USA: Kunst-Streit in Washington:Jesus muss weg

Ein rechter Agitator wettert gegen homosexuelle Museumskunst - und die staatliche Kulturbehörde lässt das Werk verschwinden. Nun streitet Washington.

Jörg Häntzschel

Die Geschichte ist so kleinkariert, dass anfangs kaum jemand Notiz von ihr nehmen wollte: Vor zwei Wochen war der rechte Agitator William Donohue auf ein Video aufmerksam geworden, das in der Ausstellung "Hide/Seek" in der Washingtoner National Portrait Gallery gezeigt wurde.

USA: Kunst-Streit in Washington: Demonstranten unterstützen den Künstler David Wojnarowicz vor der National Portrait Gallery in Washington: Sein Video war aus der Ausstellung entfernt worden.

Demonstranten unterstützen den Künstler David Wojnarowicz vor der National Portrait Gallery in Washington: Sein Video war aus der Ausstellung entfernt worden.

(Foto: AP)

In dem Werk von David Wojnarowicz ist elf Sekunden lang eine Jesusfigur am Kruzifix zu sehen, über die Ameisen krabbeln. Für Donohue, dessen Organisation sich "Catholic League" nennt, obwohl sie mit der katholischen Kirche nichts zu tun hat, war das Grund genug, die Entfernung des Werks zu verlangen. Das Erstaunliche: Die Smithsonian Institution, die staatliche Kulturbehörde, die auch die Portrait Gallery verwaltet, ließ das Video verschwinden. Martin Sullivan, der Direktor des Museums, erklärte die Zensur mit der angeblich "starken Reaktion der Öffentlichkeit".

Das erinnert auf so gespenstische Weise an die ad acta gelegten Kulturkämpfe aus den achtziger Jahren, dass viele in der Kunst- und Schwulenszene dem Vorfall durch Protest nicht noch Gewicht geben wollten. Zuletzt ist Donohue aufgefallen, als er Mel Gibsons antisemitische Ausfälle mit den Worten verteidigte: "Hollywood wird von Juden kontrolliert, die das Christentum hassen".

Andere Museen protestieren

Außerdem wissen Amerikas Liberale, dass sie die Zeit auf ihrer Seite haben. 1989, als in Washington eine Ausstellung von Robert Mapplethorpe nach Protesten geschlossen wurde, wäre eine Schau wie "Hide/Seek", die sich mit der Darstellung gleichgeschlechtlicher Paare in der Porträtkunst beschäftigt, noch undenkbar gewesen. Und von der "starken Reaktion" des Publikums konnte in Wahrheit keine Rede sein. Als Donohue auf das Video aufmerksam gemacht wurde, war es bereits sechs Wochen lang in der Ausstellung zu sehen gewesen, ohne dass sich irgendjemand beklagt hatte.

Doch die Republikaner droschen sofort auf die Ausstellung ein. Der Kongressabgeordnete Eric Cantor forderte die Schließung. Die aus beiden Parteien stammenden Aufsichtsratsmitglieder des Smithsonian schwiegen sich beredt aus. Dabei kümmern sich dieses Mal weder die Republikaner noch Donohue ernsthaft um religiöse Sensibilität.

Ihr Angriff richtet sich gegen eine Kultur, die Homosexualität für normal und museumswürdig erachtet. Hier Empörung zu erzeugen, war nützlich: Schließlich debattiert Washington gerade über das Ende der Regelung, die es US-Soldaten verbietet, sich zu ihrem Schwulsein zu bekennen. Obwohl das Militär die Abschaffung der Regelung mittlerweile unterstützt, fehlten vergangene Woche bei einer Abstimmung im Senat drei Stimmen.

Erst als klar wurde, wie der harmlose Jesus instrumentalisiert wurde, nahm der Protest an Fahrt auf. Ein Aufsichtsratsmitglied des Museums ist zurückgetreten. Etliche Museen haben gegen die Entscheidung protestiert. Und die Warhol Foundation droht, die finanzielle Unterstützung von Smithsonian-Ausstellungen zu beenden, wenn das Werk nicht zurückkehrt.

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