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Roland Koch Vom Hardliner zum Kuschelbär

Im hessischen Wahlkampf präsentiert sich Roland Koch, CDU, als Kuschelbär. Ökologie? Ganz wichtig. Studiengebühren? Nie wieder. Kochs Problem: Die Verbände kaufen ihm seinen Kurswechsel nicht ab.
Von Tiemo Rink

Kein Jahr ist es her, dass der geschäftsführende Ministerpräsident mit harten Sprüchen das Bundesland spaltete: Kriminelle ausländische Jugendliche? Einsperren! Die hessischen Linken? Alles Kommunisten! Eine Abkehr vom dreigliedrigen Schulsystem? Zwangseinheitschulen! So überzeichnet der Wahlkampf der hessischen Konservativen war - so krachend war auch ihr Absturz: Die CDU verlor 12 Prozent der Stimmen. "Ich habe verstanden", ist seitdem einer von Kochs Lieblingssätzen. Im nun anstehenden Wahlkampf setzt er auf moderate Töne. Ein Strategiewechsel, den ihm nicht jeder abnimmt.

Doch die Partei steht hinter ihm: Die hessische CDU wählte Koch mit überwältigender Mehrheit zum Spitzenkandidaten für die Neuwahl im Januar. Auf einem Landesparteitag in Hofheim erhielt der 50-Jährige 304 von 313 abgegebenen Stimmen. Das entspricht 97,1 Prozent.

Dass Koch überhaupt noch einmal zur Landtagswahl antreten darf, verdankt er der hessischen SPD. Spätestens seitdem vier sozialdemokratische Landtagsabgeordnete Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilanti in die politische Bedeutungslosigkeit bugsiert haben, sind die Umfragewerte für Roland Koch wieder blendend. Und der hessische CDU-Chef geht auf Nummer sicher. Die Debatte über innere Sicherheit und Jugendkriminalität sei den Konservativen im vergangenen Wahlkampf "emotional entglitten", sagte Koch dieser Tage in einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau". "Das darf und wird nicht wieder passieren", so der Ministerpräsident weiter.

"Ein eiskalter Rechner"

"Emotional entglitten" meint, dass sich Kochs ausländerfeindlich gefärbte Kampagne um schnellere und härtere Strafen schnell zum Rohrkrepierer entwickelte. Die Freude bei der Opposition war groß als bekannt wurde, dass ausgerechnet Hessen unter der Ägide des Hardliners Koch bundesweit in Jugendgerichtsverfahren am langsamsten urteilt. Für Bernd Mescovic, rechtspolitischer Referent der Flüchtlingshilfe-Organisation Pro Asyl, ist die neue Ausrichtung der Union auch deshalb nichts weiter als ein strategischer Winkelzug. "Roland Koch ist ein eiskalter Rechner", sagt Mescovic im Gespräch mit stern.de. "Im letzten Wahlkampf hat er sich verspekuliert. Momentan lohnt es sich einfach nicht, auf Stimmenfang im rechten Lager zu gehen."

Auch in der Bildungspolitik gibt die CDU sich mittlerweile geläutert. Insbesondere um die Einführung von Studiengebühren wurde in Hessen erbittert gestritten. Die Studierenden liefen Sturm gegen das Bezahlstudium und erhielten dabei Unterstützung von Gewerkschaften und Opposition. Als SPD, Grüne und Linkspartei nach der Landtagswahl ihre Mehrheit im hessischen Parlament nutzten, um die Studiengebühren abzuschafften, schwenkte wenig später auch die CDU um. Die Union, so Hessens CDU-Generalsekretär Michael Boddenberg im Gespräch mit stern.de, habe aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt und in den letzten Monaten "neue Weichenstellungen" vorgenommen: "Studiengebühren in der nächsten Legislaturperiode wird es mit der CDU nicht geben."

Die FDP und die Studiengebühren

Eine Ankündigung, die Bianca Hilfrich, Sprecherin der bundesweiten Studierendenorganisation fzs, für wenig glaubwürdig hält: "Roland Koch ist kein echter Gegner von Studiengebühren. Wie ein Fähnlein im Winde richtet er sich nur danach aus, wovon er sich grade Erfolg verspricht." Auch Jochen Nagel, Chef der hessischen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften, traut dem neuen Frieden an den Hochschulen nicht. "Roland Koch ändert nur die Fassade, inhaltlich bleibt er sich treu", so Nagel zu stern.de. Im Vergleich mit anderen CDU-Landesverbänden stünden die hessischen Konservativen "extrem weit am rechten Rand. Wenn solche Leute dann Bildungspolitik machen, ist das ein Problem", so Nagel weiter.

Wie lange die Abschaffung der umstrittenen Studiengebühren tatsächlich Bestand hat, wird sich aller Voraussicht nach Anfang Februar 2009 in den Koalitionsverhandlungen zeigen. Die FDP als möglicher Koalitionspartner der Union gilt als Befürworterin von Studiengebühren. Für den Gewerkschafter Nagel ist denkbar, dass eine schwarz-gelben Koalition die Frage, ob Studiengebühren erhoben werden oder nicht, künftig den hessischen Universitäten überlässt. Die könnten dann selbst entscheiden, ob sie die chronische Unterfinanzierung akzeptieren oder sich das fehlende Geld bei ihren Studierenden selber holen möchten. Das wäre, so Nagel, "dann die Wahl zwischen Pest und Cholera".

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