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Falsche Schraube, echtes Gerücht: Schweden foppen Mac-Community

Falsches Foto, echtes Gerücht Die Mär von der schrägen Apple-Schraube

Eine 3-D-Konstruktionszeichnung, eine manipulierte E-Mail, ein schlechtes Foto und ein einziger Satz: mehr braucht man nicht, um ein Apple-Gerücht in die Welt zu setzen. Das hat ein Unternehmer aus Schweden gezeigt. Ein Lehrstück für Gerüchteköche.

Was braucht man eigentlich, um ein gutes Apple-Gerücht in die Welt zu setzen? Geheime Informationen aus dem Hauptquartier in Cupertino? Einen sehr guten Freund in Apples Entwicklungsabteilung? Einen Arbeitsplatz bei einem chinesischen Apple-Lieferanten? Nichts davon. Gute Computerkenntnisse und ein Gespür dafür, worauf Apple-Fans und -Hasser gerade anspringen würden, reichen vollkommen aus. Ob es wirklich so einfach wäre, wollten Lukasz Lindell und seine Kollegen ausprobieren - und konstruierten das perfekte Gerücht.

Dass sie sich ausgerechnet Apple als Ziel ausgesucht haben, liege einfach daran, dass der Konzern eine so große Firma sei und problemlos ein paar Schläge wegstecken könne, schreibt Lindell jetzt im Blog seiner Firma Day 4 . Zudem sei die Apple-Community in Erwartung des iPhone 5 gerade extrem aktiv, diskutiere über mögliche Materialien, Formen und technische Details. Er wusste, sie würde einen Hinweis auf eine geheime Apple-Neuheit gierig aufsaugen.

Genau daran reibt Lindell sich. Viel zu unkritisch würden solche Informationen aufgenommen, viel zu wenig die Quellen hinterfragt, viel zu oft etwas einfach als Fakt gewertet, nur weil es irgendwo geschrieben stehe.

Also setzte er sich eines Nachmittags mit seinen Kollegen an den Computer und bastelte mit einem 3-D-Konstruktionsprogramm das Modell einer Schraube, wie es sie bis dahin nicht gegeben hatte. Ihrer Phantasie ließen die Grafiker dabei freien Lauf und konstruierten einen Schraubenkopf, der so komplex geformt ist, dass er kaum mit einem bekannten Werkzeug bewegt werden könnte.

Die Anti-Bastler-Schraube

Lindell entwickelt mit seiner Firma Day 4 in Stockholm Computeranimationen für Filme und Werbespots. Und er kennt sich offenbar mit Apple aus und weiß, dass der Konzern schon einmal mit Schrauben für viel Wirbel gesorgt hat, als er sogenannte Pentalobe Schrauben in seinen Geräten einführte. Passende Schraubendreher für diesen Typ sind kaum verbreitet. Sofort wurde vermutet, Apple wolle verhindern, dass Bastler an den Geräten herumfummeln.

Diese Geschichte drehte Lindell nun noch weiter. Aus der Konstruktionszeichnung ließ er den Computer ein Bild berechnen (rendern), das er sich selbst per E-Mail schickte. Von dieser E-Mail machte er ein schlechtes Foto, auf dem er mit groben Pinselstrichen die vermeintlichen Namen von Sender und Empfänger unkenntlich macht. Das derart zum Schein anonymisierte Bild platzierte er dann auf Reddit , einer Social-News-Website, versehen mit dem Hinweis: "Ein Freund hat dieses Bild vor einiger Zeit bei einer Obstfirma aufgenommen. Die entwickeln jetzt offensichtlich sogar eigene Schrauben".

Von Gerücht zum Faktum in fünf Tagen

Wenige Stunde später wurde das erste Blog auf den Reddit-Eintrag aufmerksam und titelte: "Apple könnte an einer neuer supergeheimen Schraube arbeiten, um Euch für immer aus Euren Geräten auszusperren." Immerhin, hier wurde noch vorsichtig formuliert, dass es keinesfalls sicher sei, dass Apple wirklich eine solche Schraube entwickle. Doch die Titelzeile bediente auch die Befürchtungen, Bastlern könnte es von Apple noch schwerer gemacht werden als ohnehin schon.

Von da an verselbstständigte sich die Pseudo-Nachricht - und mutierte binnen weniger Tage vom unbestätigten Gerücht, noch dazu aus einer unbekannten Quelle, zum Faktum. Schon in den Kommentaren zur ersten Meldung finden sich einige Leser, die das Schrauben-Gerücht glauben wollen. Diverse renommierte Magazine berichteten, befragten Experten, schrieben Analysen. Noch fünf Tage nach dem Original-Posting erschienen Berichte, in denen es ohne leise Zweifel hieß: "Apple arbeitet an einer geheimen asymmetrischen Schraube, um zu verhindern, dass Anwender ihre Geräte öffnen können."

Nicht zu stoppen

Dabei hatte Lindell zu diesem Zeitpunkt längst den Stecker gezogen und die Geschichte in seinem Blog als Fake entlarvt. Zwar wird auch diese Meldung wieder vielfach aufgegriffen, aber aus der Welt radieren kann der Schwede seinen Fake damit nicht mehr - und das weiß er auch. "Ein Gerücht, das Fahrt aufgenommen hat, kann man nur schwer stoppen", schreibt Lindell.

Und er bittet bei all jenen um Verzeihung, die seiner Lügengeschichte aufgesessen sind. "Wir möchten uns bei allen entschuldigen, die sich jetzt betrogen fühlen", schreibt er im Firmenblog und erklärt seine Hoffnung, "dass wir [jetzt] mehr über die Dinge nachdenken, die wir im Internet sehen."