Frankreich: Gewaltausschreitungen in Calais

Calais, Hafen. Bild: Romainberth/CC BY-SA 3.0

Polizei geht mit Tränengas gegen Migranten vor, die versuchen, nach Großbritannien zu gelangen

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Die Grenzsicherung funktioniert: Die Zugänge zum Euro-Tunnel und die Zugänge zu den Ablegestellen der Fähren sind dicht. Laut der Präfektur von Pas-de-Calais hat es in den letzten drei Wochen kein Migrant mehr geschafft, illegal nach Großbritannien zu gelangen. Doch bleiben größere Probleme, Lösungen stehen aus.

Abriegelung hat mehr Agressivität zur Folge

Die Behörden in Calais befürchten, dass sich etwas zusammenbraut. Im Le Monde-Artikel zur gegenwärtigen Situation der Migranten wird ein Verantwortlicher der Polizeigewerkschaft zitiert, der die Sorge vor einer Revolte im Lager der Migranten äußert.

In den letzten Nächten kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizeikräften (CRS) und Migrantengruppen. Sie haben mit der Abschottung der Zugänge zu tun, wie auch die Präfektin von Pas-de-Calais, Fabienne Buccio, einräumt, wenn auch mit einem "vielleicht": Es könnte sein, dass die Abriegelung des Hafens mehr Aggressivität erzeugt habe, peut-être.

Tatsache ist, dass Migranten Gegenstände auf die Zufahrtsstraße zu den Hafenanlagen werfen, um Lastwagen, die auf dem Weg zu den Fähren sind, zum Halten zu bringen und den Stopp für eine Mitfahrgelegenheit als blinde Passagiere zu nutzen, in der Hoffnung, derart auf eine Fähre nach Großbritannien zu gelangen. Auf manchen Videos sieht man, dass Straßenschilder aus der Verankerung gerissen werden, auf der Zubringerstraße liegen nicht erkennbare Gegenstände.

In Berichten aus der Lokalpresse heißt es, dass die Migranten sich auf Grundstücke von Anwohnern in der Nähe auf die Suche nach geeigneten Gegenständen begeben. Die Anwohner sind darüber nicht erfreut. Die Polizei habe alle Mühe, sie zu beruhigen.

Seit Montagnacht werden Zusammenstöße mit Polizisten, welche die Migranten von ihren Straßenblockaden abhalten, gemeldet. Die Migranten werfen Steine auf Polizisten, die Polizisten reagieren mit Tränengas, ganze Kanister würden auf sie und ihr Lager geworfen, so die Migranten. Das improvisierte Zeltlager befindet sich in der Nähe der Zubringerstraßen zum Hafen.

Das Polizeiaufgebot ist beträchtlich. 250 seien es gestern gewesen, in einer ruhigeren Nacht als den beiden vorangegangenen, so le Monde. Montag- und Dienstagnacht hätten die CRS-Einheiten im Durchschnitt 300 Tränengasgranaten geworfen, gestern etwa 60.

Die Migranten hätten mit nicht näher bezeichneten Wurfgegenständen geantwortet. 27 verletzte Polizisten und ein verletzter Migrant, bilanziert die Zeitung. Wie immer bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Gegnern ist dabei zu berücksichtigen, aus welcher Perspektive berichtet wird. Le Monde zitiert dazu keine Aussagen aus der Sicht der Migranten. (Ergänzung: Laut dem Frankreich-Korrespondenten der österreichischen Zeitung Standard gibt es Vorwürfe sowohl der Präfektin des Departements wie der Bürgermeisterin von Calais, wonach "linksradikale Aktivisten von Gruppen wie No Border und Schwarzer Block" wie auch Schlepperbanden die Migranten aufwiegeln und ihnen "Methoden der Stadtguerilla beibringen" würden.)

Miserable Zustände im Zeltlager

Die Zeitung verweist allerdings, wie auch andere Berichte (englisch) über die Eskalationen der letzten Tage, auf die miserablen Bedingungen im improvisierten Zeltlager der Migranten - im französischen Jungle genannt, laut Wikipedia zurückzuführen auf die Übersetzung des Farsi-Begriffs jangal für "Wald".

Baumbestand bzw. kleinere Gebiete mit Gehölz gibt es einige in den Zonen der Küstenstadt Calais, die sich in der Nähe des Hafens bzw. des Euro-Tunnels befinden, weswegen die Lager auch ihren Standort wechseln. In den letzten Jahren hat die Regierung mehrfach versucht, Lager aufzulösen. Mit keinem befriedigendem Ergebnis.

Derzeit sollen sich im Jungle-Lager 4.500 Personen aufhalten, zwischenzeitlich waren es über 6.000. Sie werden von mehreren Hilfsorganisationen unterstützt. Diese hatten Ende Oktober ein Gerichtsurteil begrüßt, das den Staat dazu verpflichtete, für bessere Bedingungen zu sorgen, gerade in Hinsicht auf Minderjährige, die dort unter erbärmlichen hygienischen Umständen leben.

Die Regierung versuchte Migranten an anderen Orten in Frankreich unterzubringen, wo sie Asyl beantragen könnten. Es heißt, dass die Reaktion darauf verhalten war. Die meisten Migranten würden nach Großbritannien wollen, weil sie dort Familie oder Bekannte hätten, wird als Grund genannt. Französische Politiker spekulierten zur Verärgerung britischer Kollegen mit anderen Motiven, zum Beispiel mit Möglichkeiten, leicht an unversteuerte Jobs zu kommen als in Frankreich Migranten: Britische Regierung setzt auf Kürzungen und Strafen).