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Gema-Streit YouTube sperrt Musikvideos in Deutschland

Die Gema will mehr Geld von Googles Videoportal YouTube: Für jeden Abruf eines Musikvideos soll die Videoseite zahlen, egal, wie viel Geld die Anzeigen bringen. YouTube fürchtet Verluste - und klemmt erst mal deutschen Nutzern die Musik-Clips ab.

Die Gema streitet wieder einmal ums Geld: Erst Anfang des Jahres hatte die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte Konzertveranstalter mit einer klaren Ansage aufgeschreckt: Ein Zehntel aller Live-Musik-Einnahmen hätte man gern bis 2014. "Wucher", kommentierten die Betroffenen damals.

Jetzt ist YouTube dran. Die Gema will mehr Geld für Musik-Clips. "Nicht nachvollziehbar" nennt heute YouTube-Manager Patrick Walker im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE die neuesten Gema-Forderungen.

Der Vertrag der Verwertungsgesellschaft mit YouTube läuft an diesem Dienstag aus. Auf einen neuen konnte man sich nicht einigen. Laut YouTube verlangt die Gema einen Betrag von zwölf Cent für jeden Abruf eines Musikvideos, an dem ein von der Gema vertretener Komponist, Textautor oder Musikverleger die Rechte hält (die Gema hat gut 60.000 deutsche Mitglieder und vertritt mehr als einer Million Rechteinhaber aus aller Welt).

YouTube nennt die von der Gema geforderten Beträge "beispiellos in der Geschichte des Streamens von Musikvideos". Die 12-Cent-Pauschale sei 50-mal höher als der in Großbritannien vom Gema-Gegenstück PRS geforderte Betrag. YouTube-Manager Walker: "Wir können die Höhe dieser Forderung nicht nachvollziehen und sind von der Unnachgiebigkeit der Gema enttäuscht. Das ist für YouTube nicht tragbar, wir würden mit jedem Abruf eines Videos Geld verlieren."

YouTube filtert mehrere tausend Clips

YouTube beginnt am Dienstagabend damit, alle Musikvideos zu sperren, die von dieser Auseinandersetzung berührt sein könnten. Walker spricht von "mehreren tausend Musikvideos". Wie viele Clips es exakt sind, könne man nicht sagen. Zunächst sperrt YouTube alle Clips, welche die Labels selbst eingestellt haben, dann auch alle von Nutzern eingestellten Kopien dieser Clips. Es soll mehrere Tage dauern, alle entsprechenden Inhalte zu blockieren.

Sendet YouTube weiterhin die Clips, nachdem das bisherige Lizenzabkommen mit der Gema ausgelaufen ist, würde für jeden Abruf irgendwann eine womöglich saftige Nachzahlung fällig werden. YouTube-Manager Walker: "Wir müssen die Musikvideos allein schon aus Gründen der Vorsicht blockieren, weil zunächst einmal der Gema-Tarif im Raum steht und sich dadurch nicht tragbare wirtschaftliche Risiken ergeben."

Die Gema bestreitet, von YouTube jemals 12 Cent gefordert zu haben. Sprecherin Bettina Müller erklärt SPIEGEL ONLINE: "Wir haben YouTube 1 Cent pro Stream angeboten. Die Verhandlungen sind bislang daran gescheitert, dass YouTube nicht bereit war und ist, die Forderungen der Gema nach mehr Transparenz hinsichtlich des genutzten Musikrepertoires zu erfüllen."

Gema: "Wir wollen mehr Transparenz"

Was nun - 1 oder 12 Cent? Diesen Widerspruch klärte bislang keine der beiden Seiten auf. Ein möglicher Erklärungsansatz: Die Gema hat womöglich 1 Cent geboten, aber nur unter der Bedingung, von YouTube mehr Informationen zum Abruf der Musikvideos zu erhalten. Doch wenn wegen des Konflikts kein neuer Vertrag zustande kommt, könnte die Gema die Abrechnung nach ihren "Lizenzierungsgrundlagen" für "Anbieter von Musikvideo-on-demand-Portalen" verlangen. Und in diesem Dokument (PDF auf den Seiten der Gema...)  heißt es, die "Mindestvergütung je entgeltlich oder unentgeltlich" genutzten Werks aus dem Gema-Repertoire mit einer Spieldauer bis zu fünf Minuten betrage 0,1278 Euro. Da sind sie also, die 12 Cent.

Wie viel Geld YouTube bei solchen Lizenzbedingungen der Abruf eines Musikvideos tatsächlich kosten würde, kann man nur vermuten: Die Gema-Lizenz deckt ja nur einen Teil der Rechte an einem Musikvideo ab (Texte und Komposition) - für die Rechte an Filmmaterial und den Aufnahmen der Songs muss YouTube noch einmal extra zahlen.

Wenn man die Gema-Forderung hochrechnet, müsste YouTube bei der Werbung im Umfeld der Streams einen Tausenderkontaktpreis (TKP) von 120 Euro erzielen, allein um die Gema-Gebühren zu finanzieren. Ein TKP von 120 Euro ist extrem hoch - YouTube-Manger Walker kommentiert, dass Online-Anzeigenkunden schon einen TKP von 15 Euro nur für ein sehr gutes, demografisch hochattraktives Werbeumfeld zahlen würden.

500.000 Euro für 3,7 Millionen Videoabrufe?

Wie viele Musikvideos nun eigentlich abgerufen werden, wie viel Anzeigenumsatz mit den Werbeplätzen in diesem Umfeld gemacht wird - all das will YouTube nicht beantworten. Eine sehr grobe Rechnung veranschaulicht allerdings die Größenordnung: YouTube zeigt bei den Nutzerprofilen an, wie oft die Videos dieses Mitglied abgerufen wurden.

Zählt man nun die Videoabrufe der 20 Mitglieder mit den meistgesehenen Clips in der Kategorie "Musiker" in Deutschland im vergangenen Monat zusammen, kommen derzeit (Dienstag, 18 Uhr) mehr als 3,7 Millionen Videoabrufe zusammen. Sprich: Für einen Monat Musik-Werbevideo-Abnudelei (der 20 beliebtesten Anbieter) müsste YouTube der Gema knapp eine halbe Million Euro überweisen.

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