Wolfgang Thierse im Oktober 2020 am Rande einer Talkshow in Leipzig

Grabenkämpfe gegen Gemeinsinn :
Wie viel Identität verträgt die Gesellschaft?

Von Wolfgang Thierse
Lesezeit: 7 Min.

Wurde Zugehörigkeit früher über Konfession und später über Ideologie signalisiert, so hat diese Funktion heute der Begriff Identität übernommen. Das ruft zugleich in Erinnerung, dass „Konfession“ und „Ideologie“ in der Vergangenheit immer wieder zu heftigen, gar blutigen Konflikten geführt haben. Sollte sich Geschichte unter anderem Leitbegriff etwa wiederholen? Themen kultureller Zugehörigkeit scheinen jedenfalls unsere westlichen Gesellschaften mittlerweile mehr zu erregen und zu spalten als verteilungspolitische Gerechtigkeitsthemen. Fragen ethnischer, geschlechtlicher und sexueller Identität dominieren, Debatten über Rassismus, Postkolonialismus und Gender werden heftiger und aggressiver. Das sind wohl unausweichliche Auseinandersetzungen in einer pluralistischer werdenden Gesellschaft und Ausdruck sozialer Konflikte, die als Verteilungskonflikte um Sichtbarkeit und um Einfluss, um Aufmerksamkeit und um Anerkennung ausgefochten werden.

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