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AfD nach Meuthens Wutrede Jetzt droht Rache von Rechtsaußen

Gerade erst jubelten die Anhänger von AfD-Chef Jörg Meuthen wegen seines Punktsiegs auf einem turbulenten Parteitag. Die Freude allerdings könnte nicht von Dauer sein – alle schauen jetzt auf Björn Höcke.
AfD-Chef Meuthen in Kalkar

AfD-Chef Meuthen in Kalkar

Foto: WOLFGANG RATTAY / REUTERS

Auf der Internetseite des Verlegers Götz Kubitschek wird seit einiger Zeit für eine Studie geworben. »Scheitert die AfD?«, lautet der Titel, erschienen ist das Papier im hauseigenen »Institut für Staatspolitik«.

Darin geht es auch um den Kurs von Parteichef Jörg Meuthen und jenem Teil der AfD, der im Mai mit einem Vorstandsbeschluss dafür sorgte, dass der damalige Brandenburger AfD-Vorsitzende Andreas Kalbitz seine Mitgliedsrechte verlor.

Kubitschek, Verleger am rechten Rand und selbst nicht in der AfD, gilt als einer der engsten Weggefährten des Thüringer AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, Leitfigur des inzwischen offiziell aufgelösten, vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften »Flügel«-Netzwerks der Partei.

Höckes Niederlage?

Über den jüngsten Bundesparteitag der AfD in Kalkar, auf dem Meuthen mit seiner Rede den rechten Rand der AfD scharf angriff und am Sonntag nur knapp einem Missbilligungsantrag entging, hat sich Kubitschek bislang noch nicht auf seiner Internetseite eingelassen – entgegen sonstigen Gepflogenheiten.

Am Dienstag dann meldete sich Kubitschek doch noch zu Wort: Meuthen führe einen »Kampf gegen die eigenen Leute mit den Mitteln des Gegners« und habe den festen Vorsatz, die Partei in seinem Sinne zu reinigen, »im Sinne des Establishments«. Sie werde dann, so Kubitscheks Fazit, »keine Alternative mehr sein«.

Kalkar, so sehen es die Anhänger von Meuthen in der AfD, war auch eine Niederlage Höckes. Der Thüringer trat selbst zu keinem Zeitpunkt ans Rednerpult, mischte aber mit. »Herr Höcke, zeigen Sie sich. Sie sind der Strippenzieher im Hintergrund«, rief der Berliner AfD-Bezirksstadtrat Andreas Otti am Sonntag in die Halle.

Offenbar aber agierte Höcke nicht so erfolgreich wie zu Zeiten, als ihm Kalbitz noch zur Seite stand. Kalbitz galt als »Flügel«-Organisator, bis er seine AfD-Mitgliederrechte per Vorstandsbeschluss verlor. Ihm wurde vorgehalten, beim Eintritt in die Partei eine Mitgliedschaft in der neonazistischen HDJ verschwiegen zu haben. Kalbitz bestreitet, je Mitglied gewesen zu sein, klagt vor Gericht für seine Rückkehr in die Partei. Dem Verfassungsschutz liegt indes eine HDJ-Mitgliedsnummer vor. Kalbitz

Ganz draußen ist Kalbitz dennoch nicht, als parteiloser Abgeordneter sitzt er in der Brandenburger AfD-Landtagsfraktion, im Oktober reiste er mit einer AfD-Reisegruppe in die Krisenregion von Bergkarabach. Kalkar hat er verfolgt, am Bildschirm. »Die teilweise spalterischen Entgleisungen von Jörg Meuthen«, sagte Kalbitz zum SPIEGEL, seien Ausdruck »persönlicher Nervosität, des Verlustes seines Bezugs zur Parteibasis und eines schockierenden politischen Unvermögens, das sich in den aktuellen Umfrageergebnissen widerspiegelt«.

Mehrheit für Meuthen im Bundesvorstand

In Kalkar sah es Meuthen andersherum: Die Aktion von zwei AfD-Abgeordneten, über die Rechtsaußen-Blogger in den Bundestag kamen und Parlamentarier bedrängten, hätten sich unmittelbar in einer Forsa-Umfrage ausgewirkt, in der die AfD auf sieben Prozent kommt. Bei der Bundestagswahl 2017 erzielte sie 12,6 Prozent.

Meuthen, so sehen es seine Anhänger, hat in Kalkar einen Punktsieg errungen. »Man hatte den Eindruck, dass Kalbitz fehlte. Der hat auf Parteitagen herumgewirbelt und für Höcke Mehrheiten zusammengebracht«, sagte ein AfD-Mitglied, das anonym bleiben will.

Auf mehreren Posten musste nachgewählt werden: Unter anderem gelangten mit dem Schatzmeister Carsten Hütter aus Sachsen, seinem Vize Christian Waldheim aus Schleswig-Holstein und der für Kalbitz nachgerückten Bundestagsabgeordneten Joana Cotar aus Hessen drei Vertreter in den Bundesvorstand, die zum sogenannten gemäßigten Lager gerechnet werden.

Cotar, einst kurzzeitig in der CDU, hatte nach ihrer Wahl in einem Interview den Schlag gegen Kalbitz verteidigt. Man habe »keine andere Wahl gehabt, den Rausschmiss zu beschließen«.

Damals noch zusammen in einer Partei: Andreas Kalbitz, Björn Höcke und Stephan Brandner

Damals noch zusammen in einer Partei: Andreas Kalbitz, Björn Höcke und Stephan Brandner

Foto: RONALD WITTEK/EPA-EFE/REX

Im AfD-Bundesvorstand ist die 47-Jährige nun eines von 15 Mitgliedern, nur der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland hat dort kein Stimmrecht. Das Meuthen-Lager verweist seit dem Wochenende auf stimmberechtigte zehn Vertreter – gegen vier Vertreter, die einst gegen den Rauswurf von Kalbitz im Gremium waren, unter ihnen Fraktionschefin Alice Weidel und Meuthens Co-Parteichef Tino Chrupalla.

Doch Weidel und Chrupalla – sie werden derzeit als mögliches Spitzenteam für den Bundestagswahlkampf 2021 gehandelt – verkämpfen sich nicht für Kalbitz, das wurde in den vergangenen Monaten deutlich.

Anders agiert Gauland, der die Art und Weise der Annullierung der Mitgliedschaft kritisierte und auf eine endgültige Entscheidung vor einem Zivilgericht setzt.

Meuthen will seine Partei vor einer Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz bewahren. Doch wie stark sind seine Anhänger wirklich? Kalkar war ein Gradmesser. Bei den Wahlen erzielten die sogenannten Gemäßigten Ergebnisse von knapp über 50 Prozent. Vor allem aus den westlichen Landesverbänden erhielt Meuthen Unterstützung, aus dem Osten gab es zum Teil scharfe Kritik. Immerhin zeigte sich, dass auch Meuthens Anhänger offenkundig zu netzwerken verstehen – gegen Höcke und Co.

Im Bundesvorstand sitzt mit dem Thüringer Bundestagsabgeordneten und Vizeparteichef Stephan Brandner ein Anhänger Höckes. Gegenüber dem SPIEGEL nennt Brandner die Rede Meuthens »bemerkenswert, allerdings deplatziert und politisch unklug«. »Leider« habe Meuthen »den Irrweg«, den er im Frühjahr begonnen habe – gemeint ist Kalbitz' Rauswurf –, fortgesetzt. »Er wird offenbar aus Schaden nicht klug«, so Brandner. Der Jurist wünscht sich, dass Meuthen derartige »überflüssige und schädliche innerparteiliche Polarisierungen« zukünftig unterlasse, ab sofort im Sinne der Partei agiere und sich auf den politischen Gegner konzentriere, »der außerhalb der AfD steht«. Mit den neugewählten Kollegen, ergänzt Brandner, hoffe er »auf gute Zusammenarbeit«.

Die Worte Brandners klingen indes nicht nach einem Friedensschluss. Meuthen und seine Anhänger wissen das.

In Kalkar hat sich der Parteichef für AfD-Verhältnisse mit seiner Rede weit vorgewagt und mit Blick auf seinen Kurs am Sonntag noch draufgelegt und erklärt, wem das nicht gefalle, »der möge einen Abwahlantrag zum nächsten Parteitag stellen«.

Tatsächlich sind reguläre Vorstandswahlen erst in einem Jahr, nach der Bundestagswahl. Davor soll es im Frühjahr einen weiteren Parteitag geben, auf dem womöglich das Spitzenteam für die Bundestagswahl gekürt wird. Ob die Rechtsaußen dort den Kampf gegen Meuthen aufnehmen? Kurz vor dem Wahlkampf?

In anderen Parteien ließe sich das wohl verneinen. Für eine Partei wie die AfD gilt das nicht.

Hinweis der Redaktion: Die Zitate aus einem am 1. Dezember erschienenen Artikel von Götz Kubitschek wurden in eine spätere Fassung dieses Textes aufgenommen.

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