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Lesbenfriedhof in Berlin: Sichtbar über den Tod hinaus

Foto: SPIEGEL ONLINE

Lesbenfriedhof in Berlin Sichtbar über den Tod hinaus

In Berlin ist der erste Friedhof nur für Lesben entstanden. Eine Stiftung betreibt ihn, die Macherinnen wollen von einer postmortalen Ausgrenzung nichts wissen: Es gehe darum, sichtbarer zu werden.
Von Emily Bartels

Berlin - Auf Friedhöfen herrscht eine Ruhe, die es sonst kaum mehr gibt. So ist das auch auf dem Georgen-Parochial-Friedhof I in Berlin. Normalerweise. Am Sonntag drängten sich Fotografen und Besucher zwischen Bäumen und alten Gruften, sie zertrampelten das Immergrün zwischen den Grabsteinen. Ihr Weg endete auf einem etwas versteckten Areal, wo noch keine Gräber zu sehen sind, nur ein Sandweg, der sich um ein paar Bäume kringelt.

Die Sappho-Frauenwohnstiftung  hat geladen zur feierlichen Eröffnung des ersten Lesbenfriedhofs Deutschlands. Frauen, die in ihrem Leben Frauen liebten, können sich hier als Teil einer Gemeinschaft beerdigen lassen. 80 Urnen- und Erdgräber sind vorgesehen.

"Statement gegen die weitgehende Unsichtbarkeit"

Astrid Osterland hat sich schon ein Grab reservieren lassen. Sie ist Mitglied der Stiftung, ohnehin erhalten in den ersten drei Jahren nur Sappho-Frauen einen Zuschlag. "Der Friedhof soll Lesben auch nach dem Tod einen geborgenen Ort des Wohnens schaffen", sagt sie. Sie steht auf dem Sandweg, für die Feier hat sie eine bunte Blumenhose angezogen.

Im Tod sind alle gleich, sagt man. Und dass das auch für das Leben gilt, ob homosexuell, bisexuell oder heterosexuell, ist längst bei der großen Mehrheit der Menschen angekommen. Kein Wunder, dass die wohl meistgestellte Frage an die Beteiligten des Lesbenfriedhofs ist: Wieso diese selbstgewählte Ausgrenzung? Osterland reagiert mit einem Hinweis: "Dieses Gelände hat keinen Zaun." Später, wenn hier Gräber stehen, sollen Menschen herkommen, nicht nur Angehörige, auch Männer. Sie sollen diesen Ort besuchen, um die lesbischen Frauen zu ehren.

"Meine Generation hat für die Rechte der Lesben gekämpft. Es ist endlich an der Zeit, dass auch wir einen eigenen Friedhof bekommen", sagt Osterland. Es geht den Sappho-Frauen nicht um Ausgrenzung, es geht um ein Sichtbarwerden, das aus ihrer Sicht in allen Bereichen der Gesellschaft lange nicht erreicht ist. In einer Erklärung der Stiftung heißt es, man wolle den Friedhof verstanden wissen als "Statement gegen die weitgehende Unsichtbarkeit von Lesben in Gesellschaft, Politik und Medien".

Anonyme Gräber verboten

Vor vier Jahren hatte die Sappho-Stiftung aus Hannover die Idee für einen eigenen Friedhof. Es sei nicht schwer gewesen, einen geeigneten Platz zu finden, sagt Osterland. Kaum überraschend fiel die Wahl auf Berlin, einer Stadt, in der jede Szene ihren Raum findet. Der Alte St.-Matthäus-Kirchhof im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg gilt schon seit Jahrzehnten als inoffizieller Friedhof für Schwule. Der Georgen-Parochial-Friedhof I sei sehr aufgeschlossen für ihre Idee gewesen, sagt Osterland.

Für die Friedhöfe spielen ganz weltliche Interesse eine entscheidende Rolle, Gruppen einen Teil ihrer Fläche zu überlassen. Die Zahl der Feuerbestattungen steigt, Urnengräber sind kosten- und platzsparender. Und viele Menschen wählen heute nicht den klassischen Friedhof, sondern Orte wie Ruhewälder. Wieder andere lassen sich aus finanziellen Gründen in einem Gemeinschaftsgrab beerdigen.

So liegen manch große Flächen der deutschen Friedhöfe ungenutzt. Auch der Berliner Lesbenfriedhof gehörte zu einem verwilderten Teil des Georgen-Parochial-Friedhofs. Der Friedhofsverwaltung kann es nur recht sein, dass die Sappho-Stiftung für das 400 Quadratmeter große Gelände nun die Trägerschaft übernommen hat. Für 15.000 Euro hat der Verein das brache Gelände neu hergerichtet.

Die Sappho-Stiftung darf darüber entscheiden, welche Frauen hier beerdigt werden. Und sie hat verfügt, dass anonyme Gräber verboten sind. Das widerspräche dem Willen nach mehr Sichtbarkeit. Sechs der Gräber sind schon reserviert. Ab Juni können sich neue Interessentinnen melden.