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1. Die Klage wird abgewiesen.
2.. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
2Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Unterlassungsanspruch sowie einen Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten geltend.
3Die Klägerin führt in Köln ein Geschäft für Sanitätsbedarf und Orthopädietechnik. Der Beklagte ist Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Rheumatologie und in Köln niedergelassen.
4Am 28.10.2019 suchte der von einem Unternehmen im Rahmen eines bezahlten Praktikums hierzu beauftragte, in Düsseldorf wohnhafte Zeuge T die Praxis des Beklagten auf und ließ sich dort von diesem untersuchen. Nach Durchführung der Untersuchung, die in Anwesenheit einer bei dem Beklagten beschäftigten Arzthelferin, der Zeugin T1 stattfand, verordnete der Beklagte dem Zeugen T orthopädische Einlagen. Zudem empfahl er ihm zu deren Erwerb das in Praxisnähe befindliche Sanitätshaus S, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob zuvor der Zeuge T eine Empfehlung erbeten hatte.
5Nach seinem Besuch verfasste der Zeuge T einen Besuchsbericht, in dem weder das Erbitten, noch das Fehlen einer Bitte um Empfehlung eines Sanitätshauses dokumentiert ist. Hinsichtlich des Inhalts des Berichts im Einzelnen wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen wird (Bl. 8 d.A.). Dem Zeugen T war für seine Tätigkeit kein Erfolgshonorar versprochen.
6In der durch den Beklagten geführten Patientenakte betreffend den Zeugen T heißt es, dass diesem das Sanitätshaus S auf Nachfrage empfohlen worden sei. Bezüglich des Inhalts der Patientenakte wird auf die Ablichtung auf Bl. 103 d.A. Bezug genommen.
7Die Klägerin mahnte den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 07.11.2019 ab, weil sie in der dem Zeugen T gegenüber ausgesprochenen Empfehlung einen Wettbewerbsverstoß sah (Abl. K 3, Bl. 10 ff. d.A.).
8Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte beim Unterschreiben des für den Zeugen T bestimmten Attests zum Erwerb der Einlagen das in der Nähe der Praxis befindliche Sanitätshaus S auf der MStraße verbunden mit dem Hinweis empfohlen habe, dass dort sicher gearbeitet werde. Nachfolgend habe die Praxismitarbeiterin ihm den Weg erklärt. Der Zeuge T habe nach einer Empfehlung nicht gefragt, was auch angesichts seines Wohnorts Düsseldorf keinen Sinn ergeben hätte.
9Dass in der Praxis des Beklagten im Rahmen von Teambesprechungen darauf hingewiesen werde, dass die Mitarbeiter von sich aus keine Empfehlungen für Sanitätshäuser u.ä. aussprechen sollen, bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen.
10Die Klägerin hat zunächst angekündigt zu beantragen, den Beklagten bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel dazu zu verurteilen, es zu unterlassen, Patienten zur Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln an die Firma S Zentrum für Gesundheit GmbH Köln dadurch zu verweisen oder die Firma dadurch zu empfehlen, dass er und/oder sein Praxispersonal die Firma von sich aus unmittelbar oder mittelbar namentlich benennt, ohne dass dafür ein hinreichender Grund besteht und/oder ohne dass der Patient zuvor um eine Empfehlung gebeten hat.
11Die Klägerin beantragt nunmehr,
121. der Beklagte wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft, verurteilt, es zu unterlassen, Patienten/innen zur Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln, insbesondere mit Einlagen, an die Firma S , Zentrum für Gesundheit GmbH, Köln, dadurch zu verweisen oder die Firma S dadurch zu empfehlen, dass er und/oder sein Praxispersonal die Firma S von sich aus unmittelbar oder mittelbar namentlich benennt, ohne dass dafür ein hinreichender Grund besteht, wie geschehen am 26.10.2019 gegenüber Herrn T .
132. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin vorgerichtliche Kosten i.H.v. 984,60 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
14Der Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Der Beklagte behauptet, dass der Zeuge T nach einer Empfehlung des nächstgelegenen Sanitätshauses mit guten Leistungen gebeten habe, was entsprechend in der Patientenakte dokumentiert worden sei. In der Praxis des Beklagten werde im Rahmen von Teambesprechungen, die dokumentiert würden, immer wieder darauf hingewiesen, dass ungebeten keine Leistungserbringer empfohlen werden dürften. Bei Aussprache einer Empfehlung seien sowohl diese als auch der Grund der Empfehlung in der Patientenakte zu dokumentieren.
17Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien ausgetauschten Schriftsätze nebst deren Anlagen und auf die Protokolle zu den mündlichen Verhandlungen vom 29.9.2020 sowie vom 9.3.2021 Bezug genommen (Bl. 71 f., Bl. 98 ff. d.A.).
18Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen T und der Zeugin T1. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 09.03.2021 verwiesen (Bl. 98 ff. d.A.).
19Entscheidungsgründe:
20Die Klage ist zulässig, bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.
21I.
22Die Klage ist zulässig. Insbesondere bestehen gegen die Bestimmtheit des Klageantrags zu 1) (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) trotz der Verwendung des auslegungsbedürftigen Merkmals eines „hinreichenden Grunds“ keine Bedenken. Dieses Tatbestandsmerkmal, das in den Berufsordnungen der Ärzte im Rahmen der dort normierten Zuwendungsverbote aufgenommen ist, ist nach der Rechtsprechung des BGH ausreichend konkretisiert. Eine weitere Konkretisierung ist der Klägerin nicht möglich und kann von ihr nicht verlangt werden, ohne ihr die Durchsetzung ihrer Rechte unzumutbar zu erschweren (BGH NJW 2011, 2211 Rn. 18 - Hörgeräteversorgung II).
23II.
24In der Sache bleibt die Klage jedoch ohne Erfolg.
251.
26Der Klägerin steht der mit Antrag 1) begehrte Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten weder aus §§ 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, 3,3 a UWG i.V.m. § 31 Abs. 2 BoÄ-NR noch aus einer sonstigen Norm zu.
27Nach § 31 Abs. 2 BoÄ-NR – einer Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (vgl. BGH GRUR 2017, 194, Rn. 41 – Orthopädietechniker, zur parallelen Regelung in § 31 Abs. 2 BayBoÄ) – dürfen Ärzte ihren Patientinnen und Patienten nicht ohne hinreichenden Grund bestimmte Ärztinnen oder Ärzte, Apotheken, Personen oder Unternehmen, die Heil- und Hilfsmittel erbringen oder sonstige gesundheitliche Leistungen anbieten, empfehlen oder an diese verweisen. Ein hinreichender Grund ist unter Berücksichtigung der ärztlichen Fürsorgepflicht dabei unter anderem dann gegeben, wenn ein Patient eine Empfehlung erbittet (vgl. BGH NJW 2011, 2211, Rn. 27 -30 – Hörgeräteversorgung II, zur inhaltsgleichen Regelungen in der NdsBoÄ).
28a.
29Die Klägerin wäre gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG hinsichtlich eines aus § 8 Abs. 1 UWG i.V.m. § 31 Abs. 2 BoÄ-NR folgenden Unterlassungsanspruchs aktivlegitimiert. Für die insoweit erforderliche Eigenschaft als Mitbewerber ist auf das Verhältnis zwischen der Klägerin und dem nach ihrem Vortrag durch den Beklagten empfohlenen Sanitätshaus abzustellen. Denn wenn ein Unternehmer gegen einen Dritten vorgeht, der durch seine geschäftliche Handlung ein fremdes Unternehmen fördert, so muss das konkrete Wettbewerbsverhältnis zu dem geförderten Unternehmen bestehen (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 38. Aufl. 2020 Rn. 3.27, UWG § 8 Rn. 3.27). Zwischen der Klägerin und dem Sanitätshaus S als durch den Beklagten etwaig gefördertes Unternehmen besteht ein Wettbewerbsverhältnis.
30b.
31Dass der Beklagte dem Zeugen T wie von der Klägerin behauptet anlässlich der Verschreibung von Einlagen das Sanitätshaus S empfohlen hat, ohne dass der Zeuge T zuvor um eine Empfehlung nachgesucht hat, hat die Klägerin indes nicht bewiesen.
32Die Aussage des Zeugen T war zunächst insoweit nicht ergiebig, als der Zeuge bei der ersten Schilderung seines Besuchs in der Praxis des Beklagten angegeben hat, dass er sich nicht erinnere, ob er nach einer Empfehlung für ein konkretes Sanitätshaus gebeten habe.
33Zwar hat der Zeuge auf Befragen der Klägervertreterin sodann angegeben, dass er eine entsprechende Nachfrage seinerseits im Besuchsbericht notiert hätte, wenn es sie denn gegeben hätte. Auch hat er erläutert, dass er sich zwar nicht mehr erinnere, Anweisungen des ihn im Rahmen eines bezahlten Praktikums beauftragenden Unternehmens dahingehend erhalten zu haben, dass er nach Empfehlungen nicht fragen solle. Er denke jedoch, dass er nicht habe fragen sollen; der Grund des Auftrags – die Überprüfung, ob ohne Nachfrage Sanitätshäuser empfohlen würden – sei ihm klar gewesen. Diesen Angaben des Zeugen konnte jedoch nicht gefolgt werden, weil die Zeugenaussage insgesamt nicht glaubhaft war.
34Soll einer für die Beweisfrage ergiebigen Zeugenaussage gefolgt werden, hat das Gericht zunächst Anhaltspunkte zu finden, die dafür sprechen, dass die Auskunftsperson die Wahrheit sagt. Dabei ist im Ausgangspunkt davon auszugehen, dass die Aussage unwahr sei. Jede Zeugenaussage hat danach solange als unzuverlässig zu gelten, wie diese Hypothese nicht eindeutig aufgrund von Realitätskritierien, die für die Glaubhaftigkeit der Aussage sprechen, widerlegt ist (vgl. etwa OLG Frankfurt, Urteil vom 09. Oktober 2012 – 22 U 109/11 –, Rn. 28, juris). Als Realitätskriterien gelten dabei unter anderem der Detailreichtum der Aussage auch im Kernbereich, die Bekundung origineller Einzelheiten etwa in Form bestimmter Gesprächsinhalte, die Schilderung von Gefühlen oder die Konstanz der Aussage. Kriterien für die Unwahrheit einer Aussage sind dagegen beispielsweise deren Kargheit oder wenn der Zeuge zu den für ihn unwesentlichen Punkten Wahrnehmungen gemacht haben und sich daran nach längerer Zeit erinnern können will, dagegen aber behauptet, in den für ihn damals zentralen Punkten keine Wahrnehmungen gemacht zu haben oder sich daran heute nicht mehr erinnern zu können (MüKoZPO/Damrau/Weinland, 6. Aufl. 2020, ZPO § 373 Rn. 37 ff., jeweils m.w.N.).
35Unter Berücksichtigung dieser Kriterien konnte sich die Kammer nicht mit dem von § 286 ZPO geforderten Maß davon überzeugen, dass der Zeuge zutreffend bekundet hat, dass er in seinen Bericht seine etwaige Bitte um Empfehlungen aufgenommen hätte und ihm klar gewesen sei, dass der ihm erteilte Auftrag dahin ging festzustellen, ob Empfehlungen ohne Nachfrage ausgesprochen würden.
36Zunächst war die Aussage des Zeugen hinsichtlich der Frage des Ob und Wie einer Empfehlung auffällig detailarm, obwohl davon auszugehen gewesen wäre, dass seine Erinnerung bezüglich dieser Punkte besonders ausgeprägt ist, weil es sich um den Grund handelte, aus dem er die Praxis aufgesucht hatte. So will sich der Zeuge wie dargelegt nicht mehr erinnert haben, ob er den Beklagten nach einer Empfehlung gebeten hat und hat auf Nachfrage bekundet, dass er nicht wisse, ob die Empfehlung von der Beklagten oder der Sprechstunde gekommen sei. Demgegenüber hat sich der Zeuge nach seinen Angaben an Details erinnert, die angesichts des ihm erteilten Auftrags auch aus seiner Sicht nebensächlich gewesen sein müssen. Das gilt für die Wartedauer im Wartezimmer (20 Minuten), die Behandlungsdauer (10 bis 15 Minuten), die Anwesenheit der Sprechstundenhilfe im Behandlungsraum und deren Tätigkeit hierbei (Abfassen von Notizen) sowie die Übergabe eines iPads im Wartezimmer zur Angabe der eigenen Daten.
37Auch ist festzustellen, dass die Angaben des Zeugen zum hier interessierenden Kerngeschehen teils nicht konstant waren. Denn während er wie dargelegt auf Nachfrage angegeben hat, keine Erinnerung mehr daran zu haben, ob der Beklagte oder die Sprechstunde ihm die Empfehlung gegeben hat, hat er in seiner ersten Schilderung noch erklärt, dass es der Beklagte gewesen sei, der die Empfehlung ausgesprochen habe.
38Weiter wirkte der Bericht des Zeugen betreffend die Frage des Ob und Wie einer Empfehlung ausweichend. Nicht nur hat sich der Zeuge wie bereits dargelegt insoweit weitestgehend auf Erinnerungslücken berufen. Auf Bitten der Beklagtenvertreterin zum Ende der Vernehmung, den Ablauf des Besuchs noch einmal geschlossen zu schildern, hat der Zeuge die Empfehlung vielmehr überhaupt nicht mehr erwähnt.
39Die Aussage des Zeugen wies auch keine sonstigen Realkennzeichen in ausreichendem Umfang auf; so hat er beispielsweise originelle Einzelheiten wie etwa die in dem Besuchsbericht noch behauptete Wortwahl des Beklagten anlässlich der Empfehlung (im Sanitätshaus S arbeite man sicher) nicht genannt oder etwaige Gefühlsregungen etwa in Form eines Aufgeregtseins oder eines Erfolgsgefühls anlässlich des Ausspruchs einer Empfehlung, deren etwaige Dokumentation immerhin den Grund seines Besuchs darstellten, nicht geschildert.
40Auf die Aussage der Zeugin T1 kam es nach alledem nicht an, weil die Klägerin schon den ihr obliegenden Hauptbeweis nicht geführt hat.
412.
42In Ermangelung eines Unterlassungsanspruchs scheitert auch der Antrag auf Abmahnkostenersatz.
43II.
44Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 S. 2 ZPO.
45Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 04.05.2021 bot nach pflichtgemäßen Ermessen keinen Anlass für eine Wiedereröffnung.