Irem Hafif wohnt direkt gegenüber ihrer Montessorischule im Stockholmer Stadtteil Kista. "Meine Mama weckte mich letzte Nacht auf", sagt die 13-Jährige. "Sie schrie, dass die Schule gegenüber brennt." Mutter und Tochter seien zusammen zum Küchenfenster gegangen und hätten herausgeschaut. "Die Flammen waren sehr groß", berichtet das Mädchen.

Eigentlich hatte die Stockholmer Polizei gehofft, mit Zurückhaltung und Deeskalation würden die seit Sonntagnacht im Vorort Husby begonnen Jungendkrawalle langsam abebben. Doch auch in der Nacht zum Freitag brannten wieder Autos und Häuser, wurden Fensterscheiben eingeschlagen und Steine auf Polizisten geworfen, die Feuerwehrleute beschützen mussten.

Immerhin hat die Intensität der Straßenkrawalle abgenommen, auch wenn sie sich auf weitere Stadtteile ausgebreitet haben. Von vielen Hunderten Randalierern, wie vor allem ausländische Medien berichteten, kann keine Rede sein. Die meisten sind bloß Zuschauer. "Die ausländische Presse gibt ein völlig falsches, völlig übertriebenes Bild wieder", sagt ein Diplomat im Stockholmer Außenministerium ZEIT ONLINE.

Zum großen Teil handelt es sich um punktuelle Vandalenakte: Jugendliche legen ein Feuer und verschwinden in der Dunkelheit. Weder unter den Randalierern noch der Polizei gab es bisher eine nennenswerte Zahl von Verletzten. Jede Nacht wurden nur wenige Personen festgenommen.

"Wir brauchen Arbeit"

Dennoch zeigt sich nun, wie gereizt die Stimmung in den Vororten ist. Auslöser der Unruhen war der Tod eines offenbar geistig verwirrten, älteren Einwanderers, den die Polizei nach eigenen Angaben aus Notwehr erschoss. Die Ereignisse sind ein Weckruf für das ruhige Schweden.

Wirklich gefährliche Viertel gibt es in und um Stockholm nicht. Die meisten jungen Menschen mit Einwandererhintergrund sprechen perfekt Schwedisch und haben häufig Abitur, wie weit über 90 Prozent aller Jugendlichen im Land. Das gilt auch für die Betonvorstadt Tensta, nur ein paar Kilometer entfernt von der Montessorischule in Kista.

In Tensta stehen einige junge Leute zusammen und diskutieren über die Ereignisse. Alle sehen südländisch aus. Ahmed und Saman äußern Sympathie für die Krawalle. "Das ist die einzige Möglichkeit, uns bemerkbar zu machen. Wir haben hier nicht mal ein Jugendzentrum", sagt Ahmed. Ein anderer entgegnet. "Wir brauchen kein verdammtes Jugendzentrum und noch mehr Sozialarbeiter. Wir brauchen selbst Arbeit."