Als Gisela Rosenbladt 65 wurde, weigerte sie sich, in Rente zu gehen. Stattdessen wollte sie weiterhin als Putzfrau arbeiten. Rosenbladts Job bei einer Reinigungsfirma bringt ihr etwa 300 Euro ein. Ein Zubrot, auf das sie nicht verzichten will, denn sie hat einen behinderten Sohn zu versorgen.

Mit Mitte 60 noch arbeiten zu wollen: Damit ist sie nicht allein. Die Zahl der arbeitenden Rentner steigt. Im vergangenen Jahr gingen laut Bundesarbeitsministerium rund 660.000 Menschen im Alter zwischen 65 und 74 Jahren noch einer Beschäftigung oder einem Minijob nach. Das sind etwa 250.000 mehr als noch vor zehn Jahren.

Es übertrifft aber die Zahl derer, die von Altersarmut betroffen sind. Längst nicht alle arbeitenden Senioren gehen also weiterhin einem Job nach, weil sie keine andere Wahl haben. Silke van Dyk von der Universität Jena, die zur Soziologie des Alterns forscht, beobachtet zwei unterschiedliche Gruppen: Auf der einen Seite eine kleine Minderheit, die aus finanziellen Gründen arbeitet, meist als Minijobber – und auf der anderen Seite Ältere, die weitermachen, weil ihre Arbeit sie ausfüllt und sie schlicht noch nicht aufhören wollen. "Das sind in der Regel privilegierte Kopfarbeiter, die in ihrem beruflichen Alltag über ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit und Zeitsouveränität verfügt haben", sagt die Soziologin.

Wolfgang Fritsche ist so ein Silver Worker , der eigentlich nicht mehr arbeiten müsste. Der 60-Jährige war betriebswirtschaftlicher Leiter einer Wohnungsbaugesellschaft, seit dem vergangenen Jahr ist er in Altersteilzeit. Ein halbes Jahr spannte er aus, überlegte, was nun kommen sollte. Dann suchte er sich eine neue Aufgabe – und fand sie als Berater. Einmal in der Woche berät Fritsche seither Existenzgründer, ehrenamtlich. Genau wie seine Kollegen beim Berliner Beratungsdienst und wie zahlreiche andere sogenannte Wirtschaftssenioren in Hamburg, in Hannover oder im Rheinischen. "Das ist wie bei einem Sportler", sagt Wolfgang Fritsche, "man muss abtrainieren". Ein Leben ganz ohne Arbeit reizt ihn nicht. Jedenfalls nicht in den nächsten zehn Jahren. Fritsche schätzt es, dass sein Expertenwissen noch gebraucht wird.

Gisela Rosenbladt dagegen geht es nicht darum, gebraucht zu werden. Ihr geht es um ihren Lohn. Als ihr Arbeitsvertrag endete, nahm sie sich einen Anwalt – und klagte wegen Altersdiskriminierung. Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen. Die Richter am Hamburger Arbeitsgericht allerdings entschieden gegen die Reinigungskraft. Dass ihr Arbeitsvertrag mit dem Erreichen des gesetzlichen Rentenalters ende, sei rechtens.

Verboten ist Arbeit im Rentenalter trotzdem nicht. Wer die sogenannte Regelaltersrente bezieht, darf so viel hinzuverdienen, wie er oder sie möchte. Altersgrenzen gibt es nur für bestimmte Berufsgruppen: Beamte werden heute zum Beispiel mit 65 Jahren, bald mit 67 Jahren, automatisch in den Ruhestand versetzt , Notare mit 70. Wer aber angestellt ist und sich fit fühlt, der darf grundsätzlich auch mit 75 noch jeden Tag ins Büro – wenn es der Arbeitgeber mitmacht. In der Praxis gibt es das jedoch kaum. Altersgrenzen in den meisten deutschen Arbeits- und Tarifverträgen verhindern es.