S 12 KA 39/17, S 12 KA 98/17, S 12 KA 99/17

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 39/17, S 12 KA 98/17, S 12 KA 99/17
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Nach Umwandlung der Angestelltenstelle eines MVZ nach § 95 Abs. 9b SGB V wird der Versorgungsauftrag in den Bereich eines zugelassenen Vertragsarztes verlagert. Der Patientenstamm wird jedenfalls dann übernommen, wenn das Gebiet der ausscheidenden Ärztin nach der Umwandlung im MVZ nicht mehr vertreten ist. Damit fehlt es an den Voraussetzungen für eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen aufgrund der sog. Jungpraxenregelung.
1. Die Klagen werden abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

3. Der Streitwert wird für das Verfahren mit Az.: S 12 KA 39/17 auf 6.548,47 EUR, für das Verfahren mit Az.: S 12 KA 98/17 auf 6.424,61 EUR und für das Verfahren mit Az.: S 12 KA 99/17 auf 7.076,34 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars und eine Sonderregelung zum Regelleistungsvolumen (RLV) als sog. junge Praxis für die drei Quartale II bis IV/15.

Die Klägerin ist als Fachärztin für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie seit 01.04.2015 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Zuvor war sie im Zeitraum 01.07.2010 bis 31.03.2015 in dem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) C. in A-Stadt zunächst als hausärztlich tätige Internistin angestellt gewesen, ab dem 01.07.2011 im Rahmen einer qualifikationsgebundenen Sonderbedarfsanstellung mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie mit 30 Stunden pro Woche (Faktor 0,75) und ab dem 01.04.2014 mit 48 Stunden pro Woche (Faktor 1,0).

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 24.03.2015 und 16.06.2016 eine Einstufung als "junge Praxis" ab dem 01.04.2015 für die nächsten vier Quartale. Sie sei im Rahmen ihrer Angestelltentätigkeit in dem MVZ durch die geringeren Plausibilitätszeiten und die Fallpauschalen in erheblichem Maße gebunden gewesen. Sie sei zeitweise nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgegangen. Im Quartal II/15 seien ihr ca. 364 Fälle zugewiesen worden, sie habe aber bereits Anfang Juni über 500 Fälle behandelt. Auch entstünden durch die Gründung einer Einzelpraxis und einer damit einhergehenden selbständigen Tätigkeit höhere laufende Kosten, während in dem MVZ beispielsweise durch die Personalzusammenlegung Kostenersparnisse möglich seien.

Die Beklagte lehnte mit Bescheiden vom 13.01.2016, 23.02.2016 und 27.06.2016 für die Quartale II bis IV/15 die beantragte Änderung des Regelleistungsvolumens ab, weil die Klägerin bereits zuvor als angestellte Ärztin tätig gewesen sei. Die erstmalige Niederlassung der Klägerin sei unter Einbeziehung ihrer Tätigkeit im MVZ bereits zum 01.07.2007 und somit nicht innerhalb von zwei Jahren vor dem Aufsatzquartal erfolgt.

Hiergegen legte die Klägerin unter Datum vom 15.01.2016, 07.03.2016 und 12.07.2016 Widerspruch ein.

Für die streitbefangenen Quartale nahm die Beklagte mit Honorarbescheid folgende Festsetzungen vor:

Quartal II/15 III/15 IV/15 Honorarbescheid vom 30.09.2015 06.01.2016 03.04.2016 Widerspruch v. 07.12.2015 07.03.2016 25.05.2016 Anzahl Praxen/Ärzte 19/45 19/45 20/54,65 Nettohonorar gesamt in EUR 108.009,15 111.859,49 118.672,99 Gesamthonoraranforderung PK/EK in EUR 148.530,61 152.948,93 167.283,12 Bruttohonorar PK + EK in EUR 110.033,07 114.089.30 120.688,38 Fallzahl PK + EK 563 608 617 Honorar Regelleistungsvolumen in EUR 17.239,61 19.419,43 18.864,90 Honorar QZV in EUR 0 0 0 Honorar quotiertes RLV/QZV in EUR 5.655,91 5.289,92 6.464,52 Freie Leistungen in EUR 33.685,79 35.952,73 Übrige Leistungen innerhalb der morbiditäts¬bedingten Gesamtvergütung (MGV) 2.059,87 2.220,87 2.289,04 Leistungen außerhalb der morbiditäts-bedingten Gesamtvergütung (MGV 51.629,12 55.877,29 59.521,19

RLV Fallzahl 384 431 450 Fallwert in EUR 44,140 44,260 41,100 Obergrenze in EUR 17.239,80 19.419,43 18.864,90 Angefordert in EUR 35.992,64 37.558,57 39.482,09 Überschreitung in EUR 18.752,84 18.139,14 20.617,19

Gegen die Honorarbescheide für die Quartal II bis IV/15 legte die Klägerin Widerspruch ein.

Zur Begründung ihrer Widersprüche trug die Klägerin vor, auf sie sei die Jungpraxenregelung anzuwenden. Ihre vorherige Tätigkeit in einem MVZ spiele keine Rolle.

Die Beklagte verband alle Widerspruchsverfahren und wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2016 als unbegründet zurück. Die Beklagte führte zur Begründung aus, die Klägerin habe sich zum 01.04.2015 erstmalig in Einzelpraxis niedergelassen, sei aber bereits vorher in einem MVZ (BSNR xxxxx) als angestellte Ärztin tätig gewesen. Ihre Anstellung in einem MVZ habe sich zum Quartal II/15 in eine eigene Zulassung umgewandelt. Die Regelung gemäß 3.6 HVM, wonach Ärzten unter Anwendung einer Bestwertregelung entweder das arztgruppendurchschnittliche Regelleistungsvolumen oder die Fallzahlen des Vorgängers zugrunde zu legen seien, gelte jedoch nur für neu niedergelassene Ärzte. Liege dagegen eine Fallkonstellation vor, bei der ein Angestellten-Sitz in einen Niedergelassenen-Sitz umgewandelt werde, finde die Regelung der sog. jungen Praxis keine Anwendung und seien in diesen Fällen grundsätzlich die eigenen Fallzahlen des Arztes aus dem jeweiligen Aufsatzquartal zu Grunde zu legen. Da die Klägerin in den Aufsatzquartalen II bis IV/14 bereits vertragsärztlich tätig gewesen sei, sei gemäß dieser Grundsätze ihre eigenen Daten bei der Ermittlung der RLV-Fallzahl verwandt worden.

Hiergegen hat die Klägerin am 19.01.2017 die Klage erhoben. Das Gericht hat mit Beschluss vom 27.01.2017 die Verfahren bzgl. der Quartale III und IV/15 unter den Az.: S 16 KA 98 und 99/17 abgetrennt. Aufgrund einer Änderung der Geschäftsverteilung wurden die Verfahren im Juni 2019 der 12. Kammer übertragen.

Die Klägerin trägt vor, sie habe sich zum 01.04.2015 in eigenen Praxisräumen mit gänzlich neuer Praxisausstattung erstmals niedergelassen und eine eigene Praxis gegründet. Eine bestehende Praxis sei nicht übernommen worden. Mit Auslösung der hälftigen Zulassung aus dem MVZ und Gründung einer eigenen Praxis habe sie nicht nur eigene Räumlichkeiten angemietet, eigenes Personal angestellt, eigene Gerätschaften angemietet, sondern habe sich, auch nachdem in unmittelbarer Nähe der ehemalige Arbeitgeber weiterhin tätig gewesen sei, einen gänzlich eigenen Patientenstamm aufbauen müssen. Sie habe nicht die Praxis eingebracht, sondern eine völlig neue Praxis eröffnet. Die Wachstumsregelung finde auf angestellte Ärzte keine Anwendung. Mit Niederlassung sei immer nur die erste Niederlassung als Vertragsarzt gemeint. Diese sei bei ihr zum 01.04.2015 erfolgt. Dies entspreche nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Sinn und Zweck der Regelung. BSG, Urt. v. 24.01.2018 - B 6 KA 23/16 R - habe einen völlig anderen Sachverhalt entschieden.

Die Klägerin beantragt,
Die Bescheide vom 13.01.2016, 23.02.2016 und 27.06.2016 sowie die Honorarbescheide für die Quartale ll/15 bis IV/15, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über das Regelleistungsvolumen und Honorar für die Quartale II15 bis lV/15 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist unter weitgehender Wiederholung ihrer Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid weiterhin der Auffassung, dass die Klägerin bereits seit dem 01.07.2007 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sei und sich somit entsprechend im Wettbewerb positioniert habe. Seit dem 01.04.2015 sei sie in A-Stadt und somit in demselben Planungsbereich in Einzelpraxis tätig. Folglich sei davon auszugehen, dass sie bereits einen Patientenstamm aufgebaut habe. Aus BSG, Urt. v. 24.01.2018 - B 6 KA 23/16 R - folge, dass es dem Sinn und Zweck der Sonderregelung zuwiderlaufe, würde der langjährig zugelassene Arzt, der zugunsten einer Anstellung in einem in demselben Planungsbereich neu gegründeten MVZ auf seine Zulassung verzichte, erneut einen Anfängerstatus erlangen würde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden. Die Sache hat keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art, und der Sachverhalt ist geklärt. Die Kammer hat die Beteiligten hierzu mit Verfügung vom 02.12.2019 angehört.

Die Klagen sind zulässig, denn sie sind insb. form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Bescheide vom 13.01.2016, 23.02.2016 und 27.06.2016 sowie die Honorarbescheide für die Quartale ll/15 bis IV/15, alle in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.2016 sind rechtmäßig und waren nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung über das Regelleistungsvolumen und Honorar für die Quartale II/15 bis lV/15 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die Klagen waren daher abzuweisen.

In der Sache streiten die Beteiligten nur um die Frage, ob der Klägerin eine Sonderregelung zum RLV aufgrund ihrer Zulassung zum 01.04.2015 zu bewilligen ist. Dabei streiten die Beteiligten nicht um die Höhe des Fallwerts, sondern um eine Erhöhung der Fallzahl. Ein solcher Anspruch besteht nicht.

Rechtsgrundlage für den Honoraranspruch der Klägerin ist § 87b SGB V i. V. m. dem Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten.

Nach dem ab Januar 2012 geltenden Honorarverteilungsmaßstab aufgrund des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 10. März 2012 (HVM 2012), der sich als Ergänzung zu 87b SGB V und des Beschlusses des Bewertungsausschusses in seiner 218 Sitzung am 26. März 2010, zuletzt geändert durch Beschlüsse vom 29. Oktober 2010 (239. Sitzung, schriftliche Beschlussfassung), vom 24. November 2010 (242. Sitzung), vom 25. Januar 2011 (248. Sitzung) sowie die in der 253. Sitzung (schriftliche Beschlussfassung) bzw. 256. Sitzung (schriftliche Beschlussfassung) und in der 261 Sitzung getroffenen Beschlüsse (nachstehend vereinfachend "Beschluss des Bewertungsausschusses" genannt) definiert (Präambel HVM 2012), erfolgt die Vergütung der Ärzte auf der Basis der gemäß § 87a Abs. 2 Satz 5 SGB V zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen regionalen Euro-Gebührenordnung (Nr. 1.1. Abs. 1 HVM 2012). Es werden Regelleistungsvolumina und qualifikationsgebundene Zusatzvolumina (QZV) gebildet (Nr. 1.1 bis 1.4, 2.5 HVM 2012), was auch für die Fachgruppe die Klägerin gilt (Nr. 2.1 Abs. 1 i. V. m. Anl. 1 HVM 2012). Dieser HVM galt, insoweit hier von Bedeutung, unverändert fort auch im streitbefangenen Quartal.

Die Beklagte hat dem RLV der Klägerin die Fallzahlen des Vorjahresquartals aufgrund deren Tätigkeit im MVZ zugewiesen und eine Sonderregelung nach Nr. 3.6 HVM abgelehnt.

Nach Nr. 3.6 HVM 2012 (Regelleistungsvolumen bei Neuzulassung und Umwandlung der Kooperationsform) wird für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren, das arztgruppendurchschnittliche Regelleistungsvolumen für das jeweilige Quartal zugrunde gelegt. Soweit diese Ärzte eine Praxis übernommen haben, werden stattdessen die Fallzahlen des Vorgängers zugrunde gelegt, soweit dies die für den Vertragsarzt günstigere Regelung darstellt.

Die Klägerin wurde zwar erstmals zum Quartal II/15 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Zutreffend hat allerdings die Beklagte berücksichtigt, dass sich die Zulassung der Klägerin auf einer Umwandlung ihrer Angestelltenstelle auf der Grundlage von § 95 Abs. 9b SGB V beruht.

Ein Arzt, der seine Praxis in ein MVZ einbringt, muss neben dem MVZ auch selbst für die Anwendung der Sonderregelungen zur "Jungpraxis" noch einen Aufbaustatus beanspruchen können. Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn er vor seiner Tätigkeit im MVZ bereits über einen den Anfängerstatus ausschließenden Zeitraum im selben Planungsbereich wie das MVZ vertragsärztlich tätig war. Ebenso wie eine Verlegung des Standortes einer Praxis innerhalb eines Planungsbereichs nicht dazu führen kann, dass eine Praxis erneut als Aufbaupraxis zu behandeln ist, fehlt es im Fall eines Zulassungsverzichts zugunsten einer Anstellung in einem MVZ an einer Rechtfertigung dafür, den Arzt bei der Berechnung des RLV unter dem Gesichtspunkt der nur für einen begrenzten Zeitraum zu eröffnenden sofortigen Wachstumsmöglichkeit bis zum Durchschnitt der Fachgruppe weiterhin zu begünstigen. Die Chance, "durch Qualität und Attraktivität seiner Behandlung oder auch durch bessere Organisation seiner Praxis neue Patienten für sich zu gewinnen", benötigt ein solcher Arzt nicht mehr. Es würde dem Sinn und Zweck der Sonderregelungen für Aufbaupraxen zuwiderlaufen, würde der langjährig zugelassene Arzt, der zugunsten einer Anstellung in einem in demselben Planungsbereich neu gegründeten MVZ auf seine Zulassung verzichtet, erneut einen Anfängerstatus erlangen. Ebenso wenig wie das MVZ sich durch die Aufnahme neuer Ärzte "verjüngen" kann, kann ein Vertragsarzt nach langjähriger Tätigkeit durch Eintritt in ein neu gegründetes MVZ wieder zum "Wachstumsarzt" werden. Dabei kann offenbleiben, ob und in welchem Umfang das MVZ von der Vortätigkeit des Vertragsarztes in eigener Praxis tatsächlich profitiert. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Praktikabilität der Honorarverteilung ist typisierend auf die vorherige Tätigkeit in demselben Planungsbereich abzustellen (vgl. BSG, Urt. v. 24.01.2018 - B 6 KA 23/16 R - SozR 4-2500 § 87b Nr. 16, juris Rdnr. 25).

Diese Rechtsprechung ist auch für den umgekehrten Fall anzuwenden, dass ein Arzt das MVZ verlässt und wie hier in räumlicher Nähe eine eigene Praxis gründet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob er bereits zuvor als Vertragsarzt zugelassen war oder die Zulassung auf der Umwandlung einer Angestelltenstelle beruht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn im MVZ - wie hier - das vom Arzt betreute Fachgebiet nach seinem Ausscheiden nicht mehr vertreten ist.

§ 95 Abs. 9b SGB V ermöglicht auf Antrag des anstellenden Vertragsarztes bzw. MVZ die Ausschreibung des Angestelltensitzes als Vertragsarztsitz zur Praxisnachfolge oder dessen Umwandlung in eine Zulassung mit der Option der Besetzung durch den angestellten Arzt. Die Vorschrift wurde durch wurde durch Art. 1 Nr. 31 lit. g Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstrukturgesetz – GKV-VStG) v. 22.12.2011, BGBl I 2011, 2983, zum 01.01.2012 neu eingefügt. Nach der Gesetzesbegründung kann der Vertragsarzt ein Nachbesetzungsverfahren beantragen und die Arztstelle damit wirtschaftlich verwerten oder mit der Übertragung der Arztstelle den zunächst angestellten Arzt als Vertragsarzt gleichberechtigt in die Praxis integrieren. Ein ursprünglich eingebrachter Vertragsarztsitz zum Zweck der Anstellung könne auch wieder in eine Zulassung zurück umgewandelt werden. Als Inhaber der bisherigen Arztstelle für einen angestellten Arzt kann der anstellende Vertragsarzt entscheiden, ob er selbst oder der bisher angestellt Arzt Inhaber der neuen Zulassung werden möchte. Will der anstellende Vertragsarzt Inhaber der Zulassung werden, hat er zugleich die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens bei der Kassenärztlichen Vereinigung nach § 103 Abs. 4 SGB V zu beantragen und kann dadurch eine nicht mehr benötigte Arztstelle im Zuge des Nachbesetzungsverfahrens wirtschaftlich verwerten. Beantragt der anstellende Vertragsarzt keine Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4 SGB V hat der Zulassungsausschuss die Zulassung dem bisher angestellten Arzt zu erteilen. Hierdurch erhalten Vertragsärzte die flexible Möglichkeit, nach einer Bewährungsphase und bei entsprechendem Interesse zunächst angestellte Ärzte als Vertragsärzte gleichberechtigt in die Praxis zu integrieren (vgl. BT-Drs. 17/6906, S. 71 f.).

Auch wenn durch die Umwandlung der Anstellung in eine durch Nachbesetzung übertragbare Zulassung die Stelle aus dem Verbund des MVZ herausgelöst und in eine freie Praxis überführt wird, eine Fortführung der Tätigkeit im Rahmen des MVZ gerade nicht möglich oder gewollt ist, zumal dem MVZ dafür die Möglichkeit zur freien Nachbesetzung ohne Ausschreibung nach § 103 Abs. 4a Satz 3 SGB V offen steht (vgl. SG Dresden v. 16.04.2019 - S 25 KA 55/19 ER - juris Rn. 42 ff.), geht es bei der Umwandlung aber auch um die Verlagerung des vom angestellten Arzt erfüllten Versorgungsauftrags in den Bereich eines zugelassenen Vertragsarztes (vgl. Pawlita in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 95 SGB V, Rn. 606). Der Versorgungsauftrag selbst wird damit nicht unterbrochen, sondern wird nunmehr nicht vom MVZ fortgeführt, sondern allein von der umgewandelten Arztstelle bzw. dem zugelassenen Vertragsarzt. Damit werden zwangsläufig auch die Patienten durch den Vertragsarzt versorgt. Der Gesetzgeber geht grundsätzlich von der Möglichkeit der Ausschreibung der Angestelltenstelle und damit von der Fortführung der Praxis bzw. des Versorgungsauftrags aus. Er sieht von einer förmlichen Ausschreibung und der Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens für den Fall der Übernahme durch den vormals angestellten Arzt nur ab, um dem anstellenden Arzt bzw. dem MVZ und dem angestellten Arzt aufgrund dieser Privilegierung weitere Optionen zu ermöglichen. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass der vormals angestellte Arzt insb. zur Fortführung des Versorgungsauftrags, nunmehr mit eigenem Zulassungsstatus, in der Lage ist.

Die Klägerin war aber seit Jahren als internistische Onkologin im MVZ angestellt. Im Aufsatzquartal hatte sie bereits ihre vormalige Teilzeittätigkeit auf eine Vollzeittätigkeit aufgestockt. Von daher hat die Beklagte zu Recht die Bewilligung einer Sonderregelung als sog. Jungpraxis abgelehnt und waren die angefochtenen Honorarbescheide nicht zu beanstanden.

Nach allem waren die Klagen abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Streitwertentscheidung ergeht als Beschluss.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so ist ein Streitwert von 5.000,00 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2 GKG).

Der Streitwert war auf der Grundlage der geltend gemachten zusätzlichen Honoraransprüche bzw. Honorarverluste zu berechnen. Diese Beträge waren wegen des Bescheidungsantrags zu halbieren. Der Honorarverlust war anhand der Überschreitung des RLV abzüglich der hierfür geleisteten quotierten Honoraranteile zu berechnen. Dies ergab die festgesetzten Werte.
Rechtskraft
Aus
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