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Panorama Bei 11 Grad

Anwältin radelt mit nacktem Kind durch München

Bei nur 11 Grad Celsius und schneidend kaltem Herbstwind ist eine 32-jährige Juristin mit ihrer völlig nackten, eineinhalbjährigen Tochter durch die Münchner Innenstadt geradelt. Die Begründung, die die Schwabinger Rechtsanwältin dafür anführte, ist bizarr.

Die junge Frau auf dem Fahrrad fuhr an einem Streifenwagen der Münchner Polizei vorbei. Sie hatte fast schon die Streife passiert, als den beiden Beamten plötzlich das splitternackte Kind auf dem Kindersitz auffiel. Das digitale Thermometer des Streifenwagens zeigte elf Grad an. Die Beamten stoppten daraufhin am 29. September gegen 12 Uhr die junge Frau auf der Sandstraße in der Münchner Maxvorstadt, wie die Polizei erst gestern mitteilte.

Das kleine Mädchen habe „erbärmlich gefroren“, die Nase sei dem Kind „bis zu den Lippen“ gelaufen und die Mundwinkel waren „bläulich verfärbt“ – selbst die zwei hart gesottenen Münchner Polizisten waren beim diesem Anblick „völlig perplex“, erzählt Polizeisprecher Gottfried Schlicht.

„Auf Streife halten die Kollegen normalerweise Motorradfahrer mit verschmutztem Kennzeichen oder Autofahrer mit Handy am Ohr an“, sagt Schlicht. „Aber eine Mutter mit einem nackten Kind auf dem Fahrrad, mitten im Herbst – das ist einzigartig.“

Ebenso einzigartig wie der Vorgang war auch die Erklärung, die die junge Frau den Polizisten präsentierte: Das Kind habe sich nicht anziehen lassen wollen. Und weil das kleine Mädchen „seine eigenen Persönlichkeitsrechte“ habe, wie die 32-jährige Rechtsanwältin aus dem Stadtteil Schwabing bei der Kontrolle erklärte, habe sie diese Weigerung respektiert. Also habe sie ihre Tochter völlig nackt in den Kindersitz gesetzt.

„Diese Erklärung setzt dem ganzen die Krone auf“, sagt Polizeisprecher Schlicht. Zumal die Mutter sogar Kleidung für das Kind dabei hatte. Nach Aufforderung durch die Beamten habe sie schließlich auch ihre Tochter angezogen, berichtet Schlicht. Die Frau durfte weiterradeln. Einer Anzeige wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen konnte die Rechtsanwältin aber nicht entgehen: Jugend- und Gesundheitsamt wurden informiert, die Frau wurde von der Kriminalpolizei vernommen, die Staatsanwaltschaft ermittelt.

„Ich kann das alles gar nicht fassen“, sagt Heidrun Kaspar, Vorsitzende des Kinderschutzbund München. „Die Frau hat nicht realisiert, dass das Kind nicht selbst einschätzen kann, was passiert, wenn es sich nicht anziehen lässt.“

Kaspar, seit 1999 Vorsitzende in München, kann sich an einen vergleichbaren Fall nicht erinnern – erst recht nicht bei einer 32-jährigen Rechtsanwältin. „Die Frau hat völlig unter ihrem Niveau gehandelt“, sagt Kaspar (69), zweifache Mutter und siebenfache Großmutter. „Sie hat ihrem Kind nicht den notwendigen Schutz gegeben. Das ist Dummheit – bei allen intellektuellen Fähigkeiten, die sie als Anwältin haben muss.“

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