Wenn Albert Rupprecht über seine derzeit wichtigste Aufgabe spricht, spart er nicht an dramatischen Worten. Über "schwerste Verwerfungen" oder "gefährliche Gratwanderungen" redet er dann und über "die Katastrophe, die wir jeden Tag verhindern müssen". Das klingt nach Notarzt oder Bergwacht, aber Rupprecht befasst sich nicht mit der Rettung von Menschen, sondern mit der Rettung von Banken. Der studierte Volkswirt vertritt für die CSU im Bundestag den Wahlkreis Weiden und führt den Vorsitz in jenem Gremium des Parlaments, das Finanzminister Peer Steinbrück und dessen "Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung" (Soffin) kontrollieren soll.

Da ist ein wenig Dramatik schon nützlich. Denn sie hilft Rupprecht einen Vorgang zu rechtfertigen, der so gar nicht den Grundregeln der parlamentarischen Demokratie entspricht: Mit bis zu 480 Milliarden Euro aus Steuergeldern, mehr als dem Doppelten des jährlichen Bundesetats, soll Deutschlands Bankensektor vor dem Zusammenbruch bewahrt werden. Doch wer dabei zu welchen Konditionen profitiert, darüber entscheiden nicht die gewählten Vertreter der Steuerzahler, sondern nur ein vom Minister eingesetzter "Lenkungsausschuss" unter Leitung des Finanzstaatssekretärs Jörg Asmussen. Der Bundestag selbst, so beschloss es die Große Koalition im vergangenen Oktober, verzichtet ausgerechnet bei der umstrittenen Bankensanierung mit Staatsgeldern auf sein wichtigstes Recht: die Kontrolle über die Staatsausgaben.

Ausschuss mit Maulkorb

Lediglich ein kleines Gremium von neun Abgeordneten aus dem Haushaltsausschuss wurde eingesetzt, dem die Bankenretter einmal pro Sitzungswoche ihre Entscheidungen mitteilen. Immer am Freitagmorgen trifft die Gruppe mit Asmussen oder dem parlamentarischen Staatssekretär Karl Diller sowie Hannes Rehm, dem operativen Chef des Soffin, zusammen und darf Fragen stellen. Ablehnen oder ändern können die Parlamentarier die Beschlüsse jedoch nicht. Und selbst die Unterrichtung ist geheim. Weder ihren Kollegen noch ihren Wählern dürfen die neun Auserwählten die erhaltenen Informationen weitergeben. Wer dagegen verstößt, dem droht eine Anklage wegen Geheimnisverrats und im schlimmsten Fall eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. Handelt es sich also nur um eine pseudodemokratische Veranstaltung nach dem Modell Nordkorea? Und wie vereinbaren die Abgeordneten das mit ihrem Selbstverständnis als Volksvertreter?

Rupprecht, ein smarter Dynamiker mit Oberpfälzer Akzent, kontert mit einer Gegenfrage: "Was wäre die Alternative?" Würde der Bundestag öffentlich über die Staatshilfe für einzelne Banken debattieren, "würde das doch sofort zu Verwerfungen auf den Märkten führen", rechtfertigt er das Verfahren. Aktienwerte könnten abstürzen oder Banken ihren Kredit bei anderen Marktteilnehmern verlieren. Das Überleben der Geldkonzerne dürfe aber nicht vom Parteienstreit abhängig sein. Gewiss, die Öffentlichkeit würde mehr erfahren, "aber das Ergebnis wäre nicht Klarheit, sondern noch viel größere Unsicherheit", behauptet er. Insofern sei das Geheimgremium "der beste Kompromiss". Und schließlich, so versichert er, werde dort "scharf nachgehakt, gerade auch von mir." Auch Carsten Schneider, Sprecher für Haushaltspolitik bei der SPD-Fraktion, hat mit dem Konstrukt kein Problem. Schließlich sei dies "eine bewusste Entscheidung" gewesen und ohnehin wolle er sich "nicht anmaßen, zu entscheiden, welche Bank Bürgschaften und Kapitalhilfen erhält". Das liege "bei der Exekutive" in guten Händen.

Linkspartei: Das Parlament hat sich entmündigt

Das sieht Roland Claus, der für die Linksfraktion dabei ist, naturgemäß anders. Das Parlament habe "sich entmündigt", klagt der Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt, und seine Sorgenfaltenmiene zeigt an, wie schwer ihm die Mitarbeit in dem rechtlosen Ausschuss fällt. Indirekt übernehme er schon "die Mitverantwortung für die Täuschung der Öffentlichkeit", gesteht er. Gleichwohl sei das Gremium "besser als nichts". Auf diesem Wege könne zumindest im Nachhinein die Verantwortung für die Milliardenzuteilungen geklärt werden. Auch Alexander Bonde, der haushaltspolitische Sprecher der Grünen, empfindet den Umgang der Bankenretter mit dem Parlament als Zumutung. "Eigentlich" sagt er, "eigentlich ist all das mit der Ehre eines Haushälters im Bundestag nicht vereinbar."

Dabei stört ihn weniger die Geheimhaltung als vielmehr die Impotenz des Gremiums. Um wirklich kontrollieren zu können, "müssten wir selbst die Akten aus den Banken prüfen." Auch müssten die Abgeordneten das Recht haben "die verantwortlichen Manager vorzuladen und zu befragen", fordert Bonde. Weil ihm das verwehrt sei, erfahre der Ausschuss stets nur das, was Steinbrücks Staatssekretäre oder Soffin-Chef Rehm preisgeben wollen. Und das sei bisher noch immer zu wenig gewesen, klagt auch der CDU-Haushälter Jochen-Konrad Fromme. Fortwährend müsse man "um Informationen betteln", die eigentlich selbstverständlich seien. Und das, obwohl bis Ende Februar schon Bürgschaften für 178 Milliarden Euro übernommen wurden. Weitere 19 Milliarden Euro an Kapitalhilfen sind bereits genehmigt, so viel, wie alle deutschen Universitäten pro Jahr kosten.