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Packers hoffen auf Befreiung von Superstar Favre

Rashard Mendenhall und Darrelle Revis Rashard Mendenhall und Darrelle Revis
Pittsburghs Runningback Rashard Mendenhall wehrt im Spiel gegen die new York Jets die Attacke von Cornerback Darrelle Revis ab
Quelle: REUTERS
Beim Super Bowl treten mit Green Bay und Pittsburgh die leidenschaftlichsten Teams der NFL an. Aber nicht einmal Cheerleader sind offiziell zugelassen.

Es ist noch ein weiter Weg bis zum Frieden in Amerikas bittersüßester Sportsaga, aber wenigstens ein Anfang ist jetzt mal gemacht. Brett Favre hat gesagt, er werde zu den Green Bay Packers halten im Superbowl. Und die Green Bay Packers haben gesagt, sie werden auf Brett Favre zugehen, irgendwann jedenfalls. „Zum angemessen Zeitpunkt“, so erklärte Präsident Mark Murphy vorgestern am Spielort in Arlington/Texas.

Dort treffen die Packers am Sonntag auf die Pittsburgh Steelers, ohne den Quarterback, der zwei Dekaden lang ihr Synonym war und dessen kontroverser Abschied viele Fans in eine Identitätskrise stürzte. Von 1992 bis 2008 warf Favre für Green Bay die Pässe, er wurde zur Legende, weil er den Traditionsklub nach drei titellosen Jahrzehnten zum Triumph führte und 16 Jahre kein einziges Spiel verpasste. Dann erklärte er unter Tränen seinen Rücktritt, um sich Monate später doch wieder anders zu entscheiden – zu spät für die Klubleitung, die seinen Posten bereits dem jungen Aaron Rodgers versprochen hatte. Die Menschen aus Wisconsin sind eben prinzipientreu, aber mehr dazu später.

Favre jedenfalls zog weiter und führte fortan jährliche Rührstücke um die Fortsetzung seiner Karriere auf, die viele Football-Fans genervt haben, vor allem aber die Packers, zumal er dann noch ausgerechnet beim Divisionsrivalen Minnesota Vikings anheuerte. Nun jedoch scheint der Spuk endgültig vorbei. Kürzlich erklärte der verlorene Sohn wieder seinen Rücktritt, diesmal für immer, da sind sich alle einig. Kurz darauf gelang Rodgers sein vorläufiges Meisterstück, die Packers gewannen das Halbfinale bei ihrem allergrößten Rivalen, den Bears aus Chicago. Es war ihr dritter Auswärtssieg nacheinander in den Play-offs, für die sie sich als letzte Mannschaft qualifiziert hatten und in denen sie deshalb nie Heimrecht genossen.

Dafür begrüßten sie nun in Texas bekannte Verhältnisse, Eis und Schneesturm, wie zuhause am Lake Michigan, wo schon mal draußen bei minus 25 Grad gespielt wird und das Stadion den Beinamen „Gefrorene Tundra“ trägt. Obwohl die Superbowl-Arena in Arlington bei Dallas überdacht ist, war es beim Training dort fast ähnlich kalt, außerdem erschwert der arktische Wintereinbruch bis in den Süden der USA hinein die Anreise und Partystimmung unter den Fans. Zumindest Football-Nostalgiker finden jedoch, dass es sich genauso gehört. Ihr Spiel ist schließlich Amerikas Wintersport, und dieses Klima die ideale Hommage an die beiden Finalteilnehmer aus dem Norden und das wohl größte Endspiel der Geschichte.

Nie haben sich so viel Tradition, Titel und Sympathien gemessen wie nun in Texas. Die Packers, 1919 gegründet, sind das älteste Profiteam, das immer noch am selben Ort spielt, die Steelers aus dem Jahr 1933 das fünftälteste. Green Bay ist mit zwölf Meisterschaften der Rekordmeister der NFL, nach seiner mythischen Trainerfigur Vince Lombardi ist die Trophäe benannt, um die es am Sonntag geht. Auf der anderen Seite hat in der Superbowl-Ära (seit 1967) kein Team so oft triumphiert wie die sechsmal erfolgreichen Steelers. Und noch mehr Superlative: In Pittsburgh ist seit 1972 jedes Heimspiel ausverkauft, das Lambeau Field der Packers füllt sich schon seit 1960 bei jedem Match bis zum letzten Platz. Nicht zuletzt, weil dort in Troy Polamalu ein echter Freak mitwirkt. Anfang der Woche wurde der 29-Jährige zum besten Abwehrspieler der NFL gekürt, weit auffallender als seine Arbeit auf dem Spielfeld ist allerdings seine Haarpracht. Seit neun Jahren war er nicht mehr bei einem Friseur, weshalb er nun mit einer unfassbaren Mähne daherkommt. Homepage und eine eigene iPhone-App befeuern den Hype um den Strong Safety, ein Sponsor versicherte die Lockenpracht sogar für eine Million Dollar. Die Fans in den USA lieben Polamalu.

Bei so loyalen Anhängern kann man sogar auf die sonst übliche Event-Kultur verzichten. Sowohl Packers als auch Steelers unterhalten keine festen Cheerleader-Gruppen, weshalb, so die lokalen Dallas Cowboys nicht noch ihre Mädchen abstellen, am Sonntag erstmals ein Super Bowl ohne Tänzerinnen steigen wird. An Stimmung wird es trotzdem nicht mangeln, die jeweiligen Fangruppen gelten als so leidenschaftlich, dass sie der Sportsender ESPN in einem Ranking 2008 ex aequo an die Spitze aller 32 NFL-Teams setzte.

Beide Teams leben dabei von der besonderen Beziehung zu ihrer Region. Während die Steelers mit vier Titeln in den 1970er-Jahren zum emotionalen Rettungsanker einer Stahlmetropole im Verfall wurden, sind die Packers gar ein Sonderfall im gesamten amerikanischen Sport – ein Non-Profit-Unternehmen. Sie gehören 112?000 Kleinaktionären, die das Wahlrecht für Vorstand und Exekutivkomitee haben, jedoch keine Dividenden ausgeschüttet bekommen. Ebenso wenig kann die Aktie an Wert gewinnen. Die Satzung bestimmt zudem, dass bei einem Verkauf des Klubs mögliche Gewinne in die wohltätige Green Bay Packers Foundation überführt werden müssen.

Mit dem Ausschluss jeder Renditemöglichkeit soll eventuellen Umzugsgelüsten ein Riegel vorgeschoben werden, denn Green Bay hat nur rund 100?000 Einwohner und ist damit der mit Abstand kleinste Markt im amerikanischen Profisport. Anderswo ließe sich mit der Marke Packers sehr viel Geld verdienen, so bleibt das Team gewissermaßen im kommunalen Eigentum von Wisconsin. Die Menschen in dem nördlichen Agrarstaat danken es mit einzigartigem Enthusiasmus. Rund 80?000 Fans stehen auf der Warteliste für ein Saisonticket, mehr als bei irgendeinem anderen Sportverein des Planeten.

Ein „Packer“ zu sein (der Name schuldet sich einem frühen Sponsor des Teams, der Indian Packing Company) gilt als etwas ganz Besonderes, nirgendwo ist die Kommunion zwischen Spielern und Anhängern so eng. Nirgendwo konnte ein Bruch wie der mit Favre daher so traumatisch sein. „Nur wenige hatten größere Bedeutung für den Klub als Brett“, sagt Präsident Murphy. „Es war ein Test für uns, und ich bin stolz, wie wir ihn bestanden haben.“

Den schwersten Job meistert dabei zweifellos Aaron Rodgers. Dem Spielmacher gelang, woran schon so viele Sportler scheitern – eine Legende zu ersetzen. Dass der 27-jährige so schnell den Superbowl erreichte, macht ihn für viele unabhängig vom Ausgang des Finals zum Quarterback der Saison. Sollte er jetzt tatsächlich noch die Vince Lombardi Trophy nach Hause bringen, wäre der angemessene Zeitpunkt wohl gekommen. Und die Packers könnten endlich Frieden schließen mit der Vergangenheit.

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