Alles doch nicht so green? – Seite 1

Da war er wieder, dieser Habeck-Moment. Anfang September verkündete der Bundeswirtschaftsminister in Berlin zusammen mit mehreren Firmenchefs den Abschluss eines neuen Mietvertrags für ein weiteres schwimmendes Flüssiggasterminal. Fast im Monatstakt hat Robert Habeck in diesem Jahr neue Pläne für Anleger für verflüssigtes Erdgas, kurz LNG, vorgestellt. Immer sollte bei diesen Auftritten auch ein bisschen Aufbruchstimmung mitschwingen. Dem Grünenpolitiker schien es nie allein um die Energiesicherheit des Landes zu gehen, sondern vor allem um eine "starke Zukunftsperspektive", wie er sagt, um die grüne Energiewende.

Schließlich will Deutschland im Jahr 2045 klimaneutral wirtschaften, Erdgas braucht es dann nicht mehr. Und so versichert der Minister auch an diesem Tag, dass all die von der Bundesregierung geplanten LNG-Projekte auch "wasserstoffready" seien. Die Pipelines und auch die Terminals seien dafür geeignet, in Zukunft die grüne Energie nach Deutschland zu bringen, man denke "gleichzeitig die Loslösung der fossilen Infrastruktur mit".

Doch es gibt große Unsicherheiten, ob die geplanten LNG-Terminals tatsächlich von Beginn an für den Import von Wasserstoff und ähnlichen klimaneutralen Energieträgern geeignet sind. Möglicherweise wird gerade mit sehr viel Geld eine Infrastruktur buchstäblich zementiert, die Deutschland wieder auf Jahrzehnte an den fossilen Energieträger Erdgas bindet – wenn jetzt nicht klare Entscheidungen getroffen werden. 

Alles sollte schnell gehen

Eigentlich ist es eine Erfolgsgeschichte, die man in Deutschland nach der vermurksten Energiepolitik der vergangenen Jahrzehnte nur allzu gern glauben will. Um die Unabhängigkeit von russischen Gaslieferungen voranzutreiben, hat die Bundesregierung im Eiltempo eine vollkommen neue LNG-Infrastruktur auf den Weg gebracht. Erste Genehmigungen erteilte der Wirtschaftsminister schon kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine. Im Mai setzte Habeck dann das LNG-Beschleunigungsgesetz durch, mit dem er die Genehmigungsverfahren für den Bau der Terminals vereinfachte. Schnell sollte alles gehen und nahezu jedes Projekt willkommen sein. Und die Regierung lässt sich das einiges kosten: Allein für die Anschaffung und den Unterhalt der schwimmenden Terminals hat sie rund 6,56 Milliarden Euro eingeplant. 

Knapp neun Monate später sind die ersten maritimen Anlandestationen fertiggestellt, im Januar wird der erste mit Flüssiggas beladene Tanker in Wilhelmshaven erwartet. Ende 2023 könnten sieben schwimmende LNG-Terminals ans Gasnetz angeschlossen sein. Hinzu kommen drei stationäre Anlagen in Wilhelmshaven, Stade und Brunsbüttel, die frühestens 2025 oder 2026 in Betrieb gehen sollen. Während die Mietverträge für die temporären schwimmenden Terminals irgendwann auslaufen, sollen die stationären Terminals noch jahrzehntelang in Betrieb bleiben. In Zukunft könnten sie dann für den Import von Wasserstoff genutzt werden, verspricht die Bundesregierung dabei immer wieder.

Doch ausgerechnet für das Terminalprojekt in Brunsbüttel, das der Staat selbst mitbetreibt, sind die Planungen dafür noch sehr vage. Mit 50 Prozent ist die Bundesrepublik an der LNG-Gesellschaft beteiligt, die restlichen Anteile halten RWE und das niederländische Netzunternehmen Gasunie. Auf Anfrage teilt der Betreiber mit, dass man sich noch in einem frühen Planungsprozess befinde. Man prüfe derzeit intensiv, "welches die besten Varianten sind, das Terminal sorgfältig und zügig, aber auch zukunftsorientiert zu bauen".

Ein eindeutiges Bekenntnis zu einem Terminal, das sich später auch für die Lagerung von Wasserstoff eignet, hört sich anders an. Und dabei ist das Vorhaben nach Ansicht des Umweltministeriums in Schleswig-Holstein "inzwischen so weit fortgeschritten, dass Anfang 2023 die Genehmigungsverfahren für den Bau des LNG-Terminals eingeleitet" werden können.

Um zu verstehen, warum es schon heute wichtig ist, den Import von Wasserstoff mitzudenken, helfen ein paar chemische Zusammenhänge. Bisher sehen die Konzepte für eine klimaneutrale Energieversorgung vor, dass Deutschland große Mengen flüssigen Wasserstoffs per Schiff aus Ländern importiert, wo er mit Wind- und Solarstrom günstig hergestellt werden kann. Doch künftig wird der Wasserstoff wohl nicht als Wasserstoff über die Meere geschifft und an die Anlandestationen gebracht. Das Gas ist schwierig zu transportieren, weil man es auf minus 250 Grad herunterkühlen muss, um es zu verflüssigen. Deshalb plädieren die meisten Experten für die Nutzung von Ammoniak, das wiederum aus grünem Wasserstoff und Stickstoff hergestellt wird. Es lässt sich schon bei minus 33 Grad Celsius verflüssigen – und vereinfacht damit den Transport.

Nicht sicher, ob sich LNG-Terminals einfach umrüsten lassen

Vor allem die dauerhaft installierten stationären LNG-Terminals in Stade und Brunsbüttel sollten sich also für eine Lagerung von Ammoniak eignen. Dafür müssen sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen, die Leitungen und Tanks müssen aus Materialien bestehen, die dem Stoff standhalten. Ammoniak ist giftig und korrosiv, reagiert also mit seiner Umgebung. "Ob Tank, Rückverflüssigungsanlage, Dichtungen, Pumpen und Sicherheitskonzept – zahlreiche Komponenten müssen auf spezifische Energieträger ausgerichtet sein", sagt Matia Riemer, die beim Fraunhofer-Institut für System und Innovationsforschung zur Nutzung von Flüssiggas forscht. Ein Tank müsse etwa aus hochlegierten Edelstählen gefertigt sein, sonst entstünden später Ammoniakrisse. Doch Edelstahl ist teuer, wer nur für fossiles Erdgas plant, würde wohl günstigeres Material verwenden.

Fragt man in Brunsbüttel nach, aus welchen Materialien die Tanks und die Leitungen hergestellt werden sollen, gibt es keine konkreten Antworten. Die Betreibergesellschaft verweist lediglich darauf, dass man "die Umrüstung so gut wie möglich" berücksichtige. Was "Umrüstung" in diesem Zusammenhang bedeutet, bleibt unklar.

Auch im zuständigen Umweltministerium in Schleswig-Holstein herrscht offenbar noch Unkenntnis darüber, wie genau und mit welchen Materialien die teuren Tanks gebaut werden sollen. Lediglich von einem Fundament, das auch robust sei bei Ammoniak, ist die Rede. Wie weitere Anpassungen am Terminal ausfallen, um die Aufnahme von Wasserstoff zu ermöglichen, werde "vor allem von den technischen Entwicklungen der nächsten 15 Jahre abhängen", heißt es aus der Behörde.

Ist das tatsächlich "wasserstoffready"?

Das klingt auch nicht unbedingt nach dem, was man unter "wasserstoffready" verstehen könnte, wie Minister Habeck es immer wieder genannt hat. Experten gehen davon aus, dass eine spätere Umrüstung der Terminals teuer wird – oder sogar gar nicht machbar ist. "Es ist nach derzeitigem Kenntnisstand günstiger, bei den Tanks für die Terminals schon jetzt eine spätere Nutzung mit Flüssigwasserstoff oder Ammoniak mitzuplanen, als sie im Nachhinein nachzurüsten. Das wäre technisch aufwendiger und daher voraussichtlich teurer", sagt Riemer. Eine nachträgliche Umrüstung sei möglicherweise technisch gar nicht machbar, denn bisher gebe es keine Erfahrungen damit. "Uns ist nicht bekannt, dass ein stationäres LNG-Terminal jemals für die Nutzung von Wasserstoff umgerüstet wurde", sagt Riemer. Sie vermutet: "Wenn die Betreiber jetzt keine Vorkehrungen treffen, ist es nicht gesichert, dass das Terminal für die Nutzung von Wasserstoff oder Ammoniak nachgerüstet werden kann."

Problematisch ist auch: Die Betreiber der Anlagen sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, schon zu Beginn dafür zu sorgen, dass die Terminals später auch Wasserstoff importieren können. Maßgeblich hierfür ist das LNG-Beschleunigungsgesetz. Es legt nur fest, dass die Betreiber erst in zwölf Jahren eine Genehmigung beantragen müssen, wenn sie langfristig das Terminal "mit klimaneutralem Wasserstoff und Derivaten hiervon", also zum Beispiel Ammoniak, weiterbetreiben wollen. Wenn sie diese Genehmigung nicht bis 2035 gestellt haben, können sie die Terminals noch weitere acht Jahre nur mit Erdgas weiterlaufen lassen. Das bedeutet: Wer jetzt ein LNG-Terminal baut, kann damit fast 20 Jahre ausschließlich Erdgas importieren. Als Investitionsperspektive kann sich das schon lohnen.

Selbst in Habecks Ministerium vermeidet man inzwischen eher das Wort "wasserstoffready". Stattdessen heißt es: Es werde derzeit intensiv die "Umrüstbarkeit der Erdgasinfrastruktur" untersucht. Die Unternehmen würden im Detail prüfen, inwieweit sich die unterschiedlichen Anforderungen für Ammoniak und Wasserstoff auf die Planungen auswirkten.

Auf jeden Fall ist der Druck auf die Betreiber in Brunsbüttel, jetzt schon für die Zukunft vorzusorgen, in dieser Woche nochmals erheblich gesunken. Der jüngste Gasdeal mit Katar sichert LNG-Lieferungen bis zum Jahr 2041. Eigentlich müsste sich Deutschland zu diesem Zeitpunkt schon weitestgehend von fossiler Energie verabschiedet haben – sollte es seine Klimaschutzziele ernst nehmen.