haben viel eigenes Geld in Filme investiert. Das ging nicht immer gut.

Das ging nie gut. Geld verdient habe ich nicht. Aber ich bin berühmt.

Das hilft nicht, wenn man am Geldautomaten steht, und es kommt kein Geld raus.

Es kommt nicht kein Geld, es wird die Karte eingezogen. Zweimal ist mir das passiert im Leben. Ich habe fünf Häuser verloren. Es war nicht: Wir fahren jetzt ein kleineres Auto und gehen nicht mehr in die «Kronenhalle». Wir hatten wirklich nichts mehr zu essen!

Haben Sie ein Gottvertrauen, dass immer alles gut kommt?

Ja, deshalb ging auch meine Ehe kaputt. Sabine aus dem Altadel war kein Partner für schlechte Zeiten. In guten Zeiten: alles easy. Aber sobald es enger wurde: Panik, Angst, Streit. Ich hasse Streit zwischen Eheleuten. Auch wegen der Kinder. Ich habe gesagt: «Du musst mir vertrauen, ich schaffe es doch immer, ich komme immer wieder.» Sie hat’s mir nicht geglaubt. Aber hier bin ich.