Guy Parmelin will 500 Millionen Franken Bundesgelder für Innovationsfonds zugunsten von Jungfirmen

Der Bundesrat debattiert diesen Mittwoch über einen Plan für einen Staatsfonds, der in innovative Jungunternehmen investieren soll. Wirtschaftsminister Parmelin will trotz Skepsis im eigenen Departement und in der Finanzverwaltung vorwärtsmachen. Ein Kernargument: Viele andere Länder täten es auch.

Hansueli Schöchli 5 min
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Wirtschaftsminister Guy Parmelin will einen staatlichen Innovationsfonds.

Wirtschaftsminister Guy Parmelin will einen staatlichen Innovationsfonds.

Peter Klaunzer / Keystone

Die Schweiz soll mit einem staatlichen Innovationsfonds Jungunternehmen fördern. Dies hat der Bundesrat im Juni 2022 im Grundsatz befunden. Einige Jahre zuvor hatte die Regierung die Idee noch abgelehnt – namentlich mit dem Hinweis, dass hier kein Marktversagen ersichtlich sei.

Auch die jüngste vom Bund bestellte Untersuchung vom April 2022 durch das Institut für Wirtschaftsstudien in Basel ortete kein Marktversagen bei der Finanzierung von Jungfirmen. Doch Wirtschaftsminister Guy Parmelin wollte die Staatsfonds-Idee dennoch weiterverfolgen. Es gab zwar in der Regierung wenig Begeisterung, aber es gab auch kaum fundamentale Opposition. Die Begriffe «Jungunternehmen» und «Innovationsförderung» sind von links bis rechts positiv besetzt. Mit Einwänden im Namen der Ordnungspolitik unter dem Motto «Der Staat soll nur machen, was er besser kann als der Markt» gewinnt man zudem selbst im bürgerlichen Lager kaum Popularitätspreise. Und Skeptiker konnten hoffen, dass das Projekt in einer späteren Phase schon noch abstürzen würde – wenn es um die Details der Umsetzung geht.

Schuldenbremse umschifft

Nun kommen einige dieser haarigen Umsetzungsfragen am Mittwoch in den Bundesrat. Eine erste Kernfrage betrifft die Grösse des geplanten Fonds und dessen Finanzierung. Wirtschaftsminister Guy Parmelin beantragt dem Vernehmen nach, für den Fonds 500 Millionen Franken Bundesgelder aufzuwerfen. Das ist nicht die Welt. Aber es ist ein massiver Betrag in einer Zeit, in welcher der Bund gemessen am mittelfristigen Finanzplan und an den Regeln der Schuldenbremse keinen Spielraum für Mehrausgaben hat, sondern sparen muss.

Doch mit einem Kniff lässt sich das Projekt Staatsfonds finanzpolitisch durch Umschiffung der Schuldenbremse weitgehend entschärfen. So ist laut Beobachtern vorgesehen, dass der Bund nur rund einen Drittel der genannten 500 Millionen Franken als Aktienkapital in den Fonds einschiesst, dieser Einschuss gestaffelt über vier Jahre verläuft und der Rest via Bundesgarantie für die Fremdkapitalaufnahme des Fonds gewährt wird. Die Bundesgarantie würde das Budget erst dann belasten, wenn sie der Fonds benötigen würde. Mit diesem Konstrukt würden die Bundesbudgets über eine Vierjahresperiode mit überschaubaren Beträgen von jeweils unter 50 Millionen Franken pro Jahr belastet.

Auch die Kantone sollen sich am Aktienkapital beteiligen können. Doch laut Beobachtern zeigte sich nur eine Minderheit der befragten Kantone an einer Beteiligung interessiert; auch Zürich gehörte nicht zu den Interessierten. Solange der Bund bezahlt, ist aber nicht unbedingt mit starker Opposition der Kantone gegen einen Staatsfonds zu rechnen: Die Kantone müssten keine direkten Budgetkonsequenzen befürchten, und jeder Kanton kann hoffen, dass auch Firmen in seinem Gebiet vom Fonds profitieren.

Leuchtturm für Private?

Ein deklariertes Kernziel des geplanten Fonds ist das Anlocken von privaten Profi-Investoren – besonders Pensionskassen. Private Investoren dürften zwar dem Vernehmen nach kaum Interesse an einer direkten Kapitalbeteiligung an diesem Fonds haben, doch er soll externen Investoren geeignete Anlagevehikel zur Verfügung stellen und mit dem staatlichen Gütesiegel eine «Leuchtturm-Funktion» übernehmen. In einem angedachten Modell hätte der Fonds mittelfristig vielleicht etwa eine Milliarde Franken Investitionsmittel – wovon je die Hälfte vom Bund und von Externen käme. Ein befragter Pensionskassenberater erwartet allerdings nicht, dass ein staatlicher Fonds zu einem Nachfrageschub bei den Vorsorgeeinrichtungen führt.

Der geplante Fonds soll keine direkten Anlagen in Einzelprojekte tätigen. Vorgesehen ist stattdessen ein Dachfonds, der in diverse spezialisierte Risikokapitalfonds investiert. Bei einem Dachfonds kommt der erhoffte Leuchtturm-Effekt theoretisch eher zum Tragen, die Investitionsauswahl des Staatsfonds erscheint etwas weniger heikel als bei einzelnen Firmenprojekten, und die politischen wie finanziellen Risiken dürften insgesamt geringer sein.

Doch viele Schweizer Risikokapitalfonds investieren ihr Geld vor allem im Ausland. Gemäss der erwähnten Analyse des Basler Instituts für Wirtschaftsstudien investieren die 20 grössten Schweizer Risikokapitalfonds mit Anlagegeldern über 100 Millionen Dollar weniger als 10 Prozent ihrer Mittel in der Schweiz. Würde ein Schweizer Staatsfonds in solche Vehikel investieren, brauchte es daher laut Bundesangaben eine spezifische Vereinbarung mit diesen Vehikeln über den Mittelfluss in Schweizer Projekte. Denkbar ist auch, dass der geplante Schweizer Staatsfonds dem Europäischen Investitionsfonds ein Mandat für Anlagen in Schweizer Projekte gibt.

Wirtschaftsminister Guy Parmelin will das Projekt weitertreiben, obwohl es in seinem eigenen Departement viele Skeptiker gibt. Auch die Eidgenössische Finanzverwaltung hat sich gegen das Projekt ausgesprochen. Skeptiker bringen vor allem drei Einwände vor: Das Projekt sei unnötig (der Finanzierungsmarkt funktioniere), es bringe einen unangebrachten Ausbau der staatlichen Finanzierungsrolle (der Staat könne dies nicht besser als Private), und die geplante Bundesausgabe liege finanzpolitisch quer in der Landschaft.

Die anderen tun es auch

Das Kernargument der Befürworter läuft auf Folgendes hinaus: Viele andere Länder hätten auch solche staatlichen Investitionsvehikel, und wenn die Schweiz nicht mitmache, sei man benachteiligt. Die Schweiz ist keine Risikokapitalwüste. Gemäss den Erhebungen für den «Swiss Venture Capital Report» haben sich die jährlichen Risikokapitalinvestitionen von 2012 bis 2021 von unter 500 Millionen auf über 3 Milliarden Franken vervielfacht – und im ersten Halbjahr 2022 waren es allein über 2,5 Milliarden. In vielen anderen Ländern sind die Summen aber noch deutlich stärker gewachsen. 2021 lag die Schweiz gemessen an den Risikokapitalinvestitionen mit 0,4 bis 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung im Mittelfeld; Länder wie Israel, die USA und Schweden lagen zwischen 1 und 2 Prozent. Der Bundesrat strebt eine Grössenordnung von 1 bis 2 Prozent an.

Doch die Maximierung solcher Investitionen sollte kein Selbstzweck sein. Im «Global Innovation Index» der Weltorganisation für geistiges Eigentum nahm die Schweiz 2022 auch so zum zwölften Mal in Folge den Spitzenplatz ein. Auch im European Innovation Scoreboard der EU-Kommission lag die Schweiz 2022 auf Platz 1. Das heisst bei weitem nicht, dass alles im Lot wäre. Doch ob der geplante staatliche Innovationsfonds per saldo einen volkswirtschaftlichen Zusatznutzen brächte, ist unklar. Eine vom Institut für Wirtschaftsforschung in Wien im Juli 2022 publizierte Analyse über die internationale Forschungsliteratur und die Auswertung von Daten aus über 20 000 Risikokapitalprojekten in Europa lässt keinen klaren Schluss zu. In der Schweiz ist kein Marktversagen bei der Innovationsfinanzierung offenkundig, wie der Bund einräumt. So hängt am Ende sehr viel an der Behauptung, dass die Schweiz beim internationalen Subventionswettlauf einfach mitmachen müsse, um nicht ins Hintertreffen zu geraten.

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