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"Momo ein Vorbild für uns alle"

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Rosenheim/Prien - Das Schicksal des jungen Schwarzafrikaners Momo Kamara - es bewegt die Leser der OVB-Heimatzeitungen wie kaum ein anderes.

Die Zahl derer, die sich dafür einsetzen, dass der Musterschüler und Bilderbuch-Lehrling nicht zurück nach Sierra Leone abgeschoben wird, wächst täglich. Am ergreifendsten ist der Brief seines Ex-Lehrers. Ob er auch die Abgeordneten im Petitionsausschuss berührt? Am 24. Oktober befasst sich der Landtag mit dem Fall.

Ein beliebter, talentierter Bub, der die Hauptschule mit einem guten Quali abschließt, gern Fußball spielt und mit viel Elan eine Buchbinderlehre anpackt - das ist Momo (18). Von gleichaltrigen Jugendlichen scheint ihn nur zu unterscheiden, dass er schon ausgesprochen zielstrebig ist, sich für Geschichte interessiert und viel liest, was im Zeitalter der Smartphones immer seltener ist.

Doch Momo ist nicht wie seine Mitspieler und andere Lehrlinge. Mohamed, wie er richtig heißt, hatte sich im Oktober 2008 als blinder Passagier per Schiff von Sierra Leone nach Deutschland schleusen lassen. Es war die Flucht aus der Hölle des Bürgerkriegs. Er kam ohne Eltern. Sie seien tot, sagte er. Aber die Behörden glaubten dem Jugendlichen die Geschichte nicht. Sein Asylantrag wurde 2010 abgelehnt, die Klage dagegen im Februar 2012 zurückgewiesen.

So ist der Abschiebebeschluss seit Mai rechtskräftig. Dass auch Momos bemerkenswerte Integrationsleistung das Blatt nicht mehr wenden konnte, empört die Menschen in seinem Umfeld.

Aber zum Trauern ist es zu früh. Noch ist Momo hier. Und vielleicht darf er doch bleiben - weil der Bericht unserer Zeitung über seine schicksalhafte Hängepartie, erschienen im Juni, nicht nur einen Stein ins Rollen gebracht, sondern eine wahre Lawine losgetreten hat. Momos Arbeitgeber, Kollegen, Trainer, Betreuer und Lehrer, seine Mitspieler, Mitschüler und Freunde samt deren Eltern, dazu einige einflussreiche Politiker und Unternehmer - sie alle machten sich für den Verbleib des Azubis stark. Die vielen Stimmen wurden in einer Petition gebündelt, die der zuständige Landtagsausschuss am 24. Oktober behandelt. Nur wenn das Gremium das Gesuch an die Härtefallkommission weitergibt, hat Momo noch eine Chance.

Auch Reinhard Schober aus Bad Feilnbach wurde durch die OVB-Heimatzeitungen auf den Fall aufmerksam. "Mohamed war von 2008 bis 2011 einer meiner Schüler an der St. Georg Volksschule in Bad Aibling", schreibt der Lehrer, der Momo mit den anderen Mädchen und Buben zum Quali führte, in einem rührenden Brief an den Landtag.

Schon im Dezember 2008, also nur ein paar Wochen nach der Ankunft, war Momo zur Klasse gestoßen. "Er beeindruckte von Anfang an durch seine große Leistungsbereitschaft und sein vorbildliches Verhalten", erinnert sich Schober. Äußerst interessiert sei er gewesen und unermüdlich bemüht, seine Wissenslücken zu schließen. "Dass ihm das vielfach gelang und er bald Anschluss an das geforderte Niveau der einzelnen Unterrichtsfächer erreichte, ist sehr erstaunlich, wenn man bedenkt, dass er wohl wenig schulische Bildung in seiner Heimat erhielt und ihm viele europäische Kulturinhalte - besonders in Geschichte, Literatur, Geographie, Sozialkunde - bis dahin völlig fremd waren."

Schober lieh ihm häufig Bücher, "die er mit großem Eifer las, oft mehrere in der Woche". Momo sei schnell in der Klasse integriert gewesen, habe viele Freunde an der Schule gefunden. Durch sein ruhiges Wesen und seine auffallende charakterliche Reife sei er Vorbild für viele Mitschüler gewesen, eine große Bereicherung für die Klassengemeinschaft - "und auch für mich als Lehrer, für den so hochmotivierte Schüler wie Mohamed stets die Ausnahme waren".

Gerade in der Hauptschule, "wo pubertierende Jugendliche oft nur wenig Interesse für die Schule aufbringen und im Umgang miteinander und gegenüber Lehrern vielfach angemessenes Betragen und höflichen Umgangston vermissen lassen", habe Mohamed beispielhaft auf seine Mitschüler gewirkt", lobt der Lehrer. Momos Höflichkeit, Fleiß, Bescheidenheit, Fairness hätten jeden beeindruckt, der mit ihm zu tun hatte. "Auch ich selbst, obwohl bereits kurz vor der Pensionierung, lernte durch ihn noch Wesentliches dazu, wenn er sich zum Beispiel beharrlich für Mitschüler einsetzte und mich veranlasste, mein eigenes Lehrerverhalten zu überdenken und Gelassenheit statt Strenge gegen Schüler zu zeigen. Mohamed war für uns alle Vorbild im schulischen wie im privaten Leben." Er habe durch seine außergewöhnliche Lernbereitschaft vielen Mut gemacht, eigene Schwächen zu überwinden. Vor allem dank Momo hätten die Mitschüler in einer bunt zusammengewürfelten Klasse mit Kindern aus allen Teilen Europas Integration und friedliches Miteinander täglich erlebt und verstanden.

Schober abschließend: "Ein junger Mensch, der trotz schwierigster Lebensverhältnisse, erfolgreich und fleißig bemüht ist, seinen Lebensunterhalt hier selbst zu bestreiten, der dem Staat durch seine Arbeit und Steuern dann wieder zurückgibt, was in ihn investiert wurde, ist doch ein Gewinn für unsere Gesellschaft und darf nicht Opfer einer bürokratischen Verordnung werden", so Schobers Appell.

Den Brief in voller Länge lesen Sie auf

www.rosenheim24.de

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