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Panorama Nazi-Symbolik

Tchibo kapituliert vor „18“-Shitstorm

Diese Kinderschuhe mit der Aufschrift „18“ sind der Stein des Anstoßes. Mittlerweile hat Tchibo das Produkt aus seinem Sortiment genommen Diese Kinderschuhe mit der Aufschrift „18“ sind der Stein des Anstoßes. Mittlerweile hat Tchibo das Produkt aus seinem Sortiment genommen
Diese Kinderschuhe mit der Aufschrift „18“ sind der Stein des Anstoßes. Mittlerweile hat Tchibo das Produkt aus seinem Sortiment genommen
Quelle: Screenshot Tchibo
Der Kaffeeröster Tchibo verkauft in seiner Kollektion Turnschuhe mit der Aufschrift „18“. Die Zahl gilt als Code für die Initialen Adolf Hitlers. Jetzt hat die Firma die Schuhe vom Markt genommen.

Zeig’ mir, was du trägst und ich sag’ dir, wer du bist. Modeberater mögen nach dieser Formel urteilen, wenn sie den Stil einer Person einschätzen wollen. Doch auch über die Überzeugungen eines Menschen lässt sich mit einem Blick auf das Outfit einiges schlussfolgern.

Dieses Bonmot jedoch scheinen die Designer des Handelskonzerns Tchibo im Fall eines ihrer Produkte nicht beachtetet zu haben. Das Unternehmen, das neben Kaffee unter anderem auch Bekleidung, Mobilfunkverträge und Ökostrom verkauft, muss sich gerade mit einem Shitstorm im Internet auseinandersetzen. Stein des Anstoßes sind von Tchibo vertriebene Kinderturnschuhe mit der Aufschrift „18“.

So postete unter anderem das Anti-Nazi-Blog Publikative.org auf seiner Facebook-Seite einen Link zum Tchibo-Onlineshop und dem betreffenden Produkt mit den Worten: „Vergesst Thor Steinar und alle anderen Neonazi-Marken: Jetzt kommt Tchibo…“ Seitdem verbreitete sich die Nachricht über den Turnschuh mit dem Zahlenprint im Netz und mit ihr auch die Kritik daran.

Zahlenkombinationen als Erkennungszeichen

Die Zahlenkombination gilt neben vielen anderen Codes als Erkennungszeichen der rechtsextremen Szene. Die Ziffern stehen für die Position eines Buchstaben im Alphabet. Die Zahl 1 verweist demnach auf das A, die 8 auf den Buchstaben H. Gemeinsam ergeben sie die Initialen Adolf Hitlers. Ähnliches gilt für die Kombinationen 14, 28 (“Blood and Honour“) und 88 (“Heil Hitler“).

User kritisierten im Netz denn auch den Zusammenhang der Zahl 18 mit der rechtsextremen Szene: „Das Problem ist ganz einfach, dass Firmen nicht kapieren, dass ihre Produkte somit von Nazis missbraucht werden“, schreibt einer von ihnen.

Andere wiederum finden die Kritik an Tchibo übertrieben. „Nach der Logik müsste man dann demnächst auch sämtliche Fußball-/Basketball-/Handball-Trikots mit einer 18 drauf verbieten“, schreibt ein User auf Facebook. „Hinter allem einen Zahlencode für eine rassistische Verschwörung zu wittern, hat was leicht Paranoides.“

Auch der Betreiber des Anti-Nazi-Blog Publikative.org, Patrick Gensing, will die Diskussion nicht aufbauschen: „Es gibt wichtigere Probleme im Kampf gegen Nazis als sich an der Verwendung einer Zahl auf Kinderturnschuhen abzuarbeiten“, sagte er der „Welt“. Den Post auf der Facebook-Seite des Blogs will er relativiert wissen: „Uns ging es lediglich darum, auf ein skurriles Produkt aufmerksam zu machen.“

Vertrieb von Kleidung als Geldquelle

Tatsächlich sind viele dieser Geheimzeichen für Außenstehende kaum erkennbar, innerhalb der rechten Szene sind sie jedoch ideologische aufgeladene Symbole der Gemeinschaft. So wählte eine militante Strömung der „Blood and Honour“-Bewegung die Zahl für ihren Namen: „Combat 18“. Die ursprünglich von britischen Skinheads gegründete rechtsextreme Gruppierung wurde durch mehrere tödliche Bombenanschläge gegen Ausländer in England bekannt und hat auch in Deutschland verschiedene Ableger.

Auch gilt der Vertrieb von Kleidung mit einschlägigen Szenesymbolen und -codes eine wesentliche Geldquelle deutscher Rechtextremisten. Die Szene verdiene durch den Vertrieb von Musik und Kleidung inzwischen jedes Jahr mehrere Millionen Euro, warnten Experten auf einer Fachtagung des Verfassungsschutzes der Länder Brandenburg und Sachsen vergangenes Jahr in Potsdam.

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Tchibo selbst nimmt die Kritik an seinem Produkt deshalb besonders ernst. „Uns ist bewusst, dass bestimmte Zahlen, Symbole, Ausdrücke oder Redewendungen belastet sind“, teilte das Unternehmen mit. „Bei der Gestaltung der Kinderturnschuhe wurde leider nicht bedacht, dass die Verwendung der Zahl 18 auch als ideologisches Erkennungszeichen interpretiert werden könnte“, sagte ein Unternehmenssprecher der „Welt“. Dies habe zu einigen ironischen, zum Teil aber auch betroffenen Rückmeldungen geführt. Aus diesem Grund habe man den Kinderschuh nun aus dem Programm genommen.

Werbeaktion mit dem Spruch „Jedem den Seinen“

Der Konzern war bereits vor einigen Jahre in die Kritik geraten, nachdem das Unternehmen verschiedene Kaffeesorten mit den Worten „Jedem den Seinen“ vertrieben hatte. Gemeinsam mit dem Mineralölkonzern Esso hatte der Kaffeeproduzent an 700 Tankstellen für seine Produkte geworben. Die ursprünglich aus der römischen Antike stammende Sentenz „Jedem das Seine“ wurde im Dritten Reich von den Nationalsozialisten als Propaganda-Spruch missbraucht und an den Toren des Konzentrationslagers Buchenwald bei Weimar angebracht.

Andere Unternehmen wie Fred Perry, Lonsdale oder Alpha Industries klagten in der Vergangenheit immer wieder über Imageprobleme, da die Marken im rechtsextremen Milieu bewusst als eine Art Gemeinschaftsuniform getragen werden. Anders jedoch die Kleidungskollektionen der Marke Thor Steinar aus dem brandenburgischen Königs Wusterhausen. Während Marken wie Lonsdale zunächst in regulären Sportgeschäften vertrieben und schließlich von Neonazis vereinnahmt wurde, gab es Thor Steinar anfangs fast ausschließlich bei einschlägigen Naziläden und Versandhandeln zu kaufen.

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