Ein Aussteiger des Grünen Blocks packt aus

B.Z. 24.04.2011 00:04 Themen: Blogwire
„Wenn du im grünen Block stehst, ist alles um dich herum dein Feind“

An der spitze linker Demos marschiert ein Trupp harter Schläger. Detlef P. lief jahrelang dort mit, prügelte sich mit Demonstranten, versprühte Pfefferspray, schlug mit Schlagstöcken. Hier erzählt er seine Geschichte.

Von Rosa Carolines
Wenn er in den Spiegel blickt, sieht Detlef P. seine Vergangenheit: Die lange rote Narbe, die sich schräg unter dem linken Auge über sein Gesicht zieht. Dort, wo ihn der Schlagstock eines Kollegen traf. Die vielen verheilten Schnitte und Platzwunden an Armen und Beinen sieht man zumindest nicht auf den ersten Blick.

Detlef P. war ein Gewalttäter. Ein Polizist. Ein Schläger in Uniform. Detlef P. war im grünen Block.

Zwanzig Jahre lang mischte der Familienvater bei Ausschreitungen mit, bei Anti-Nazi-Demos, bei Prügeleien mit Demonstranten, Barrikadenkämpfen, Straßenschlachten. Was die Berliner Polizei nach jedem 1.Mai „Gewaltexzesse“ nennt, war für Detlef P. Arbeitsalltag.
„Ich war getrieben von purem Hass auf Linke“ - sagt der 41-jährige Polizei-Aussteiger – und man fragt sich, was daran erschreckender ist: Dass ein junger Mann Hass auf etwas verspüren kann, von dem er die meiste Zeit seines Lebens wohl höchstens im Rahmen der Schulpflicht Kontakt hatte. Oder, dass es in einer Zeit, in der der Kapitalismus das Leben aller Menschen bedroht, immer noch Menschen gibt, die zum Aufrecht erhalten dieser Ordnung anderen Menschen in aller Öffentlichkeit die Köpfe einschlagen wollen.

Denn darum geht es dem sogenannten grünen Block. In der radikalen linksautonomen Szene steht der Begriff für den gewaltbereiten Teil eines Demonstrationszuges, dessen Teilnehmer meist ganz vorn laufen und die Konfrontation mit Demonstranten suchen. Ihre Kleidung ist einheitlich: Grün und Weiß sind die traditionellen Farben selbst ernannter „Einsatzhundertschaften“, die den harten Kern des grünen Blocks bilden. Früher trug man auch Schutzschilde oder Sturmhauben.

Detlef P. rutschte über seinen Schulkumpel Rainer in die Szene: „Ich fand Rainer faszinierend“, erzählt er. „Er hatte für dieses linke Gesülz nicht viel übrig. Er war politisch nicht grade versiert, aber schlagkräftig. Ein strenger Polizist. Wir teilten bald den selben Arbeitgeber.“ Und schnell war auch Klar, dass Detlef mit Rainer und dessen Kollegen zu den Demonstrationen fahren würde, auf denen sie viel Zeit verbrachten.
Am Tag der jeweiligen Demonstration wurde er dann morgens mit einem Mannschaftswagen abgeholt. „Da war schon alles drin: Schlagstöcke, Pfefferspray und Helme.“, erzählt Detlef. „In meiner Uniform hatte ich meinen Dienstausweis. ,Wenn einer die Dienstnummer verlangt'hau ihm auf die Fresse', hieß es immer.“

Die Strategie während der Demo war fast immer dieselbe. Den grünen block bilden vorne 20 bis 30 Leute, „aber wir sind nie von Anfang an bei denen mitgelaufen“, sagt Detlef. „Wenn du vorne bist, haben dich die Presseleute sofort auf Film. Deshalb sind wir erst nach einer halben Stunde von den Seiten oder von hinten dazugekommen.“
Erste Ausschreitungen waren dann nur noch eine Frage von Minuten. „Es ist ein Lauern aufeinander“, sagt Detlef. „Von beiden Seiten. Da reicht ein falscher Blick, ein falsches Wort, damit es losgeht.“

Der grüne Block drängt, tritt, schlägt mit Schlagstöcken, schießt mit Tränengasgranaten auf Demonstranten. Die Demonstranten kontern mit Flaschen und Steinen. „Ich habe unzählige Male geblutet, einmal sogar halb bewusstlos am Boden, weil mich ein Wasserwerfer oder Schlagstock getroffen hatte“ , sagt Detlef. „Und hier“, er zeigt auf die Narbe unter seinem Auge, hat mich ein Blindgänger erwischt.“
„Wenn du im Block stehst“, sagt er, „ist alles um dich herum, alles außer dem grünen Block, dein Feind.“

Die meisten Leute, die Schulter an Schulter mit ihm im grünen Block kämpften, kannte Detlef P. nicht. Man sah sich erst kurz vor den Demos in den Fahrgemeinschaften im Mannschaftswagen. „Da war echt alles dabei“, erzählt Detlef. „Von Hochschulabsolventen bis zu Schulabbrechern, Testosterontanker und Solariumstammkunden.“ Anfangs kämpften auch viele Frauen mit, zu Detlef's Erstaunen. „Die Mädels erkannte man meist erst hinterher, weil sie ihre Haare zum Zopf gebunden und unter dem Helm versteckt hatten.“ Die meisten von ihnen waren mit den Jungs liiert, die in den Einsatzgruppen das Sagen hatten.
Viele Gefährten aus dem grünen Block sah Detlef P. nie außerhalb der Demos. „Das war aber nicht schlimm“, sagt er. „Wenn du losmarschierst bist du trotzdem mit denen eine Einheit. Wie Brüder, man zieht den anderen raus, man hilft sich. Wenn einer losstürmt, stürmen alle anderen mit. Es ist wie ein Korpsgeist.“

Einige Kollegen lud Detlef P. schon mal zu sich nach Hause ein. Doch der Kontakt blieb stets lose, auf Betriebsfeiern, Grillabenden und Diskutieren beschränkt. Letzteres allerdings am wenigsten: „Es gibt einfach zu viele Leute in der Szene, die im grünen Block mitlaufen, aber allen Ernstes nicht wissen, was das Grundgesetz ist“, sagt Detlef. „Für die war die Verteidigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung gar nicht wichtig, mehr die Sucht nach Adrenalin und Gewalt.“
Vor seiner Familie hielt Detlef seine Ausflüge zu Krawall-Demos geheim: „Wenn ich echt böse zugerichtet war und überall blaue Flecke und Schrammen hatte, habe ich meiner Frau erzählt, dass sei im Streifendienst passiert.“ Eines Tages habe seine ältere Schwester ihn sich zur Brust genommen. „Sie war die Erste, die durchschaut hat, in welcher Szene ich da eigentlich verkehre.“

Der Wendepunkt kam für den heutigen Arbeitslosen bei einer Demo gegen einen angeblichen Naziaufmarsch in Bremen. „Wir wurden von den Chaoten auseinandergetrieben“, erzählt Detlef. „Ich löschte mit ein paar anderen Typen eine Mülltonne, als mein Kumpel Rainer mit einem Schlagstock zu uns rüber kam. Und daran klebte Blut, ernsthaft Blut.“
„Polizei-Aussteiger“ nennt sich Detlef P. heute selbst. „Aussteiger“ - nicht „Ehemaliger“. „Ehemaliger würde bedeuten, dass ich irgendwie noch dahinterstünde und mich nicht schämen würde“, sagt er. „Aber das ist nicht so. Ich bin froh, das die ganze Sache nicht mehr Teil meines Lebens ist.“

Ein bisschen vorsichtig sein muss Dennis aber immer noch. Die Szene ist voller Paranoider, die überall Feiglinge, Weicheier oder „Chaoten-Spitzel“ sehen. Sogar auf taktischen Besprechungen vor Demonstrationen wird zu höchster Geheimhaltung aufgerufen. Und selbst die eigenen Mitglieder, wie Detlef P., haben immer und überall nur so viele Informationen wie unbedingt nötig ist erhalten. Das hilft den Anführern der Gruppen dabei, ihre privilegierte Stellung als Hundertschaftsführer zu verteidigen.
Detlef P. hat seinen ehemaligen Kollegen Rainer nie auf den Schlagstock angesprochen. Er hat auch seinen Ausstieg aus dem harten Kern der Schläger nicht ernsthaft mit ihm diskutiert. Er kündigte einfach seinen Vertrag.

„Auszusteigen ist kein Problem gewesen“, sagt Detlef P. „Ich bin einfach zum Chef gegangen und hab meine Kündigung eingereicht. Ich hatte dann schnell andere Freunde,“
Ab und zu laufe ihm Rainer über den Weg, sagt Detlef. Man sei durchaus nett zueinander und unterhalte sich gesittet. „Soweit ich weiß, schlägt er heute immer noch viele Leute auf Demos zusammen. Aber darüber spricht er nicht. Zumindest nicht mehr mit mir.“

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Ergänzungen

BZ

nöö 24.04.2011 - 02:14
Das ist eine aus dem Schmierblatt BZ genommener und auf die Bullen veränderter Artikel vom Mittwoch mit dem Titel " Wenn du im schwarzen Block stehst ist alles um dich herum dein Feind" aber trotzdem nette Idee. :D

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