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Margarete Stokowski

Mit Liebe gegen rechts Mal ein guter Trend aus Berlin

Liebe und Solidarität: Das sind genuin linke Formen der Gemeinschaftsbildung. Alle Rechten sind herzlich eingeladen, dabei mitzumachen - nur müssen sie dann eben mit Rechtssein aufhören.
re:publica in Berlin

re:publica in Berlin

Foto: Britta Pedersen/ dpa

Die kurze Phase zwischen Winterdepression und Sommerloch, die Frühling genannt wird, können wir ruhig mal nutzen, um über die Liebe und Solidarität als gesellschaftliche Konzepte nachzudenken. Warum Liebe, fragen Sie. Hat sie gekifft? Was soll Liebe auf gesellschaftlicher Ebene sein? Und das in einer Zeit, in der wir ständig von Hass sprechen: Hate Speech, Hate Mail, Hate Crimes, Rechtsradikale in Regierungen, Mehrheiten mit Ängsten vor Minderheiten, und Minderheiten mit Ängsten vor Übergriffen - das ist doch unsere Zeit, oder? Warum Liebe? Und woher soll Solidarität kommen, wenn alle Angst haben oder zumindest mit Scheißefinden beschäftigt sind?

Wenn vom Rechtsruck die Rede ist, dann findet unter Linken bisweilen ein Spektakel an Selbstbeschuldigung statt: Haben wir übertrieben mit unseren Forderungen nach gleichen Rechten für alle? Haben wir die sogenannten einfachen Leute vergessen, als wir uns um die sogenannten Minderheiten gekümmert haben? Haben wir gedacht, wir wären alle eigentlich schon viel weiter, in unserer linken, queeren Bubble mit Biokaffee? Waren wir naiv, arrogant, leichtsinnig, alles zusammen? Dieser absurde Mythos, Linke hätten sich in den letzten Jahren nur über Unisex-Toiletten Gedanken gemacht und damit die Sorgen der großen Mehrheit vergessen, ist nichts, was sich belegen ließe. Denn während wir auf unseren Unisex-Klos saßen, haben wir uns Gedanken gemacht: Wie sollen wir umgehen mit den Rechten, die allenthalben in Regierungen gewählt werden - oder nicht als Erste gewählt werden, aber an zweiter Stelle landen, wie eben in Frankreich? Wie sollen wir dem Hass begegnen, den sie verbreiten?

Auf diese Fragen kann es viele Antworten geben, aber eine ist sicher: Auf Hass sollte man nicht mit Selbsthass antworten. Zweifel sind gut, aber Zweifel, die zu Selbstzermürbung führen, müssen wir umleiten, damit wir am Ende nicht genau da landen, wo die Rechten uns sehen wollen: vereinzelt, misstrauisch, hoffnungslos, irgendwo am Rand, auf ihre Wahlpartys und Brexit-Verhandlungen starrend.

Sogar das Wort "alternativ" haben sie uns geklaut

Aber wo wir da ab und zu schon mal hinstarren, stellen wir fest: Vergemeinschaftung von rechts funktioniert immer wieder gleich. In ihrem Zentrum stehen Nationalismus und die Sehnsucht nach einer vermeintlichen früheren, goldenen Zeit, die Sehnsucht nach Autorität und die Ausgrenzung von allem, was ihnen fremd erscheint und was sie deswegen verachten.

Manchmal schaffen sie es, so zu tun, als wäre ihnen Freiheit wichtig - aber nur Meinungsfreiheit für die, die rassistisches Zeug labern wollen. Oder Gerechtigkeit - aber nur in dem Sinne, dass sie selbst nicht zu kurz kommen wollen, wenn neue Leute ins Land kommen, deswegen hetzen sie vorsichtshalber gegen die Ärmsten der Armen, damit die bloß nicht zu viel kriegen. Oder sie sprechen von Sicherheit - und meinen damit doch nur Abgrenzung, ihre autoritätsgeilen Träume von Recht und Ordnung und einer harten Hand, die ihnen zeigt, wo es langgeht.

Rechte schaffen es immer wieder, so zu tun, als würden sie für moderne Werte stehen. Sogar das Wort "alternativ" haben sie uns geklaut. Sie schaffen es immer wieder, Leute zu verarschen und so zu tun, als sei die Gleichheit, die Linke meinen, in Wirklichkeit Gleichmacherei, und als sei die Freiheit, die wir meinen, in Wirklichkeit Orientierungslosigkeit. Aber niemals, wirklich niemals werden sie so tun können, als stünden sie für Liebe und Solidarität. Das sind genuin linke Formen der Vergemeinschaftung, und alle Rechten sind herzlich eingeladen, dabei mitzumachen, nur müssen sie dann eben mit Rechtssein aufhören.

Wenn Rechte von Liebe sprechen, dann sprechen sie von Heimatliebe

Wenn Rechte von Liebe sprechen, dann sprechen sie von Heimatliebe, von schönen deutschen Landschaften mit paarungswilligen Paarhufern und Kulturerzeugnissen wie... Wurst. Oder meinetwegen Schiller-Gedichten und Pünktlichkeit. Sie müssen es so abstrakt halten, sie können sich nicht auf Menschen beziehen, weil sie dann ganz schnell wieder Grenzen ziehen müssten. Denn Liebe zwischen Menschen ist etwas, was sie bedroht, wenn es nicht auf dem äußerst schmalen Streifen stattfindet, den sie dafür vorgesehen haben. Solidarität ist etwas, was sie bedroht, denn sie leben von Entsolidarisierung und Angst.

Liebe und Solidarität sind exakt die Werte, bei denen Rechte nicht mal im Ansatz so tun können, als ob sie dafür stehen. Und deren Gemeinschaft, die sich durch nationale Zugehörigkeit und abgeschottete Heimat auszeichnet, die wollen wir nicht haben. Es ist nicht so, dass sie es nicht versuchen, sich auch auf Liebe zu beziehen. In einem Vortrag, den ich dieser Tage auf der re:publica mit der Philosophin Eva von Redecker halte, über Solidarität als anonyme Liebe, erklärt sie das: "Deshalb haben die Rechten ja auch so einen Vogel mit traditioneller Weiblichkeit. Da holen sie sich heimlich den Stoff, ohne den sie auch nicht können und den sie sonst niemandem gönnen. Aber erpresste Liebe ist keine Solidarität." Die Netzkonferenz re:publica findet in Berlin statt - Stadt der Liebe, sowieso -, zufälligerweise zum Thema: Love out loud. Mal ein guter Trend aus Berlin. Machen Sie ruhig mit.