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Urteil in Saudi-Arabien Zehn Jahre Haft und 1000 Peitschenhiebe für Blogger

Weil er im Internet eine Diskussion über Politik und Islam in Saudi-Arabien anstieß, ist Raif Badawi drakonisch bestraft worden. Der Familienvater muss zehn Jahre ins Gefängnis und soll tausend Peitschenhiebe erhalten.
Islamkritiker Badawi: "Er ist ein politischer Häftling"

Islamkritiker Badawi: "Er ist ein politischer Häftling"

Dschidda - Das Urteil war unmenschlich hart: Ein Gericht verurteilte den saudi-arabischen Blogger Raif Badawi zu sieben Jahren Haft und 600 Peitschenhieben, weil er den Islam beleidigt haben sollte. Das war im vergangenen Juli.

Nun hat ein Berufungsgericht in der Hafenstadt Dschidda die Strafe noch einmal verschärft. Der Richter hat den Blogger am Mittwoch zu zehn Jahren Gefängnis und 1000 Peitschenhieben verurteilt. Außerdem soll er eine Geldstrafe in Höhe vom umgerechnet knapp 200.000 Euro zahlen.

Badawis Vergehen: Er hatte im Internet eine Debatte über das Verhältnis von Politik und Religion in Saudi-Arabien angestoßen. 2008 hatte er im Netz das Forum "Freie Saudische Liberale" gegründet, das fortan ins Visier der Behörden in dem konservativen Königreich geriet.

Ein Rechtsgelehrter erklärte ihn zum Ungläubigen

Mehrfach wurde Badawi von der Religionspolizei festgenommen. 2009 belegten ihn die Behörden mit einem Reiseverbot, außerdem froren sie seine Konten ein. Grund waren Artikel, in denen der Blogger den Sittenwächtern Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen hatte.

2011 erhob die Justiz Anklage. Weil Badawi islamische Autoritäten beleidigt haben soll und theologische Grundsatzfragen erörterte, wurde er beschuldigt, religiöse Werte angegriffen zu haben. Der Rechtsgelehrte Abd al-Rahman al-Barrak erließ im März 2012 ein Gutachten, in dem er Badawi zu einem Ungläubigen erklärte, "der angeklagt und verurteilt werden muss, wie er es verdient". Badawi habe Muslime, Christen, Juden und Atheisten als gleichwertig bezeichnet - das dürfe nicht ohne Konsequenzen bleiben, forderte Barrak.

Doch der Blogger ließ sich davon nicht abschrecken - im Gegenteil: Zusammen mit Mitstreitern erklärte er den 7. Mai 2012 zum Tag der saudi-arabischen Liberalen, an dem sie sich gegen die Politisierung des Islam wendeten.

Das ging den Behörden zu weit: Sie nahmen Badawi am 17. Juni 2012 fest, das Forum wurde geschlossen. Seine Frau und die drei gemeinsamen Kinder flohen nach Beirut. Ende Dezember 2012 eröffnete die Justiz das Verfahren gegen ihn.

"Badawi ist ein politischer Häftling"

Die Behörden klagten ihn auch an, weil er vom Islam abgefallen sein soll. Darauf steht in Saudi-Arabien die Todesstrafe. Diese Strafe umging er, indem er in der Verhandlung dreimal das islamische Glaubensbekenntnis aussprach und damit bestätigte, Muslim zu sein.

Das Berufungsgericht sah es in seinem Urteil am Donnerstag aber als erwiesen an, dass Badawi ein illegales Netzwerk unterhalten und liberales Gedankengut verbreitet habe. Menschenrechtsgruppen kritisieren das Urteil scharf: "Er ist ein politischer Häftling, der nichts anderes getan hat, als sein Recht auf Meinungsfreiheit friedlich auszuüben", sagte Philipp Luther, Nahost-Direktor von Amnesty International . "Die Behörden müssen ihn ohne Vorbedingungen freilassen."

Das Auspeitschen ist in Saudi-Arabien eine übliche Bestrafung. Die Schläge werden in der Regel in Etappen verteilt - zumeist auf den Rücken. Laut dem erstinstanzlichen Urteil sollte Badawi viermal 150 Peitschenhiebe erhalten - wie die Aufteilung der tausend Schläge aussieht, ist bislang nicht bekannt.

Vor jeder Bestrafung soll ein Arzt den Gesundheitszustand des Verurteilten prüfen. Der Auspeitscher klemmt sich einen Koran unter den Arm - dadurch soll sichergestellt werden, dass die Schläge nicht zu heftig ausfallen. Todesfälle beim Auspeitschen will Saudi-Arabien aus Angst vor negativer Presse nämlich vermeiden.

syd