Reaktionen auf Tim Berners-Lees Netzessay: Die Gefährder des World Wide Web

Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, hat Facebook, Google und Apple ungewöhnlich scharf kritisiert – sie bedrohten die Zukunft des Netzes. Dafür gibt es reichlich Beifall.

Erfindungsreich und kritisch: Tim Berners-Lee. Bild: dpa

Die Worte von Tim Berners-Lee hätten kaum deutlicher ausfallen können: "Wenn wir als Webnutzer diese Trends nicht aufhalten, könnten aus dem Netz bald geteilte Inseln werden." Was der Erfinder des World Wide Web da in einem vielbeachteten Essay zum 20. Geburtstag seiner Erfindung für den "Scientific American" schrieb, war ein Weckruf für die Netzgemeinde.

So wurde der 3000 Wörter lange Beitrag auch aufgefasst und in Blogs und auf Twitter weitergereicht. "Tim Berners-Lee glaubt, dass das Web in Gefahr ist", twitterte der renommierte IT-Journalist Dan Gillmor - sein Tweet wurde prompt von Internet-Aktivisten wie Cory Doctorow zitiert. Andere Diskutanten teilten Berners-Lees Angst vor einer Netzfragmentierung durch Facebook und Co. und nannten sie "antisoziale Medien".

Craig Heintzman von der World Wide Web Foundation merkte an, er teile Berners-Lees Bedenken: "Lange lebe das Web." Die Publizistin Xeni Jardin sieht das ähnlich: "Das war ein inspirierender Ruf zu den Waffen."

In dem Streit geht es schlicht um die Frage, wie das Internet der Zukunft aussehen soll. Trotz der gewaltigen Innovationskraft, die das Netz entwickelt hat, gibt es Monopolbestrebungen gleich von mehreren Seiten. Da wären zum einen die Internet-Provider, die die sogenannte Netzneutralität in Frage stellen, gerne ihre Lieblingsdienste bevorzugen würden und bestimmte Firmen extra zur Kasse bitten wollen. Dabei galt im Internet immer das Prinzip, dass alle Daten gleich behandelt werden sollen.

Im Mobilfunknetz besteht diese Trennung bereits, zumindest teilweise. T-Mobile, Vodafone und andere sperren gelegentlich Internet-Telefonie-Anbieter, damit ihre Nutzer weiterhin über die eigenen Netze kommunizieren. "Es ist bizarr sich vorzustellen, dass mein grundlegendes Recht, auf Informationsquellen meiner Wahl zuzugreifen, davon abhängen soll, ob ich nun an einem Computer mit WLAN hänge oder mein Handy benutze", schreibt Berners-Lee in seinem Essay.

Tatsächlich glaubt man bei Google, dass Mobilnetze derart wettbewerbsintensiv seien, dass man dort im Gegensatz zum Festnetz-Internet keine explizite Netzneutralität brauche. Kritiker betonen, dies sei vor allem dem geschäftlichen Verhältnis des Internet-Unternehmens mit einem großen Mobilfunkanbieter in den USA geschuldet. Google wehrt sich gegen den Vorwurf und behauptet, es gehe um "Vernunft" und "Kompromisse".

Gefahren für das Netz sieht Berners-Lee nicht nur bei den Datentransporteuren. Das Internet sei auch von Innen bedroht - durch die "antisozialen Medien". Facebook und andere soziale Netze wie Friendster oder Linkedin hätten die Eigenschaft, Daten zu horten, die dann nicht mehr Teil des Webs seien.

"Jedes Angebot ist wie ein Silo, abgeschottet von den anderen. Ja, die Seiten sind noch im Web, aber die Daten nicht. Man kann auf eine Seite mit einer Freundesliste zugreifen, die man selbst angelegt hat, diese aber dann nicht verschicken oder auf eine andere Website übertragen." Solche und ähnliche Architekturen führten dazu, dass aus dem Web kein einheitlicher, universaler Informationsraum mehr werden könne. "Das Netz fragmentiert immer mehr."

Probleme hat Berners-Lee auch mit anderen Anwendungen, die zwar auf dem Internet aufsetzten, aber eigene, abgeschottete "umzäunte Gärten" bildeten. Als Beispiel nannte er Apples Musik- und Video-Laden iTunes. Dieser habe dem universellen, freien http-Protokoll ein proprietäres "itunes"-Protokoll hinzugefügt.

"Man ist in einem einzelnen Laden gefangen, befindet sich nicht mehr auf einem offenen Marktplatz. So wunderbar die Funktionen in diesem Laden ist, seine Evolution hängt von dem ab, was sich eine einzelne Firma einfallen lässt." Ähnliche Probleme sieht Berners-Lee beim Trend zu Apps auf Handys und Tablets. Diese Anwendungen trennten ihr Material vom Web. "Man kann kein Lesezeichen setzen, keine Links verschicken und nicht darüber twittern."

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